Hola mis queridos!
Wieder ein epischer Titel für eine episches Abenteuer. Bereit? Ich auf jeden Fall. Und noch so ein wohl organisiertes! Ist mal eine schöne Abwechslung. Ich muss mich um nichts kümmern.
Der Shuttlebus gabelt mich direkt vorm Hostel auf, hält noch an ein- zwei anderen Hotels und erst danach steigen wir in den großen, bequemen Tourbus ein. Von dort aus fahren wir etwa eine dreiviertel Stunde von El Calafate ins Gebirge und in den Perito Moreno Nationalpark. Dort müssen wir vor Ort nochmal die Gebühr für den Nationalpark zahlen. Ist schon ein ganz schönes Geschäft, was die hier machen… aber naja, dafür bekommt man auch einmalige Erlebnisse. Während der Fahrt erklärt uns der Tourguide ein paar Details zur umliegenden Natur. Wir durchqueren zuerst die altbekannte, trockene Pampalandschaft mit ihren gelb-braunen Grasbüscheln und stacheligen kleinen Büschen, soweit das Auge reicht. Danach geht es in ein bewaldetes Gebiet, wieder die Bäume mit den kleinen Blättern, die ich in Ushuaia kennengelernt habe. Der Guide erklärt, es heißt „Lenga“.
Dann haben kommen wir zum ersten Aussichtspunkt und ich muss schon sagen, das haut einen echt um:

Ich kann es kaum erwarten, näher ranzukommen. Der Perito Moreno Gletscher. Aber erstmal ein bisschen Theorie, wir sind ja nicht zum Spaß hier!
Was ist überhaupt ein Gletscher? Was unterscheidet ihn von „normalem Eis“? Also erstmal ist ein Gletscher kein gefrorenes Wasser, sondern stark komprimierter Schnee. Im Fall des Perito Moreno und auch der meisten anderen Gletscher hier, kommt die Feuchtigkeit des Pazifiks über die Anden gekrochen, verwandelt sich in den Höhen in Eiskristalle und schneit als solche wieder herunter. Ein Gletscher braucht diesen ständigen Schneefall, um weiterzuwachsen. Das ist die nächste Eigenschaft: Gletscher sind immer in Bewegung, wachsen, Teile schmelzen oder brechen ab, wächst neu nach. Im Gebirge hinter dem Perito Moreno Gletscher hängt eine ewige Schneewolke, das ganze Jahr über.
Auch beeindruckt? Auch genervt von dem Wort „Gletscher“? Keine Sorge, ich erwähne es nur noch etwa hundert Mal. Das spanische „glaciar“ (glasiar gesprochen) klingt irgendwie schöner. Wir kommen am Hauptaussichtspunkt an. Der Bus hält, wir steigen aus und haben hier zwei Stunden Zeit, den Gletscher aus der Nähe zu betrachten, zu Mittag zu essen und zu wandern. Als ich los laufe, höre ich es in der Ferne rumpeln… die ersten Lebenszeichen. Man folgt den Holzstegen den Berg hinunter und kommt schließlich direkt gegenüber vom Gletscher raus… und wow. Was für ein Anblick. Riesige Eis- Ah Shit! Schnee…


Täglich bewegen sich die Eismassen um etwa zwei bis drei Meter nach vorne. Die Fläche des Gletschers ist übrigens größer als die von Buenos Aires. Es gibt noch zwei größere hier in der Region, der Upsala und der Viedma Gletscher.




Patagonien hat die drittgrößten Eis-/Schneemassen der Welt, nach Grönland und der Antarktis.




Ich sitze vor dem eisigen Riesen und esse mein Mittagessen. Alle haben ihren Blick immer auf die vordere Eisfront gerichtet, in der Hoffnung, die komplette Wand würde sich lösen und spektakuläre krachend im Wasser versinken, nur um Sekunden danach als schwimmender Eisberg wieder aufzutauchen. Leider sehen wir das heute nicht. Irgendwann löst sich doch noch ein Brocken und fällt ins Wasser, ist aber verhältnismäßig klein. Gut, klein von hier aus, aus der Nähe hatte das Ding sicher die Größe eines Wandschranks.
Ich gehe den Weg weiter, bekomme aber nach einiger Zeit ein mulmiges Bauchgefühl, da der Weg irgendwie nur nach unten geht und nicht wieder nach oben, zurück zum Bus. Zuerst denke ich noch, dass weiter hinten ein steilerer Aufstieg ist, doch dann wird mir klar, dass ich auf dem falschen Weg bin… und dass der Tourbus bald abfährt. Vorher wurden wir noch gewarnt, wer nicht bis halb zwei zurück ist, wird zurückgelassen, wir sind eine große Gruppe… na, ob sie das am Ende wirklich gemacht hätten. Es wirkt jedenfalls bei meinem Streberbewusstsein, sodass ich mich schleunigst auf den Rückweg mache…. Unzählige Stufen nach oben. Während ich schwitzend immer weiter laufe, ärgere ich mich: Ich hatte EINE Aufgabe heute, nur eine! Sei zu dieser Uhrzeit an diesem Ort.
Irgendwann komme ich völlig fertig doch wieder an der Busplattform an und habe sogar noch 10 Minuten Zeit. Ich lasse mich auf eine Bank fallen und atme durch. Alle anderen sehen mich verwirrt an, jeder friert, es ist saukalt und windig und hier sitze ich und schwitze, als käme ich aus der Sauna… oder wäre 700 Treppenstufen hochgerannt.
Zurück im Bus geht es runter zum Hafen, wo schon kurz darauf die Fähre kommt. Wir steigen ein und fahren zum anderen Ufer, nahe an den Eismassen vorbei:




Der Wind ist fürchterlich, man hält es kaum die dreißig Sekunden aus, um ein Foto zu machen. Aber auch diese Perspektive ist sehr beeindruckend.

Die Fähre hält am andern Ufer, wir steigen aus und teilen uns in eine spanisch- und eine englischsprachige Gruppe. Ich gehe zu der englischen, weil sie deutlich kleiner ist. Wir laufen an der Küste entlang bis zu einem kleinen Häuschen, dort bekommt jede/r einen Helm. Wir laufen weiter, zum nächsten Häuschen. Dort setzen sich immer zwei auf eine Bank und wie vor 100 Jahren beim Schuhputzer, schnallen uns die Guides eiserne Untersätze mit langen Spitzen an die Füße… mit denen man sich gut ins Gletschereis spießen kann.

Die Dinger sind ganz schön schwer und wirken wie echte Mordinstrumente.

Mich juckt es schon richtig in den Füßen endlich auf Gletscherexpedition zu gehen. Im Gänsemarsch, angeführt vom Tourguide und begleitet von drei weiteren Guides wagen wir uns langsam auf Eis. Sie erklären uns, wie wir uns am besten bewegen: Füße immer weit auseinander, bergauf schön tief mit den Füßen ins Eis eingraben, bergab locker in den Knien, bisschen nach hinten legen. Dann geht es los. Die Wanderung über den Gletscher.
Besonders faszinierend finde ich die drei anderen Guides, vor allem eine große schlanke Frau mit langen Beinen, die kreuz und quer übers Eis laufen/rennen, als wäre es die leichteste Sache der Welt. Wie die Hütehunde ihre Schafherde, leiten sie uns über das Eis, markieren gefährliche Stellen, passen auf alle auf. Ich bin begeistert und überlege, ob ich mich hier bewerben kann. So cool wäre ich auch gerne.



Wir sind fasziniert von der zerklüftenden Eislandschaft, die uns umgibt, vor allem von den blauen Adern, die sich immer wieder durchs Eis ziehen. Der Guide erklärt, es ist eine optische Täuschung: Das Eis hat keine Farbe, ebenso wie das Wasser. Das Blau entsteht, weil an diesen Stellen das Eis viel dichter, komprimierter ist und so das Sonnenlicht in einer anderen Farbe zurückgeworfen wird: blau, statt weiß.



Hier und da sind sogar richtige Treppen ins Eis eingeschlagen, wie in Elsas Eispalast… naja, nicht ganz so märchenhaft sauber.



Ich genieße die Tour total. Ich war ein bisschen enttäuscht, dass ich nicht in die Antarktis konnte, weil diese Überfahrt einfach so unendlich teuer ist… das hier ist mein Trost und ich finde es unglaublich. Was für ein einzigartiges Erlebnis.
Nach etwa einer Stunde auf dem Eis meint der Guide, dass es Zeit für den Rückweg wird, aber er hat noch eine kleine Überraschung für uns. Die Frau mit den langen Beinen läuft los, wie eine Elbin übers Eis, als würde sie über eine flache Wiese laufen. Die Schafherde zuckelt langsam nach und als ich sehe, was die Überraschung ist, traue ich meinen Augen nicht.


Whisky on Gletschereis, 400 Jahre alt… also, das Eis. Dafür breche ich meine Alkoholabstinenz nur zu gerne. Cheers!

Dann geht es wieder runter vom Eis und wir schnallen uns die Eisenschienen wieder ab. Welch Leichtigkeit am Fuße. Ein Stück weiter werden wir die Helme wieder los und gehen dann zurück durch ein kleines Waldstück zur Fähre, zurück zum Bus und zurück in die Stadt. Auf der Rückfahrt beobachte ich ein paar tolle Wolkenformationen und muss tatsächlich ein Foto aus dem Bus machen, auch wenn man es nicht gut sieht:



Es ist etwa sieben Uhr abends, als wir in der Stadt ankommen. Was für ein Tag. Die Tour war zwar teuer, aber ich das Geld hat sich wirklich gelohnt und meine Reisemüdigkeit wurde erfolgreich besiegt.
Liebste Grüße
Eure Jana
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