Hallo meine lieben Leser*innen,
Den ersten Unterschied, den ich zu Bolivien sehe, sind die Moto-Taxis. Das ist eine Kreuzung aus Motorrad und Auto, es hat eine Karosserie, aber nur drei Räder, der Fahrer sitzt auf einem Motorrad, die Passagiere (hinten meistens drei Plätze) auf einer Sitzbank. Die gibt es hier überall.
Ich schließe aber bald wieder mein Augen und schlafe durch, bis wir in Puno sind. Es ist später Abend. Ich lasse an einem Automaten meine ersten peruanischen Soles raus, muss sie aber gleich wieder irgendwo wechseln, weil die Taxifahrer so große Scheine nicht annehmen können. Das Taxi bringt uns zu unserer Unterkunft, wo wir einchecken und gleich ins Bett fallen. Den nächsten Tag lassen wir ruhig angehen. Wir haben mal wieder einen Fernseher, es läuft Spiderman, verschiedene Teile hintereinander. Ich hab sowieso noch keine Kraft, aufzustehen. Erst gegen Nachmittag schaffen wir’s raus zum Einkaufen und machen einen seehr großen Gemüseeinkauf. Während wir im Laden stehen wird mir so schwindelig und schlecht, dass wir uns schnelle auf den Rückweg machen. Ich bin so froh, dass ich nicht alleine bin und Ale ist in allem eine so liebe Unterstützung. Im Hotel ist es wie immer ziemlich kalt. Es gibt keine Heizung und Sonne kommt hier nirgends rein, sodass wir immer in voller Montur und mit heißem Tee in der Küche sind. Wir kochen und ich trinke neben bei meine Elektrolyte… die echt ekelhaft schmecken und außen wie geschmolzene Gummibärchen. Kauft in Lateinamerika bloß keinen Scheiß mit Erdbeergeschmack, das geht nie gut. In meinem Fall hatten sie leider nix anderes. Hilft nix, runter mit dem Zeug, ein ganzer Liter muss rein. Ale brät sich ihr Gemüse, ich schmeiße alles zusammen in eine Suppe… und es wirkt wie das Beste, was ich in meinem Leben je gegessen habe.


Mein Körper braucht die Vitamine und Nährstoffe so dringend, dass ich am liebsten weiteressen würde, obwohl ich bis zum Rand voll bin. Und kein Stunde danach fühle ich deutlich, wie meine Kräfte und Gesundheit wieder zurückkehrt. Danach verschwinden wir trotzdem wieder ins Bett und lassen den Tag gar verklingen. Wir beschließen noch eine Nacht länger zu bleiben, weil die Informationen über die Proteste immer noch sehr unklar sind und uns alle sagen, dass momentan keine Busse nach Cusco fahren.
Am nächsten Vormittag machen wir eine Stadtrunde mit allen möglichen organisatorischen Sachen. Dabei laufen wir auch in die Proteste, die für den heutige Tag angesagt sind… die mal wieder nichts anderes sind als friedliche Proteste, ein Marsch, der mit Plakaten und Lautsprecheransagen durch die Straßen zieht. Puno ist eine schöne kleine Stadt, allerdings nichts, wo ich noch allzu viel Zeit verbringen wollen würde. Ich hoffe also, dass wir demnächst einen Bus finden.








Für den Nachmittag buchen wir eine Tour zur Hauptattraktion der Stadt, neben dem Titicacasee selbst. Ein Taxi holt uns ab und bringt uns zum Hafen. Dort treffen wir noch zwei deutsche Jungs, mit denen wir ein bisschen plaudern. Dann geht es auf ein Schiff und hinaus auf den See.




Etwa 45 min Fahrt, dann kommen wir zu unserem Ziel: Den schwimmenden Inseln von Uros (Islas flotantes). Wir steigen ab… und die Füße sinken ins Seegras, das unter den Füßen kracht. Komisches Gefühl. Nach einem kurzen Rundgang im Dorf setzen wir uns im Dorfplatz auf die Bänke aus zusammengefasstem Seegras… alles ist hier aus diesem Material.



Unser Guide erklärt uns, wie die Inseln aufgebaut sind und wie es kommt, dass sie schwimmen, obwohl das Wasser hier elf Meter tief ist. Das Gras hat einen Erduntergrund von etwa anderthalb Meter, darüber ist die Seegrasschicht ebenfalls etwa anderthalb Meter. In der Erde bildet sich Sauerstoff… dieser lässt die Inseln schweben. Man hat die Seegrasfelder zu einem großen zusammengebunden… und nach 1-2 Monaten sind sie zu einem großen Feld zusammengewachsen, das stabil genug war, um ein Dorf darauf zu errichten. In der Regenzeit ist der Wasserspiegel etwa drei Meter höher. Alle 10-15 Tage muss man Schilf nachlegen, damit das Wasser nicht durchsickert.
Während der Guide erzählt, kommen auf einem kleinen Boot ein paar Peruaner angefahren, springen schnell auf die Insel und bereiten ihre Verkaufsgüter vor. Zwar wurde uns schon gesagt, dass die Gemeinschaften hier heute fast ausschließlich vom Tourismus überleben, aber dann könnte man wenigstens pünktlich aus der Stadt zurück sein. Auch die „Präsidentin“ des Dorfes guckt die Ankömmlinge streng an. Dann wendet sie sich uns zu. Während der Guide erklärt hat, hat sie nebenbei an einem Modell demonstriert, wie die Inseln gebaut werden.



Die Präsidentschaft wird jeden Monat neu gewählt, ob man, ob Frau macht in dem Fall keinen Unterschied. Hier auf dieser Insel leben vier Familien, die anderen sind etwas größer, dort gibt es auch Restaurants, Kiosks, etc. Jede Insel hat etwa 8-10 Anker, Holzstämme, die mit Gewichten am Boden des Sees fixiert sind. Damit man nicht eines Morgens aufwacht und auf der bolivianischen Seite des Titicacasees treibt.
Danach werden wir aufgeteilt und dürfen die jeweiligen Familien in ihren Häusern besuchen. Ale ich und die zwei Jungs werden bei einer jungen Frau eingeladen… die ehrlicherweise ziemlich lustlos wirkt, und wie ich meine auch eine der Neuankömmlinge war. Sie zeigt uns das Haus, das Bett… alles ziemlich klein… fast zu klein dafür, dass sie, ihr Mann und ihr Sohn hier schlafen.




Draußen zeigt sie uns dann ihre Ware: Schmuck, Keramik und wunderschöne Webarbeiten, die sie selbst macht, Tischläufer und Kissenbezüge. Die Sachen sind wirklich schön und man merkt, dass sie uns gerne etwas verkaufen will, aber wie immer sind fast alles Backpacker, die nichts oder zumindest nichts großes mitnehmen wollen. Ich entdecke schließlich eine Kette mit einem Andenkreuz, die mir gut gefällt. Ale nimmt einen der Kissenbezüge mit, die wirklich schön sind. Auf meine Frage, wie lange die Gemeinschaften hier schon auf den Inseln leben, antwortet sie „schon immer“… also schon sehr sehr lange, bevor es Zahlen und Daten gab.
Während die anderen sich noch umsehen, gehe ich zu dem „Großväterchen“ der an der Seite sitzt und kleine Boote aus Schilf knüpft. Er spricht kein Spanisch, nur Quechua, sodass ich ihn nicht verstehen kann. Ein Boot kann ich ihm nicht abkaufen, das passt nicht in meinem Rucksack, aber ich lasse ihm eine kleine Spende da. Schade, ich hätte gerne mit ihm gesprochen.
Die junge Frau erlaubt mir, dass ich ein Foto mit ihr mache (ist ja alles für touristische Zwecke):

Naja, durch diese Einnahmequelle haben sie jetzt immerhin Elektrizität durch Solarstrom. Vorher wurde hier nachts alles mit Kerzen ausgeleuchtet, was natürlich für das leicht brennbare Schilf gefährlich war.
Dann dürfen wir nochmal auf den Ausguck und fahren danach mit dem „Mercedes Benz“.





Okay, spätestens jetzt ist klar, dass hier nur noch wenig authentisch ist. Der Mercedes Benz ist nichts anderes als ein riesiges aus Schilf und Holz gebautes Schiff, dass die Leute von Insel zu Insel bringt. Zum Abschied singen uns die Damen der Familien ein Lied in Quechua, das aber am Ende abgewandelt wurde zu „Hasta la vista, baby“… Die Frau Präsidentin gibt sich Mühe, die beiden anderen sind eher mit halber Aufmerksamkeit dabei…
… ich weiß nicht so richtig, was ich davon halten soll. Natürlich war es toll und interessant eine so ungewöhnliche Lebensform zu besichtigen und irgendwie ist es ja schön, dass der Tourismus die Leute hier noch künstlich am Leben erhält… aber jegliche Authentizität schwindet damit auch dahin. Vor allem, was ist das für ein Leben für die jungen Leute, wie unsere Gastgeberin, die vielleicht lieber in der Stadt leben, Jeans tragen und Netflix gucken möchte? Andererseits sind sie die einzigen, die diese Tradition überhaupt noch erhalten. Ihr seht, es ist ein bisschen zwiespältig.
Während wir im „Mercedes Benz“ über das Wasser fahren geht die Sonne unter, was wirklich wunderschön aussieht.



Dann halten wir noch kurz auf einer anderen Insel, wo wir Fotos mit dem Ortsnamen „Uros“ machen und einen Kaffee oder ähnliches kaufen können, wer will.








Dann steigen wir wieder ins Boot und fahren zurück nach Puno. Da der Hafen in der Nähe des Terminals ist, lassen wir uns vom Taxi dorthin bringen und fragen nach einer Verbindung nach Cusco. Tatsächlich ist das Terminal fast ausgestorben im Gegensatz zu dem, was wir bei unserer Ankunft gesehen hatten. Aber wir finden einen Anbieter, sodass wir am nächsten Abend über Nacht nach Cusco kommen. Super. Während wir zurückspazieren, kracht es in der Innenstadt. Es klingt nach Silvesterböllern. Offenbar sind die Proteste jetzt doch etwas aktiver geworden. Wir umgehen das Stadtzentrum weiträumig, sodass wir weit weg vom Geschehen bleiben, kochen uns noch was (erfrieren mal wieder halb) und gehen dann schlafen.
Der nächste Tag wird relativ ruhig und unspektakulär. Wir checken aus, spazieren noch ein bisschen durch die Stadt, schauen uns die Kirche am großen Plaza an und setzen uns dann in ein Café, wo wir den Rest des Nachmittages verbringen. Wir sind beide nicht in der Stimmung heute noch große Aktionen zu starten.
Vor dem Café steht ein Wasserwerfer… ist das erste Mal, dass ich so was in echt sehe. Ob der schon eingesetzt wurde oder nur zur Abschreckung da steht? Ist vielleicht besser, dass wir das nicht wissen. Im Café gibt’s leider kein Kniffel, dafür Uno. Erst gegen Abend stehen wir auf und holen unsere Sachen aus der Unterkunft. Als wir am Terminal ankommen, läuft uns die Verkäuferin der Tickets schon entgegen. Der Bus fährt früher, sie hatte keine Handynr. von uns, wir müssen jetzt gleich einsteigen. Öh, okay, umso besser, müssen wir nicht in der Kälte warten. Wir steigen ein, kurz darauf fährt der Bus los.
Liebste Grüße,
Eure Jana
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