Hallo liebe Leser*innen,
ich bin zu Fuß unterwegs, jeden Schritt ein bisschen näher an meinem geliebten Argentinien. Mit meinen zwei Rucksäcken und einer Essenstasche fühle ich das pure Backpackerleben, während ich die kalte Morgenluft atme. Das erste Anzeichen, wenn man sich an dieser Grenze Argentinien nähert, ist, dass die gut geteerte Straße abrupt aufhört und man auf einem Schotterweg weiterläuft. Das erste Schild, dass ich sehe ist nicht etwa ein „Willkommen in Argentinien“ sondern dick und fett:

„Las islas Malvinas son Argentinas“. In your face, Chile!! Ihr Pisser habt den Feind unterstützt, nur deswegen haben die Engländer gewonnen und das vergessen wir euch niemals!! Nur so als kleine Erinnerung, bevor ihr in unser kollabierendes Land fahrt und billig Trockenfutter einkauft“
Vielleicht etwas überspitzt ausgedrückt… aber aus argentinischer Sicht habe ich wahrscheinlich sogar untertrieben. Den Straßenübergang sieht man im Foto auch ganz toll: Willkommen in Argentinien, wir haben kein Geld für Straßenbau. Und trotzdem klopft mein Herz als ich endlich wieder in meinem Lieblingsland ankomme:

Die Flagge über dem Grenzposten hängt zwar in Fetzen, aber weht trotzdem stolz. Als mich der Grenzbeamte fragt, wo ich heute übernachte, gerate ich ins Stottern. Keine Ahnung, Mann, ich klopfe immer irgendwo und frage, ob ich dort schlafen kann. Er muss aber leider einen Aufenthaltsort eintragen, für das Visum. Ich erinnere mich Dunkel, dass das damals in Buenos Aires auch so war. Und ich bin mir jetzt sicher, dass mein Visum in Puerto Natales nicht erneuert wurde, da konnte ich einfach so weiterreisen und habe auch nie eine Mail mit Aufenthaltsdatum bekommen. Mein chilenischer Chip funktioniert natürlich nicht, WLAN gibt es natürlich nicht, ich frage den Mann, ob er Google Maps hat. Er sieht mich ein bisschen streng an und zuckt dann mit den Schultern: Passt schon, geh einfach zur nächsten Station. … Genau deswegen liebe ich Argentinien! In Chile hätte ich jetzt eine Strafe gezahlt oder hätte nicht über die Grenze gedurft, hier ist es zwar eigentlich Vorschrift aber am Ende interessiert es eh keinen.
Am zweiten Posten darf ich schnell vor den anderen meinen Zettel kontrollieren und stempeln lassen, da ich kein Auto habe. Das ist auch gut so, hätte ich hinten an der Schlange warten müssen, hätte ich sämtliche Mitfahrgelegenheiten verpasst. So laufe ich frühzeitig raus aus dem Grenzposten, stelle mich neben die Schranke und warte, bis die ersten Autos kommen. Gleich das zweite Auto nimmt mich mit, sie fahren bis Trevelin zum Einkaufen. Es sind drei Männer, ein Vater mit zwei Söhnen, kommt mir zumindest so vor. Ich erzähle ihnen ein bisschen was von mir, aber den Großteil der Reise beachten sie mich kaum. Angenehm, ich bin eh nicht in Redelaune. Kurz bevor sie mich aussteigen lassen, halten sie beim Bäcker und bieten mir auch mir eine Quarktasche an, die ich nur zu gerne annehme. Dann setzen sie mich auf der Straße in Richtung Esquel ab, mein Mindestziel für den heutigen Tag: Heißt, so weit will ich mindestens kommen, besser wäre El Bolsón. Dort stelle ich meine Rucksäcke in einer Bushaltestelle unter und mich selbst an die Straße mit ausgestrecktem Daumen. Keine zehn Minuten später sitze ich auf dem Rücksitz im Auto eines freundlichen Paares, das mich bis Esquel bringt. Mit ihnen unterhalte ich mich etwas mehr, bis sie mich etwa eine halbe Stunde später direkt am Busterminal in Esquel absetzen.
Ich bedanke mich herzlich und bin baff darüber, wie gut der Tag lief. Es ist vor 12 Uhr und ich habe mein Mindestziel erreicht. Trocken und mit einem kleinen Frühstück im Bauch. Ich bin viel entspannter, hier habe ich das Gefühl, alles ist 1000mal einfacher und vertrauter als in Chile. Im Terminal sichere ich mir ein Busticket nach El Bolsón (ohne einen Tag warten zu müssen oder einen geheimen Foodtruck zu suchen, der mir die Tickets verkauft), meinem Endziel für 16 Uhr und mache mich dann auf den Weg, Esquel zu erkunden. Ich zahle mit der Karte, wer sich erinnert, ich habe Argentinien mit weniger als 4000 Pesos verlassen, die innerhalb der zwei Wochen, die ich in Chile war, auch noch an Wert verloren haben. Ist auch nicht weiter schlimm, spätestens in El Bolsón hoffe ich, bei Western Union wieder Bargeld holen zu können.
Ich trete aus dem Terminal und… keine Ahnung, was kann man den hier überhaupt machen? Vorhin habe ich meinen argentinischen Chip wieder ins Handy eingesetzt, sodass ich gleich meine googl’sche Geheimwaffe zücken kann. Nicht weit entfernt gibt es einen historische Zugstation und wenn man in der Richtung weiter geht, gibt es ein paar Aussichtspunkte. Das klingt doch ganz gut. Ich spaziere los zur Zugstation. Als sie in Sicht kommt, höre ich ein verdächtiges Pfeifen… kommt da etwa grade der Zug an? Ich sehe in die Richtung… und tatsächlich. Ich sprinte die Stufen hoch zum Bahngleis, wo bereits einige Schaulustige mit gezücktem Handy stehen. Ich ziehe auch meines hervor um die wunderschöne, pfeifende, qualmende, alte Dampflock zu fotografieren, die langsam in den Bahnhof einrollt. So viel Glück muss man erstmal haben!






„La Trochita“ heißt der schöne Zug und verbindet Esquel mit El Maitén. Der alte Express durch Patagonien hat urprünglich Tiere und Güter transportiert, heute ist es eine Touristenattraktion. Und was für eine. Bewundert vor allem das abfotografierte Bild, wie die Bahn durch die wunderschöne Natur fährt… schade, dass ich die Fahrt nicht mitmachen kann, ist sicherlich wunderschön. Aber ich mache ausgiebig Bilder von der dampfenden Dame, die teilweise ganz in ihrem eigenen Nebel verschwindet und Harry-Potter-Träume wahrwerden lässt.
Dann mache ich mich auf den Weg zum Aussichtspunkt. Es geht bergauf, aber nicht schlimm und meine patagonischen Stahlbeine tragen mich problemlos Meter um Meter nach oben. Es gäbe auch eine Lagune, die ein Stück weiter entfernt ist, aber dann würde ich am Ende nur in Zeitstress geraten. So mache ich erst ein kleines Mittagessen mit Resten aus meiner Essenstasche aus Chile und bahne mir dann meinen Weg bis zum Mirador.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte! Hah, Challenge accepted!!
Ich schließe die Augen, recke die Nase in die Luft… die Strahlen der Sonne dringen bis auf Zellularebene in meine Haut und weckt die von wochenlanger Kälte in Patagonien gefrorenen Kerne mit einem warmen Guten-Morgen-Kuss. Kein kalter Wind stört den Genuss, keine Wolke schiebt sich zwischen mich und die Sonne, mein Körper ist wie in Trance gefangen. Die einfachsten Dinge, werden zum größten Luxus. Das Erlebnis steigert sich durch die traumhafte Aussicht, die sich mir bietet, als ich die Augen wieder öffne.
Na, eingefangen? Tss, wenn ich 1000 Worte verwendet hätte, würdet ihr weinend in der Ecke liegen. Vor Emotion. Doch lieber Bilder? Okay, wie ihr wollt:








Einerseits ist es schade, dass ich nicht ein-zwei Tage hierbleibe, andererseits ist alles hier schön und man könnte ewig Zeit verbringen… und trotzdem nie alles sehen. Meine Ziele liegen relativ klar vor mir und Esquel ist leider nur ein Zwischenstopp.
Ich bleibe eine ganze Weile dort, genieße die Aussicht, wärme mich, spreche mit zwei Leuten aus Argentinien (Mutter und Sohn), die mir ein paar Empfehlungen für den Norden geben. Schließlich wird es Zeit für den Rückweg. Ich spaziere noch ein bisschen durch die Stadt, die mir auch gut gefällt.


Dann wird es Zeit für den Bus nach El Bolsón. An die Fahrt erinnere ich mich nicht mehr, wahrscheinlich habe ich geschlafen, wie immer. Gegen frühen Abend komme ich an und gehe zu dem Hostel, dass ich mir ausgesucht habe. Und wieder habe ich auch ohne Reservierung keine Probleme einen Schlafplatz zu bekommen. Der Großteil der Leute dort sind Voluntäre, die untereinander recht eng sind. Zwar sind alle immer nett, aber so richtig eingeschlossen wird man nicht. Ist aber total okay, denn ich finde unter den Gästen gleich ein paar Leute, die am folgenden Tag das gleiche Wanderziel haben, wie ich. Wir beschließen eine Fahrgemeinschaft zu bilden, so kostet das Taxi kaum was. Gesagt getan. Ich schlage vor, am nächsten Tag gegen 9 zu starten. Letztendlich fahren wir erst um 10 los, vorher ist es in den Bergen noch recht kalt, weil die Sonne noch nicht da ist. In der Stunde die ich warte, werde ich von einem wilden Tier überfallen, dass mich nicht aus seinen Krallen lässt:

Erst als die Katze es zulässt, kann ich aufstehen und wir starten unsere Tour. Ich bin abenteuerlustig, aber eine Katze hochheben, wenn sie es nicht will, das traue ich mich dann doch nicht.
Die Tour lest ihr im nächsten Artikel. Bis dahin, liebste Grüße,
Eure Jana
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