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Sierra de la Ventana bedeutet ungefähr so viel wie „Gebirge des Fensters“. Namensgebend für die Gegend ist eine besondere Stelle in den Gipfeln, die aussieht, wie ein kleines Fenster, dass dort in den Stein gehauen wurde.


Die Landstraße ist herrlich, aber das Auto macht uns ein paar Sorgen: Immer wieder ruckelt es ungewöhnlich, wird lauter… das kann nichts gutes bedeuten. Vorsichtig fahren wir weiter bis zu einem kleinen Dorf, namens Villa Ventana. Gleich beim Hereinfahren bemerken wir, dass es hier wohl normalerweise sehr touristisch zugeht, es gibt viele Souvenirshops, Cafés, Restaurants und alles ist im Topzustand… als hätten wir Argentinien verlassen und wären in der Schweiz gelandet. Viele Häuser sind im Holzfällerstil erbaut, urig, rustikal, der Zwerg ist das Leitmotiv. Interssanterweise zieht sich dieser Eindruck durch das gesamte Dorf: Gefühlt jedes Haus, an dem wir vorbeikommen, ist eine Luxuskonstruktion in den verschiedensten Arten. Kein einziges heruntergekommenes Gebäude, schlechte Zäune oder ähnliches… sind wir wirklich in der Schweiz gelandet?




Der Inhaber des Campingplatzes ist gerade nicht da, aber wir passieren trotzdem den Eingang und suchen uns einen schönen Platz. Unterhalb des Camplingplatzes fließt ein Fluss direkt aus dem Gebirge, der Platz selbst ist eine kleine Waldlichtung. Es ist wunderschön. Am Abend machen wir mit Quino einen kleinen Spaziergang am Fluss entlang durchs Dorf. An einer Gärtnerei mit einer kleinen Bonsaiausstellung bleiben wir hängen und unterhalten uns ein wenig mit der Inhaberin, doch schon bald werden wir müde. Der Rhythmus hat sich schon so eingestellt, dass wir mit der Dunkelheit müde werden. Wir schlafen wunderbar, wachen früh mit den ersten Sonnenstrahlen in einer Idylle auf und beschließen, noch einen Tag länger zu bleiben. Gleich danach packen wir unsere Rucksäcke für einen leicht illegalen Morgenausflug. Keine Sorge, ich schreibe nicht aus dem argentinischen Gefängnis.
Hinter uns liegt eine historische Stätte, das Club Hotel de la Ventana. Ein riesengroßer Hotelkomplex, der Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut und in Betrieb genommen wurde, heute jedoch nur noch eine eindrucksvolle Ruine ist. Das kann man normalerweise nur mit einer geführten Tour besichtigen. Ja. Oder man schleicht sich in aller Herrgottsfrüh durch die Büsche neben der Straße und wirft nur einen ganz kurzen Blick darauf. Rückblickend betrachtet wäre die Tour sicher spannend gewesen, aber jetzt ist es auch schon zu spät.
Vor dem Komplex angekommen bleiben wir beeindruckt stehen. Es ist wirklich riesig groß. Und die Aussicht ist ein Traum. Wir erfahren, dass sogar extra eine Zugverbindung gebaut wurde, um die Gäste vom nächstgrößeren Ort direkt zum Hotel zu bringen. Warum also ist dieses Monstrum von Gebäude heute eine Ruine?




Der Bau des Luxushotels begann 1904, eingeweiht wurde es 1911. Der erste Weltkrieg brachte das Geschäft ins Wanken, weil die reichen europäischen Gäste ausblieben. Die Prohibition von Alkohol und der Verbot von Casinos (welches den Großteil der Hoteleinnahmen ausmachte) brachen dem Hotel schließlich das Genick. Es schließt nach nur sechs Jahren. Später wurde es an die Provinz Buenos Aires verkauft und es gab einige Projektinitiativen, von denen sich aber keine durchsetzte. Im Jahr 1983 kam es durch einen Unfall zu einem Brand und das Gebäude verfiel in die Ruinen, die man heute besichtigen kann. Die traurigen Überreste eines riesigen Projektes mit unendlichem Potential, hätte man es etwas besser angestellt. Wirklich schade.
Ich entdecke eine Art Rundweg vom Hotel zurück zum Dorf auf Google Maps und schlage vor, dass wir den Ausflug noch ein bisschen verlängern. Alba ist einverstanden, doch schon bald stellen wir fest, dass der Weg nicht lange weitergeht und plötzlich im Nirgendwo endet. Wir geben nicht auf, gehen in die ungefähre Richtung des Weges und schon bald darauf entdecke ihn wieder: Hinter einem Zaun. Keine halben Sachen, wir sind Abenteuerinnen, eine Kletterpartie später stehen wir auf der anderen Seite und folgen wieder dem Weg… nur um fünf Minuten später wieder vor einem Zaun zu stehen. Spätestens jetzt, sind wir uns sicher, dass wir uns auf einem Privatgelände befinden und hier eigentlich nicht durch dürfen. Aber jetzt sind wir schon so weit gekommen, jetzt drehen wir auch nicht mehr um. Also nochmal klettern, danach habe ich ein gutes Gefühl. Wir wandern durch die wunderschöne Landschaft des kleinen Gebirges, genießen die frische Luft und überqueren dann den Fluss, an dem entlang wir zurück zu unserem Campingplatz kommen. Allerdings hat der Fluss die Straße zuerst überquert und unsere Füße werden nass. Bei dem sonnigen Wetter aber kein Problem.


Zurück am Campingplatz setzen wir uns an einen Steg am Fluss, lassen uns das Frühstück schmecken und legen uns entspannt in die Sonne. Hier könnten wir es den ganzen Tag aushalten. Aber der Plan ist, ins nächste Dorf (Sierra de la Ventana) zu fahren und die Gegend dort ein bisschen zu erkunden. Doch auch dort verschlägt es uns ans Flussufer, wo wir in Ruhe Mate trinken und das Wasser beobachten.




(Die Natur hat ihre eigene Musik – bitte nicht stören!!!)
Auf dem Rückweg machen wir uns auf die Suche nach einem Mechaniker, da uns das Auto langsam größere Sorgen macht. Wir fahren vom einen zum nächsten, keiner hat Kapazitäten, bis wir schließlich bei „El Russo“ (dem Russen) rauskommen. Der Mann ist keineswegs russisch, aber da er die Andeutung von blonden Haaren hat, nennt man ihm im Ort den Russen. Was würden sie denn dann zu mir sagen – frage ich Alba. Sie lacht und zuckt mit den Schultern. El russo schraubt kurz ein bisschen am Auto rum, bittet Alba dann, einmal Probe zu fahren, sie fährt los und kehrt strahlend zurück – läuft super! Wir bezahlen, bedanken uns und fahren ab jetzt mir viel leichterem Herzen durch die Gegend, das Auto läuft wieder toll. Wir verbringen noch eine Nacht an dem schönen Campingplatz und fahren am nächsten Morgen weiter Richtung Süden.
Quino hat sich mittlerweile angewöhnt, sich auf die Hinterfüße zu stellen, die Vorderfüße über die vorderen Sitze zu hängen und seinen Kopf auf meine Schulter zu legen. Interessant ist die Entwicklung: Am Anfang legt er sein Köpfchen noch ganz sanft, fragend an meinen Hals, mittlerweile schiebt er mich zur Seite und drängelt sich in eine bequeme Position. Manchmal kriecht er auch komplett in meinen Nacken. Oder in Albas. Es ist unglaublich süß.



Wir passieren die große Hafenstadt Bahia Blanca und auch wenn es nicht der schönste Ort ist, wir machen trotzdem Halt, um zu Mittag zu essen. Auf Maps sah es aus, als wäre dort ein Strand, aber in Wirklichkeit lotse ich uns mitten ins Hafengebiet zu einem kleinen Restaurant. Ganz anders zu unserem sonst so ruhigen Stil, aber jetzt sind wir schon da. Überraschenderweise riecht es richtig gut, als wir aussteigen. Nicht überraschenderweise starren uns die 100 Prozent männlichen Hafenarbeiter sofort an und grinsen gefühlt alle gleichzeitig. Was soll ich sagen, ich bin’s gewöhnt. Das Restaurant ist tatsächlich ganz gut und auch gar nicht so teuer. Allerdings fühle ich mich ein bisschen in meine Ferienarbeitszeit zurückversetzt. Wir sind in DEM Hotspot für die Mittagspause der Hafenarbeiter. Nach und nach kommt eine neue Gruppe und eine andere geht, typische Pausendynamik. Sogar an den Toiletten kann man sehen, dass hier selten Frauen reinkommen. Es gibt eine Herrentoilette und eine Damen-/Behindertentoilette/Wickelraum. Da ist es auch ziemlich sauber, was gut für uns ist. Wir essen und verlassen Bahia Blanca dann schnell weiter in Richtung Süden.
Das Ziel ist La Salada, ein kleines Dorf an einer Lagune, in dem eine Bekannte von Alba wohnt – Fabi. Dort angekommen werden wir herzlich von ihr, ihren Hunden und ihrer Katze begrüßt. Als wir vom Campingplatz anfangen, winkt Fabi ab, wir schlafen natürlich bei ihr im Haus. Gastfreundlichkeit wird hier überall großgeschrieben, vor allem in kleinen Orten. Wir gehen zur Lagune, suchen uns einen Tisch und trinken zusammen Mate, während die Hunde miteinander spielen. Die Sonne geht langsam über dem Wasser der ruhigen Lagune unter, es ist ein wunderschöner Ort. Fabi pendelt zwischen hier, Bahia Blanca und ihrem Haus in Bahia San Blas hin und her, ihr Traum ist es, sich bald ein mobiles zuhause anzuschaffen. Wir reden viel übers reisen, frei sein, dem Herzen folgen und jede von uns hat unterschiedliche Erfahrungen und Geschichten darüber. Es könnte noch stundenlang so weitergehen, aber irgendwann wird es doch kalt.


Wir gehen zurück zum Haus und essen zu Abend. Fabi wollte zuerst nichts essen, bekommt bei unseren Sachen dann aber doch Hunger. Außerdem lässt sich mich etwas probieren, dass ich ja sowieso aus Deutschland kenne: Tschukrut. Ich sehe sie fragend an. Bitte was? Tschukrut? Sie nickt, Alba pflichtet ihr bei, das ist doch ein deutsches Gericht. Ich habe keine Ahnung wovon sie reden. Als ich es schließlich doch noch herausfinde, muss ich lachen. Aber euch lasse ich’s selbst erraten. Was ist Tschukrut? Auflösung gibt’s im nächsten Artikel!
Am nächsten Morgen müssen wir uns schon wieder verabschieden, Fabi muss früh arbeiten und wir wollen den Tag an der Lagune beginnen. Fabi besteht darauf, dass wir in Bahia San Blas ihr Haus beziehen und auch wenn es uns anfangs etwas unangenehm ist, ohne die Besitzerin sich im Haus einzuquartieren, nehmen wir das Angebot letztendlich doch an. Wir drücken uns nochmal und fahren dann zum See, um dort zu frühstücken und anschließend etwas spazieren zu gehen. Uns folgt einer der Straßenhunde, der gestern schon mitgespielt hat, während wir eine halbe Runde um den wunderschönen See drehen. Ich sehe meine ersten Flamingos in freier Wildbahn. Leider sieht man es auf den Fotos nicht gut.


Vor allem wenn sie fliegen, und man die orange-rosanen Federn unter den Flügeln sieht, sind sie besonders schön. Wir lassen uns Zeit, genießen die Sonne, das Wasser und fahren erst gegen Mittag weiter nach Bahia San Blas.
Eine kurze Bemerkung zu Straßen in Argentinien. Die Hauptverbindungsstraßen zwischen den Städten sind gut geteert, keine Frage. Sobald man eine dieser Routen verlässt, weiß man nie, womit man es zu tun kriegt. Es kann schön geteert weiter gehen. Oder man landet auf einer Hubbelpiste aus Sand uns Stein, mit der man ohne Jeep und Allrad höchstens 30-40 km/h fahren kann. Wind und Reifeneinwirkungen formen im Boden kleine Wellen, die einen richtig durchschütteln und man ist ständig auf der Suche nach einer Spur, auf der es ein bisschen besser ist. So fahren wir fast eineinhalb Stunden durch die ewig gleiche, flache Pampalandschaft. Immerhin kann ich es richtig genießen, als wir ganz langsam an meinen ersten Nandus (große graue Laufvögel) vorbeifahren.


Schließlich passieren wir eine schmale Brücke, sowie die kennzeichnende Haiskulptur und sind am Ziel. Wir treffen uns mit einem von Fabis Freunden, der uns zum Haus führt, aufsperrt und alles zeigt. Wir bleiben allerdings nicht lange, sondern fahren gleich zum Strand, um in der untergehenden Sonne spazieren zu gehen. Das Wasser hat wieder diese wunderschön blau-grüne Farbe und das Geräusch der Wellen beruhigt mich augenblicklich. Leider ist der Wind ganz schön heftig und nicht nur Quino zittert. Zum Abendessen gibt’s Empanadas und unseren Dauerrenner: Milch mit Keksen oder Cornflakes.
Am nächsten Morgen quälen wir uns früh aus dem Bett und ärgern uns darüber, dass ich vorgeschlagen habe, denn Sonnenaufgang über dem Meer anzuschauen und Alba das für eine gute Idee hielt. Naja, jetzt sind wir wach, jetzt machen wir’s auch. Um 6:45 Uhr fahren wir mit unserm Frühstück im Gepäck zum Strand, laufen ein Stück und setzen uns dann in den Sand. Der Wind ist kühl, doch sobald uns in die ersten Sonnenstrahlen kitzeln, wird es besser. Während wir das Naturschauspiel beobachten fällt mir ins Augen, dass viele Himmelsdarstellungen in religiösen Kunstwerken genau diese Farben verwendet wurden: Das Gold der Sonne, das zarte orange-gelb der Strahlen, dass helle blau… verständlich – auch mich erinnert der Anblick an ein Wunder. Immer wieder.


Wir frühstücken am Strand und essen/trinken eine gute Portion Sand gleich mit. Ist halt Milch mit Zimt… die zwischen den Zähnen knackt. Dann spazieren wir… und spazieren… und spazieren. Bahia San Blas ist als Fischerparadies bekannt. Täglich kommen hier hunderte Fischer hin und verbringen den ganzen Tag. Mit Campingstühlen, Windschutz, warmen Jacken, Maté, manchmal sogar mit Grill und sämtlichen Equipment sieht das richtig gut aus. Meistens ist die ganze Familie dabei und auch die Kinder werfen ihre Angeln aus… sodass am Fischerstrand im richtigen Winkel hunderte aufgestellte Angeln zu sehen sind.

Wir gehen in die andere Richtung weiter, bis die Leute verschwunden sind und wir allein mit der wunderschönen Natur sind. Wir laufen ewig, ohne einen Menschen zu treffen. Quino darf hier freilaufen. Damit ihm nicht zu kalt wird haben wir ihm übergangshalber einen Kinderpullover angezogen und die Ärmel hochgekrempelt… ein Bild zum Schießen.


Es ist das erste Mal, dass er am Strand ist und man sieht ihm die Freude richtig an. Auch wenn ihm die Wellen anfangs suspekt sind, den Schaum der Wellen findet er sehr interessant: Sobald das Wasser am nähesten ist, schnappt er in den Schaum und ist ihn. Das sieht so lustig aus, dass wir uns wieder kaputtlachen. Nach etwas acht Kilometern beschließen wir, in den hinter uns liegenden Dünen eine Pause zu machen… und schlafen direkt ein. Hinter dem Busch, den wir ausgewählt haben, ist es windstill, die Sonne wärmt uns und das Rauschen des Meeres… ja, ist klar. Wir dösen fast zwei Stunden, bevor wir den Rückweg antreten. Nach 16 Kilometern Spaziergang ist es dann auch gut und wir verbringen den Abend ruhig und entspannt in Fabis Haus. Am nächsten Tag schlafen wir fast bis zehn Uhr und gehen erst dann zum Strand. Alba bemerkt mal wieder, dass wir ganz schön auffällig sind: Die Spanierin, die blonde weiße Deutsche und der Hund ohne Fell.
Wir legen uns wieder in die Sonne, nachdem wir es geschafft haben, halbwegs einen Platz zu finden, in dem uns der Sand nicht allzu sehr eindeckt. Ich beschließe, dass jetzt der Moment ist, schwimmen zu gehen. Alba ist skeptisch, das Wasser ist wahrscheinlich ziemlich kalt. Ich atme durch: Dann muss es halt schnell gehen. Und mit den Schlachtruf „Viva Alemania“ renne ich ins Wasser. Alba lacht und folgt mir. Für die ersten dreißig Sekunden ist es furchtbar kalt, dann wird es richtig angenehm und wir befinden beide, dass die Temperatur absolut perfekt ist. Der Wind ist das einzig kalte, Wasser und Lufttemperatur sind wunderbar. Wir planschen eine Zeitlang im Wasser, Quino beobachtet uns skeptisch von draußen, hat es sich aber derweil auf unserem Picknick Handtuch bequem gemacht.
Den Sonnenuntergang beobachten wir heute vom Ortseingang aus, auf einen Tipp eines Einheimischen hin. Was für ein perfekter Urlaub.



Liebste Grüße
Eure Jana
2 Responses
Es klingt wirklich nach einem perfekten Urlaub 🙂
Die Landschaften auf den Bildern sehen traumhaft aus und dann noch ein Road Trip durch die Gegend! Wow!
Auch super, dass das Auto wieder repariert ist, hatte zwischendurch schon Bedenken und dachte: „Oh nein, bald ist es soweit sie stehen im nirgendwo… “
Gut, dass ihr einen guten Mechaniker gefunden habt, so hat man keine Sorgen mehr, sondern nur noch Freude am Reisen 😀
Muss sagen, ich hab auch keine Ahnung was „Tschukrut“ ist, bin gespannt auf die Auflösung 😀
Reisen ist niemals Urlaub 😀 Es ist immer was neues, immer was, was schiefgeht, aber man kriegt so viel dafür zurück 🙂 Wir beide müssen übrigens auch mal zusammen verreisen!!! Überleg dir schonmal wohin! Hab dich lieb und denk an dich :-*