Schweren Herzens verabschiede ich mich von meinem kleinen Apartment. Ich hab mich dort richtig wohl gefühlt und es war die perfekte Lage, um alle Punkte, die ich sehen wollte, in kurzer Zeit zu erreichen. Ich verspreche meinem Gastgeber, ihm eine hervorragende Kritik zu hinterlassen. Und ich fange damit an, euch hier die Empfehlung für das Apartment zu reinzuschreiben. Da ihr es nach meinen Blogeinträge jetzt alle gar nicht mehr erwarten könnt, nach Rio zu kommen & schon fleißig am Flug buchen/ Urlaub nehmen seid 😉 schreibt mir, wenn ihr den Kontakt für die Unterkunft wollt.
Aber bitte, einer nach dem anderen.
Ich genieße noch einmal die schöne Aussicht & ziehe dann die Tür zu. Auf ins nächste Abenteuer.

Mit dem Uber geht’s zum Busbahnhof und dort folge ich der Masse, wie immer, wenn ich keine Ahnung habe, wohin ich muss. Es regnet in Strömen draußen, genau wie an dem Tag, als ich angekommen bin.

Ist ja ein Typ-sache, aber ich persönlich LIEBE Busfahren. Natürlich nicht die vollgequetschten, versifften Schulbusse… aber in einem großen bequemen Sessel zu sitzen, während die Motoren rauschen und die Landschaft an einem vorbeifliegt… ich mag das gerne. Ich schaue auch selten Filme/lese oder höre Musik, meistens guck ich nur neugierig aus dem Fenster und schau, was es zu sehen gibt. Und irgendwann schlaf‘ ich ein. Im Bus/ Zug schlafen hab ich während meiner Zeit als Pendlerin gelernt. Es ist also das perfekte Fortbewegungsmittel für mich. Das Busnetz in Südamerika soll sehr gut ausgebaut sein und ist obendrein noch günstig. Juhu!


Ich kaufe mir noch einen brasilianischen Adapter, weil mein toller Universaladapter nicht so universal ist, wie die Werbung versprochen hatte. Dann versuche ich mich in dem Gewusel aus Schildern & Anzeigen irgendwie zurechtzufinden, frage am Ende der Einfachheit halber aber nach.
Mein Bus fährt von der Haltestelle 57-61… Aha! Na, immerhin kann ich schon mal 56 Haltestellen ausschließen. Der junge Mann kann Gott sei Dank Englisch und sagt mir die Richtung. Das Ticket ist zwar übersichtlich, aber auf portugiesisch, sodass ich beim Einscannen an der Drehtür wieder Hilfe brauche. Und auch an den Haltestellen versuche ich herauszufinden, welche jetzt genau meine ist, aber das wird wohl spontan entschieden. Okay, 4 Haltestellen kann ich auch überblicken.

Ich muss noch ein bisschen warten, dann kommt der Bus nach Sao Paulo. Und noch einer. Und noch einer. Weder auf meinem Ticket noch an den Bussen steht eine Nr… Ja welcher denn jetzt?!
Mein Bus fährt um 12, da steht einer für 12:15, der gerade Leute eincheckt… Ich gehe einfach hin & halte ihm mein Ticket & meinen Ausweis unter die Nase. Er schüttelt den Kopf, ich muss auf den um 12 warten… Der kommt schon gleich noch.
Wenn man es mal gecheckt hat, ist das System ganz okay, aber bis man’s gecheckt hat…
Die Busse sind nach Fahrgesellschaft, Ziel und Uhrzeit kategorisiert… ob die Uhrzeit eingehalten wird, ist ein anderes Thema.
Um 11:55 kommt mein Bus, um 12:15 Uhr fahren wir los.
Ich setze mich zuerst auf einen falschen Platz, da auf meinem Ticket keine Sitznummer stand, dachte ich, es wäre freie Wahl. Nein. Ich gehe also vor Abfahrt nochmal zum Busfahrer und frage nach: auf seiner Liste steht meine Sitznummer 3. Ich stelle fest, dass das die vorderste Reihe des Doppeldeckers oben rechts am Fenster ist. Ich grinse und setze mich vor meinen Fernseher für die nächsten 6 Stunden. Mega!!

 Ob das die kleine Wiedergutmachung für den gestrichenen Flug ist? Ich nehm’s einfach so und los geht’s.

 Auf dem Weg raus aus Rio sehe ich nochmal ein paar traurige Bilder. Leute die entlang der Autobahn laufen, versuchen Snacks zu verkaufen oder einfach nur dort sitzen. Ich lerne zu schätzen, dass ich im trockenen Bus sitze, die Tasche voller Essen, Handy und Geldbeutel umgehängt. Was sind wir für einen Luxus gewöhnt…

Ich muss in Sao Paulo umsteigen und dafür sogar zu einem anderen Busbahnhof. Hab dort aber über 2h Aufenthalt und der andere Busbahnhof (Barrafunda) nur eine knappe viertel Stunde mit dem Auto entfernt. Sollte also kein Problem sein.
Und dann sehe ich zum ersten Mal das Land. Also, das was man durch den Regen erkennen kann. Das Gras ist anderswo tatsächlich grüner. Also, hellgrüner. Wie in einer Märchenwelt erheben sich Berge und Täler mit saftig-grünen Wiesen oder nebelvergangenen tropischen Wäldern. Und meine erste Farm lässt auch nicht lange auf sich warten.
Tja, einmal Landei, immer Landei. Andere freuen sich über gratis WLAN, ich freu mich über ’ne Kuh! Es sind die typischen Zebu_Rinder mit weißen Fell und dem Höcker auf den Schultern. Und dann reiht sich auch schon eine Farm an die andere, ich sehe Kühe, Pferde, Ziegen, Schafe alle miteinander auf einer Weide grasen… und sie haben Auslauf ohne Ende. Die Weiden sind riesig. Ebenso wie die Felder. Mais erkenne ich, ein anderes flaches Blättergewächs leider nicht. Mich überrascht der Farbton der Erde. Ich wusste nicht, dass die Erde hier so rot ist. Manchmal ziegelsteinfarben, manchmal braunrot, manchmal richtig blutrot. Ich kann mich kaum sattsehen, aber irgendwann verliere ich den Kampf gegen die Müdigkeit.

Ich bin eine von den Menschen, die plötzlich nach vorne sacken, vom freien Fall wieder aufwachen und sich dann wieder aufrichten, nur damit fünf Sekunden später dasselbe passiert. In dem Moment konnte ich das auch gar nicht kontrollieren, ich konnte einfach nicht wachbleiben. Ist mir bestimmt 20mal hintereinander passiert… voll peinlich, aber hier kennt mich ja keiner! Wir stehen ein paar Mal im Stau, aber so lasse ich die Landschaft an mir vorbeiziehen, schlafe, gucke, schreibe… lässt sich gut aushalten.

Irgendwann schaue ich auf die Uhr und stelle fest, dass die Verspätung größer ist als gedacht. Und wir brauchen noch mindestens eine Stunde nach Sao Paolo. Der Stress nistet sich in meinem Bauch ein… ich könnte meinen Anschlussbus nicht schaffen. Ich versuche, mich zu beruhigen. Zur Not schlafe ich eben eine Nacht in Sao Paolo und fahre am nächsten Tag weiter. Die 50 Euro sind dann in den Sand gesetzt, aber das wird mir eben hin und wieder passieren. Ein anderer Teil in mir wird stinksauer! Wie kann ein Linienbus, der alle 15 min fährt so eine dermaßene Verspätung haben? Volle 2 Stunden? Ja, wir standen am Anfang ein bisschen im Stau, aber welche Gesellschaft rechnet das nicht mit ein? Auf einer Standardstrecke?!

Wie ihr hört, es ist die gestresste Deutsche in mir, die sich aufregt, das Gewohnheitstier, die Planerin, die nicht loslassen kann. Ich fürchte, das wird die größte Lektion für mich sein, die ich hier lernen muss: Akzeptieren, dass auch mal etwas nicht funktioniert wie geplant und loslassen… oder anders planen: Nicht möglichst viel und effizient in kurzer Zeit, sondern offener, mit mehr Raum für Möglichkeiten… das will im Moment aber noch so gar nicht in meinen Kopf.

Wir fahren weiter und der Stress hält mich fest umklammert. Nicht, weil ich weiß, dass ich zu spät komme, sondern weil ich weiß, wenn alles klappt und ich renne, ich noch rechtzeitig kommen könnte: Das ist eine besonders fieser Zwischenzustand: Man kann nicht loslassen, weil es noch eine Chance gibt.

Natürlich dauert die Gepäckausgabe EWIG (in meinen Augen, eigentlich war’s okay) und ich verliere wertvolle Minuten. Ich bin dabei aufzugeben. Trotzdem finde ich fix ein Taxi, schaffe es ihm mitzuteilen, dass ich es eilig habe… und tatsächlich kommen wir problemlos durch die Stadt. Er gibt sich richtig Mühe und setzt mich 3 min vor Abfahrt vor der Busstation ab, ich bedanke mich herzlich und bete, dass, wie in Rio, der Bus auch hier später  dran war. Diesmal läuft alles gut für mich, das Terminal ist nah und tatsächlich: Der Bus steht noch da und ist noch beim Boarding. Ich gehe zum Terminal…und fünf Sekunden nach mir schließt das Tor! Ich habe es gerade noch geschafft. Ich wünschte, ich könnte es dem Taxifahrer irgendwie sagen: Er hat’s rausgerissen. Ich checke ein und stelle fest, schon wieder einen Platz am Frontfenster zu haben… also wenn das Frontfenster immer die Entschädigung für den Riesenstress ist, dann sitze ich gern auch mal woanders.

Jetzt bin ich auf dem Weg, zu den größten Wasserfällen der Welt… pünktlich! Lese noch ein bisschen und lege mich dann schlafen. Die restliche Fahrt läuft ganz entspannt. Wir halten regelmäßig für eine 30-minütige Pause, die Raststätten sind sauber, ich schlafe, gucke, schreibe weiter. Am nächsten Tag um 14:30 komme ich in Foz do Iguacu an. Übrigens wieder über 2h zu spät. Ich lerne meine Lektion. Wer Bus fahren will, braucht Zeit!

Liebe Grüße

Eure Jana

One response

  1. Nicht schlecht 😉 Aber der deutsche Flixbus kalkuliert auch mit zu wenig Puffer, da muss auch eigentlich alles glatt gehen. Ich bin tatsächlich nie in Brasilien umgestiegen oder hatte noch gar kein Weiterfahrt-Ticket, sodass ich das Problem tatsächlich nie erlebt habe…

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