Hallo liebe Leser*innen,

Die Nacht im Hostel ist leider wenig erholsam. Ich leide an einem Gebrechen, das in der Gesellschaft verpönt ist, unausgesprochen leiden viele Menschen vor sich hin, verängstigt das eklige Leiden in den Mund zu nehmen… aber ich breche das Schweigen! Es sind Hämorrhoiden, die meine Nacht in ein Höllendasein verwandeln. Da ist es!! Ja! Mein Arschloch schwillt von Zeit zu Zeit auf die dreifache Größe an und macht mir das existieren selbst schwer. Eine ziemlich gängige Krankheit und absolut nichts, wofür man sich schämen müsste. Ein Leiden, wie jedes andere auch: Nur die Region ist nicht allzu… gesellschaftsfähig. Kein Grund, nicht absolut offen damit umzugehen! Okay, genug der Selbstoffenbarung, Bühne frei für blöde Sprüche oder Glückwünsche zu meiner mutigen Ausdrucksweise!

Als der Wecker am Morgen klingelt, wache ich gerädert auf, aber dem Popo geht’s immerhin wieder besser. Wir bereiten uns auf den Ausflug zum National Park Rio Simson vor und folgen dann den Anweisungen der Mädels gestern zu der Straße, wo uns der Bus angeblich mitnehmen würde. Ihr hört schon die dezente Anspielung, dass das nicht passieren wird. Wir kommen an besagter Straße an und finden ein geschlossenes Terminal. Im Umkreis deutet nichts darauf hin, dass hier eine versteckte Bushaltestelle ist. Wir fragen ein paar Passanten, doch auch die geben uns nur unsichere Auskünfte. Eine Frau bietet an, uns ein Stück mitzunehmen, aber der Park ist deutlich weiter entfernt, als dass sie uns bis dahin mitnehmen könnte. Die Zeit vergeht und überschreitet die Abfahrtszeit des Busses. Wir sind uns sicher, dass das Vorhaben gescheitert ist. Ich bin ziemlich genervt. Erstens durch eine gewisse Grundanspannung und zweitens habe ich das Gefühl, dass es meine Schuld ist: Ich hätte mich genauer erkundigen sollen, mir genau erklären lassen, was die Mädels gemeint haben.

Wir trotten zum Busterminal und erfahren dort, dass uns die Busse dort auch mit zum Park nehmen können. Der Park liegt auf halber Strecke zu einem anderen Ziel, der Bus schmeißt uns einfach beim Eingang raus. Allerdings kommt der nächste erst um halb elf. Wir stöhnen auf! Und dafür sind wir extra früh aufgestanden. Maria schlägt vor, nochmal zum Hostel zu gehen und eine Tasse Tee zu trinken. Ich seufze, das wird zwar eine recht unentspannte Tasse Tee, weil wir gleich danach wieder zurück zum Terminal müssen, aber gut, bevor wir nur rumsitzen.

Wir kaufen uns schonmal das Ticket bis zum Park. Dort erfahren wir auch, dass unsere geplante Weiterreise am nächsten Nach Puyuhuapi nickt klappt, weil der Bus schon voll ist und wir frühestens Samstag hier weg kommen. Ernsthaft?! Naja, hilft alles nichts, dann müssen wir also noch einen Tag länger bleiben. Wir kaufen uns also auch schon das nächste Ticket und gehen dann zurück zum Hostel, trinken Tee, gehen zurück zum Terminal, steigen in den Bus und sind endlich auf dem Weg. Als wir in der Nähe der Ecke ankommen, in der wir zuvor gewartet haben, steht zuerst ein Mädel und kurz danach ein älterer Mann am Straßenrand, winkt dem Bus und sie werden eingelassen: Das war es also, was die beiden Mädels im Hostel am anderen Abend gemeint haben. Es war (natürlich, wie auch sonst) eine der vielen „versteckten“ Haltestellen, die einheimische genau kennen, Touristen aber natürlich nicht, ebenso wenig das System, sich schlichtweg an die Straße zu stellen, zu winken und der Bus hält… außerdem standen wir genau eine Querstraße weiter hinten… also falsch. Ich schlage die Hand vor den Kopf… meine Laune sinkt in den Negativbereich.

Naja, immerhin sind wir im Bus, endlich auf dem Weg. Viel später, als geplant, wegen eines dummen Fehlers, der halbe Tag ist schon weg. Ich versuche durchzuatmen, passiert, ist schon so, ab jetzt wird’s schon laufen. Wir fahren wieder durch die schöne Andenlandschaft, von der wir diesmal wenig sehen, weil die Scheiben so beschlagen sind. Maria schläft noch ein bisschen, ich versuche die Route ein bisschen auf der Offline-Karte zu verfolgen… bin mir aber nicht sicher, wo genau wie rauskommen werden, da der Nationalpark selbst ziemlich groß ist und der Eingang auf der Karte nicht genau eingezeichnet. Ich bekomme, das mulmige Bauchgefühl, dass wir schon dran vorbeigefahren sind. Aber das ist sicher wieder nur so ein Hirngespinst, ich sehe grade einfach alles schwarz und die Fahrer haben ja unsere Tickets gesehen, sie wissen, dass sie uns dort rauslassen sollen. Ich kenne nur die Gegend nicht. Wir fahren weiter und weiter und weiter…

Irgendwann wacht Maria auf und sieht auf ihrer Karte nach, schüttelt mit dem Kopf und meint ebenfalls, dass wir den Eingang längst verpasst haben. Wir sind auf direktem Weg in den Zielort des Busses. Meine Nerven beginnen zu schwelen. Ich sehe zu den lachenden, Mate-trinkenden Busfahrern und mir wird klar, dass sie uns vergessen haben. Ich bitte Maria, mich durchzulassen und gehe sauer nach vorne. „Chicos…“ beginne ich, doch weiter komme ich gar nicht. Die Busfahrer drehen sich zu mir, erkennen ihren Fehler… und beginnen zu lachen/ das Gesicht in der Hand zu verbergen. „Scheiße, euch haben wir total vergessen.“ Sie grinsen mich schulterzuckend an… manche Leute lachen echt noch, wenn ihr Leben in Gefahr ist. Ich halte nur mit Mühe einen Wutausbruch zurück und frage mit hartem Gesichtsausdruck, wie sie die Situation zu lösen gedenken. Der Fahrer erklärt, er wird den Bus aus der Gegenrichtung anrufen, der wird uns wieder mit zurücknehmen. Ich setze mich wütend wieder auf meinen Platz, dann erkläre ich Maria die Situation, die schüttelt auch nur den Kopf… allerdings habe ich wieder die Ehre, die schlechten Nachrichten aus erster Hand abzukriegen, da ich die Sprecherin bin. Das ist kein Vorwurf, nur die Erklärung dafür, warum ich deutlich genervter bin. In mir schwelt der Vulkan.

Schließlich meldet sich der Busfahrer, der andere Fahrer hat die Nachricht erhalten. Gepresst frage ich, wie lange es noch dauern wird. „Nicht mehr lang, gleich hier“. Der Bus hält an und lässt uns raus. Ich springe wortlos raus, Maria nimmt unsere Tickets entgegen und dann lässt uns der Bus mal wieder in Nirgendwo zurück. Ich überquere die Straße auf die andere Seite, vor mir nichts als schöne Landschaft, doch ich sehe sie gar nicht… ich schließe die Augen, balle die Fäuste und beginne mir die Seele aus dem Leib zu schreien.

Meine schrille Stimme schallt von den Anden zurück, Kühe sehen überrascht auf und springen einen Satz nach hinten. Die gesamte Spannung entlädt sich ein einem Ausbruch gefolgt von einer Reihe Flüche, die ich den Busfahrern hinterher jage. Als es vorbei ist atme ich durch.

Ebenso wie ich es genieße, unglaubliche Landschaften zu entdecken, mit neuen Freunden zu lachen, wegen was auch immer zu weinen, genieße ich diesen Wutausbruch ebenso… es sind meine Emotionen. Und ich bin sehr froh, sie zu haben und weiß, wie wichtig es ist, sie zuzulassen. Es ist nichts weiter passiert, als dass sich ein paar unglückliche Zufälle aneinandergereiht haben, aber es rauszulassen tut einfach unglaublich gut.

Ich atme immer noch durch, als Maria bei mir ankommt und leicht irritiert nachfragt, ob alles okay ist. Ich nicke, jetzt ja. Aber das musste einfach sein. Keine Minute später kommt der Bus in die Gegenrichtung, wir steigen ein, ich schärfe ihm nochmal ein uns auch sicher am Nationalpark rauszulassen und dann fahren wir los. Wir fahren etwa 20 Minuten zurück. Eigentlich wollen wir gegen halb zehn im Park sein… jetzt ist es halt halb zwei. Aber immerhin sind wir endlich da. Wir hoffen nur, dass uns noch genug Zeit bleibt, alles zu schaffen, bevor der Park schließt. Die Mädels vom Hostel meinten, es ist flach, aber wunderschön. Okay, dann freuen wir uns doch mal. Allerdings nicht über den Eintritt, der mit 9000 chilenischen Pesos ganz schön teuer ist. Während Maria auf der Toilette ist, lasse ich mich nochmal bei dem Mädel am Empfang über diesen Scheiß-Tag aus (Minus die Hämorrhoiden-Sache), sie lächelt mitleidig. Im Empfangsgebäude ist ein kleines Museum mit vielen großen Touchscreens, an denen man sich die Entstehung/Flora/Fauna der Umgebung ansehen kann. Maria und ich beschließen allerdings erst zu wandern, da es später nur kälter wird. Wir gehen los… und finden uns auf einem Kinder-Lehrpfad wieder. Und das nennt sich Nationalpark? Wofür haben wir bitte Wanderschuhe angezogen, die Strecke könnte ich problemlos barfuß laufen. Neben uns fließt der Rio Simson… der zugegebenermaßen ganz schön ist.

Und wir finden auch so noch ein paar schöne Ecken.

Aber insgesamt haben wir 9000 chilenische Pesos bezahlt, dafür, dass wir nach etwas über einer halben Stunde den Endpunkt der „Wanderung“ erreichen, ein kleiner Aussichtspunkt auf den Fluss.

Uns bleibt nichts mehr übrig, als zu lachen. Leicht schlechtgelaunt, aber immerhin. Was für ein Aufwand, eine Reihe an Verfehlungen, 9000 Pesos für die kürzeste und unspektakulärste Wanderung meiner bisherigen Reise.

Wir erfreuen uns trotzdem an ein paar schönen Fotomotiven. Und mich bringt ganz besonders ein Ort wieder auf einen wohlgesonnenen Kurs. Ein riesiger Baum, in dem dutzende Kolibris und andere Vögel umherschwirren, steht schützend vor einer kleinen Lichtung, die von der warmen Nachmittagssonne erhellt wird. Wir bleiben kurz, machen Bilder, hören den Vögeln zu und beobachten sie… das beruhigt uns beide. Die Natur bringt doch einfach alles wieder ins Gleichgewicht 😉

Wir kehren zurück auf dem Weg, den wir gekommen sind. Nur zur Erklärung: Der Nationalpark ist natürlich deutlich größer als dieser Spazierpfad, er ist nur nicht für menschliche Besucher erschlossen, sondern dient als reines Naturschutzgebiet. Eigentlich ganz gut so. Wir bleiben noch eine Weile im Museum und spielen auf den großen Bildschirmen, die wir ja offensichtlich mit unserem Eintrittsgeld bezahlt haben, dann stellen wir uns an die Straße und warten auf den nächsten Bus, der uns mit heimnimmt. Ich schlage vor, während wir warten, können wir auch den Daumen raushalten, vielleicht kommen wir ja auch umsonst heim. Gesagt getan und tatsächlich hält gleich das zweite Auto und nimmt uns mit. Was?! Haben wir etwa noch einmal Glück an diesem Tag?? Scheint so.

Unser Fahrer heißt Juan. Wir bedanken uns, dass er uns mitnimmt und ich unterhalte mich ein bisschen mit ihm über die Gegend. Er setzt uns an dem fünfeckigen Platz mitten in Coyhaique ab. Leider sind wir zuvor am Completo-Wagen vorbei und er war geschlossen. Wir winken Juan und beschließen, trotzdem hinzugehen, um zu sehen, wann die Imbissbude aufmacht… es ist der einzige Lichtblick, der uns an diesem Tag noch bleibt. Als wir ankommen, hat der Laden offen…. YEEEEEEEESS!!!!!!!!!

Jetzt gibt’s auch Fotos:

Das Essen rettet uns den Tag. Zufrieden kaufen wir noch ein paar Sachen ein und verbringen einen entspannten Abend im Hostel.

Am nächsten Tag erwartet uns das nächste Abenteuer.

Liebste Grüße

Eure Jana

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