Hallo liebste Leser*innen,

Ich bin sicher, nach langem Knobeln und vielem Kopfrauchen seid ihr Draufgekommen, was Tschukrut ist. In dem Fall muss man das Pferd von hinten aufzäumen: Krut kann eigentlich nur eins sein: Kraut. Tschu- kraut, schu-kraut, su-kraut, sau-kraut, SAUERKRAUT!!! Zumindest war das meine Denkweise :-D. Und tatsächlich lässt mich Fabi ihr „Sauerkraut“ probieren. Es ist nicht gekocht und man schmeckt die Dosierung von Salz und Essig sehr deutlich heraus, aber gut, man könnte von Sauerkraut sprechen… es ist allerdings sehr weit entfernt vom deutschen Original. Geschmeckt hat’s mir leider noch nie, bin eher der Blaukraut-Typ. Wie auch immer, zurück zum Reisebericht.

Am nächsten Tag verlassen wir Bahia San Blas in Richtung Viedma, wo wir eine weitere Freundin von Alba treffen, Marta. Auch mit ihr verstehe ich mich auf Anhieb, Marta ist nämlich, wie ich, Pferdefan und will demnächst ihr Leben aufs Land verlegen. Ich kündige mich schonmal als Gast und Voluntärin an, Marta ist sofort einverstanden. Marta hat lange Zeit für das Tourismuszentrum der Region gearbeitet, weshalb sie uns nicht nur gute Übernachtungstipps für unsere nächsten Ziele geben kann, sondern uns auch gleich noch eine kleine Stadtführung durch Viedma und die Schwesterstadt Carmen de Patagones! Gibt. Getrennt werden die Flüsse durch den Rio Negro, der gleichzeitig namensgebend für die Provinz ist. Endlich habe ich die Provinz Buenos Aires verlassen und bin nun offiziell in Patagonien!! YES!! Hat ja nur 8 Wochen gedauert!

Wir fahren zusammen noch einen Ort weiter nach El Condor und trinken dort zusammen Mate am Strand. Hier beginnt eine neue Landschaft. Neben uns erheben sich die ersten Klippen, die uns von nun an ein ganzes Stück begleiten werden. Für mich ist es neu, zwischen Meer und Klippe zu spazieren und ich finde es einfach atemberaubend schön. Dann wird es auch schon wieder Zeit für den Abschied, ich tausche noch Nummern mit Marta, dann fährt sie zurück nach Viedma und wir folgen der Straße zur Ruta 1, immer an der Küste entlang. Die Sonne setzt zum untergehen an, es ist das perfekte Licht, um eine einsame Straße entlang zu fahren. Rechts neben uns die Pampalandschaft, links neben uns noch zehn Meter Pampa, danach endet der Boden und das nichts beginnt.

Etwa eine Stunde kommen wir in dem Dorf „La Loberia“ an. Der Campingplatz ist schön gelegen, nahe am Klippenrand (keine Sorge, alles „gut“ abgezäunt und gesichert), hat Windschutzmauern und schöne Bad-und Duschgelegenheiten. Wir bauen nach längerer Zeit wieder unser Zelt auf und machen uns dann auf die Suche nach einem Kiosk oder ähnlichem. Der Campingplatz selbst hat auch einen, aber dort ist es wahrscheinlich etwas teurer. Wir finden nichts. Es gibt kaum Straßenbeleuchtung, in keinem der Häuser brennt Licht… es ist gruselig still. In der Polizeiwache des Ortes ist das einzige Lebenszeichen eines Menschen, also klingeln wir und fragen nach Brot… wofür sonst werden die Leute ausgebildet, als verirrten Touristen den Weg zur Bäckerei zu zeigen? Er schickt uns in eine Seitenstraße, doch es ist so finster, nirgends ist ein Ladenschild zu sehen. Wir kaufen also doch beim Kiosk ein.

Am nächsten Morgen stehen wir wieder früh auf, um den Sonnenaufgang zu sehen, diesmal mit Klippenkulisse.

  Das Besondere an diesem Strand ist, dass die Felsformationen vor dem Wasser kleine Becken gebildet haben… natürliche Pools. Das Wasser darin ist glasklar und mit den verschiedenfarbigen Wasserpflanzen sieht es wunderschön aus. Alba und ich klettern über die Felsen und staunen mehr und mehr über die Schönheit dieses Ortes. Als wären wir Riesen in einer zerklüfteten Canyonlandschaft.

Ich kann gar nicht genug Fotografieren und mir gelingen einige schöne Schnappschüsse, die mit der Perspektive spielen:

Alba zeigt mir Seeanemonen… und dass sie sich schließen, wenn man sie anfasst. Beim ersten Mal bin ich noch skeptisch, die glitschigen …Pflanzen/Tiere à Wesen zu berühren, doch danach kann ich gar nicht aufhören, nach geöffneten Seeanemonen zu suchen. Die langen Fasern sind klebrig, der Rest ist ganz weich. Schwimmen wollen wir natürlich auch ein bisschen… es ist kalt, aber unglaublich schön!!

Wir verbringen ewig lang Zeit dort, erst gegen Mittag packen wir unsere Sachen und fahren weiter nach Bahia Creek, einem ähnlichen Ort an der Küste. Der Campingplatz wirkt ein bisschen wie ein Hinterhofparkplatz, aber nach dem uns der Inhaber alles gezeigt hat, sind wir ganz zufrieden. Richtig schön sind die hohen Dünen hinter uns:

 Da wir die einzigen sind, bietet er an, dass wir in der geräumigen Küche schlafen können… so können wir uns sparen, das Zelt aufzubauen. Gesagt getan. Danach gehen wir zum Strand, essen dort zu Abend, spazieren dann los.

Quino läuft wieder frei und beginnt plötzlich in weiter Ferne einen Felsen anzubellen. Wir sehen uns verwirrt an, wieder zum Hund… da hebt der Felsen plötzlich seinen Kopf: Ein Seelöwe. Wir rennen los. Quino hört unsere Rufe nicht, sobald er von einem anderen Tier abgelenkt ist, ist er in einer anderen Welt. Ich habe ehrlicherweise Angst, dass der Seelöwe Quino totbeißt, wenn sich die Hundeleine unter dem massigen Tier verhakt. Unbegründet. Der Seelöwe fragt sich eher, was er falsch gemacht hat und robbt dann ein paar Meter weg… allerdings nicht so weit, dass es mir nicht gelingt, ein paar Fotos zu aus nächster Nähe zu schießen:

Es ist ein Weibchen, sie ist sehr dünn und wirkt alt… möglich, dass sie nach unserer Begegnung nicht mehr allzu lange gelebt hat, schließlich ist es ungewöhnlich, ein einzelnes Tier anzutreffen. Trotzdem ist es eine unglaublich schöne Begegnung und ich habe Herzklopfen. Schon als Kind habe ich Seelöwen gezeichnet, einem so nahe zu sein, erfüllt einen weiteren Kindheitstraum. Alba hat Quino mittlerweile eingefangen und kommt auch näher, um die Seelöwin zu beobachten. Dann lassen wir das Tier in Ruhe und gehen weiter unserer Wege. Ich beschließe nochmal schwimmen zu gehen und das warme Wasser zu genießen. So richtig klappt es allerdings nicht, da es durch die Ebbe ziemlich flach ist und ich nicht zu weit in die starke Strömung des Golfo San Matias hinauswaten will. So sitze ich mehr nur im Wasser, lasse mich von den Wellen hin und herschunkeln und beobachte von dort aus den Sonnenuntergang.

Der Campingplatzes ist am Abend mit Lichterkette und Hängematte sogar richtig gemütlich. Doch wieder ist der Rest des Dorfes dunkel, in keinem Haus brennt Licht, die Straßenbeleuchtung ist spärlich. Wir gehen beim Ortskiosk einkaufen und fragen nach, wo die Leute sind. Das Mädel antwortet, die kommen nur zur Sommersaison, im Herbst und Winter ist hier alles leer. Mit uns beiden sind gerade mal fünf Leute hier im Ort. Alba und ich sind baff. Ich frage nach Strom und Wasserversorgung hier, das Mädchen erklärt, dass Solarenegie und unterirdische Quellen genutzt werden. Wie in Cabo Polonio, Uruguay… nur dass es dort eine Touristenattraktion ist und hier schlichtweg Alltag. Wow. Die Nacht in der Küche lässt sich gut aushalten. Den nächsten Morgen nutzen wir beide um mal sämtliche Nachrichten abzuhören und zu verschicken, die in den letzten Tagen (bei mir Wochen) so liegen geblieben sind. Gutes WLAN ist auf Campingplätzen eher selten.

Dann verlassen wir Bahia Creek. Die Fahrt heute ist etwas länger. Der Wind weht feinen Sand durch mein Fenster, sodass ich es lieber schließe. Unsere Matepause in den Dünen brechen wir relativ schnell ab, da uns der Sand sehr schnell eindeckt und Quino aus Neugier in den Sand gebissen und jetzt kaum atmen kann. Wir fahren weiter und lassen die Klippen hinter uns. Ab jetzt ist das Ufer wieder flach. Wir verfahren uns einmal, was sich aber als Glücksfall entpuppt, da wir so einen schönen Strand mit unzähligen wunderschönen Muscheln finden. Wie die Schatzsucher ziehen wir beide los und kehren jede mit einer großen Muschelsammlung zurück. Ich weiß, ich kann meine wohl kaum behalten, trotzdem lasse ich meine Beute im Rucksack verschwinden. Vielleicht kann ich sie ja verschicken.

Wir fahren weiter. Da die Straße leer ist, schweift unser beider Blick des Öfteren auf das Meer zu unserer Linken. Plötzlich ruft Alba: „Delfine!“. Ich kontere mit „Halt sofort an!“. Wir stoppen, springen aus dem Auto und laufen zum Strand. Und tatsächlich: Eine ganze Gruppe Delfine auf Reisen, schwimmt direkt vor uns vorbei. Sie tauchen so weit auf, dass man die Gesichter sieht, Alba und ich sind hin und weg. Spontan beschließe ich, dass ich die Gelegenheit nutzen will, um schwimmen zu gehen. Wir fahren ein Stück weiter vor, ich springe ins Wasser und versuche, so nahe wie möglich an die Tiere heran zu kommen, aber dafür sind sie dann doch zu weit draußen. Es ist trotzdem unglaublich, sie aus nächster Nähe vorbeischwimmen zu sehen.

Der nächste und vorletzte Halt ist Puerto San Antonio del Este. Geht leicht von der Zunge, oder? Die Gegend ist vor allem wegen ihrer Muschelstrände bekannt und tatsächlich: Was sonst Sand oder Steine sind, besteht hier nur aus Muscheln. Am „Playa de las Conchillas“ – Muschelstrand – ist es am meisten.

 Das Wasser hier ist glasklar… allerdings sind Flut und Ebbe extrem. Schwimmen kann hier schnell gefährlich werden. Das Wasser steigt und sinkt innerhalb von Stunden um über 10 Meter.

Wir fragen im Ort nach einem Campingplatz, doch die einzige Campingzone ist direkt am Strand. Eine Stadtbeamte erklärt uns, dass es einen Verein gibt, der die Bäder betreibt, dort in der Nähe ist ein guter Platz. Wir stellen also das Auto ab, bauen das Zelt auf, fahren dann nochmal in die Stadt, um etwas zu essen. Der Himmel nach dem Sonnenuntergang ist heute besonders schön:

Leider ist die Nacht ziemlich ungemütlich. Der Wind reißt an unserem Zelt, alles klappert und wackelt, es wird ziemlich kalt. Keine kann schlafen. Alba fragt gegen zwei, ob wir nicht lieber ins Auto gehen und das Zelt abbauen… es wirkt wirklich, als würden die Stangen gleich brechen. Ich winke ab, wir kriegen das Zelt nie abgebaut, ohne dass etwas wegfliegt… und dann sitzen wir im Auto und warten ab bis die Nacht vorbei ist? Nein, nein, die Stangen halten schon. Eine halbe Stunde später frage ich mich, ob das die richtige Entscheidung war, denn der Wind ist noch stärker geworden. Irgendwie halten wir es doch bis zum Morgen durch.

Gegen sechs Uhr muss ich aufs Klo und quäle mich nach draußen. Ich renne, damit es wärmer wird… und weil ich dringend muss.Ich will die Tür zu Bad öffnen, doch sie ist verschlossen. Na super. Schnell laufe ich hinters Bad und erleichtere mich dort, renne zurück um auf halben Weg festzustellen, dass das noch nicht alles war. Ich suche nach einem besseren, windgeschützteren Ort, ende aber doch wieder hinter den Toiletten und kacke zum ersten Mal seit Jahren in den freien Natur. Backpackerleben… zurück zum Ursprung, pures Leben, denke ich während mir der Wind um den Hintern pfeift. Danach renne ich wieder zurück. Es muss unglaublich lustig ausgesehen haben, wie ich mit meiner Klorolle in der Hand kreuz und quer übers Gelände renne. Beim Zelt angekommen, stoße ich fast mit Alba zusammen und erschrecke mich total. Sie wollte nach mir sehen, weil ich solange weg war. Wir müssen lachen und kriechen nochmal ins warme Zelt, bis die Sonne aufgegangen ist. Dann bauen wir ab, frühstücken im Kofferraum (windstill) und fahren dann nochmal zum Muschelstrand, um uns noch ein bisschen in die Sonne zu legen. Unser letzter gemeinsamer Reisetag ist angebrochen.

Wir fahren noch ein Stück weiter bis nach San Antonio del Oeste, der Stadt auf der anderen Seite der Bucht. Wir fragen dort nach dem Campingplatz, beschließen dennoch weiter nach  Las Grutas zu fahren, von wo aus mein Bus mich am nächsten Tag nach Puerto Madryn bringt. Dort finden wir einen Platz und fahren dann nochmal in die Stadt. Las Grutas ist sehr touristisch und ebenfalls für den endlos langen Strand bekannt. Auch die Innenstadt ist wirklich schön und wir schlendern durch die Straßen, bis es uns zu kalt wird. Am Abend sitzen wir zusammen beim Essen, die Stimmung ist… komisch. Wir wissen beide, dass wir uns eines Tage wieder sehen, trotzdem liegt uns die bevorstehende Trennung im Magen.

Die Nacht ist frisch, der Herbst steht eindeutig vor der Tür. Wie immer bekomme ich die Nacht vor der Abreise nur wenig Schlaf. Ich stehe auf, nehme mein Handy von der Steckdose draußen, um auf die Uhr zu sehen und erkenne, dass es über Nacht nicht geladen hat. Mir wird mulmig.. Ohne dieses Gerät ist man heutzutage fast verloren in der Welt und für mich ist das Teil mittlerweile ein großes Stück Sicherheit. Vor allem jetzt, wo ich mich wieder alleine durchschlagen muss. Na super. Danach schlafe ich nicht mehr. Die Duschen sind erst ab acht Uhr warm, um 8:45 Uhr will ich am Bus Terminal sein, deshalb erledigen wir erst alles andere zuerst und gehen erst zum Schluss duschen. Ich bin ziemlich angespannt, wie immer, wenn ich wieder aus einer Komfortzone heraus muss. Mein Handy hat auch an der Badezimmersteckdose nicht geladen. Ich habe das Gefühl, dass es am Handy selbst liegt Frisch geduscht und alles zusammengepackt fahren wir zum Terminal, ich erledige meine organisatorischen Sachen, Alba ihre. Dann wird es Zeit für den Abschied. Wir nehmen uns fest in den Arm, versprechen uns, dass es kein Abschied für immer ist, dennoch kämpfe ich mit aller Kraft gegen die Tränen an. Die Frau ist mir in so kurzer Zeit so wichtig geworden. Und sie in ihrer gelben Jacke jetzt davongehen zu sehen, zu dem alten Auto mit dem kleinen Hund – ohne mich… bricht mir mal wieder das Herz. Wir winken uns noch ein paar Mal zu, dann fährt sie davon. Der Bus kommt, ich setze mich auf meinen Platz und lasse stumm die Tränen laufen.

Ich bin so dankbar, dass dieser kleine Roadtrip geklappt hat und wir uns entschieden haben, das Risiko mit dem Auto einzugehen. Letztendlich ist alles gut gegangen, wir hatten nie gravierende Probleme, aber eine unvergesslich schöne Zeit. Und auch wenn ich gerade traurig bin, eigentlich bin ich sehr glücklich, so eine tolle Freundin gefunden zu haben und so viel Zusatzzeit mit ihr geschenkt bekommen habe. Danke, liebes Schicksal. Danke, liebe Alba!

Liebste Grüße

Eure Jana

2 Responses

    • So eine schöne Strecke wirklich, traumhaftes Wasser, endlose Strände… aber die Straße ist ein Desaster 😀 Hoffe es geht dir gut, liebste Grüße auch ans Töchterlein!!

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