Hallo meine Lieblingsleser*innen,
leider war die Nacht wieder nicht so toll, laute Stimmen auf dem Flur und die laute Straße nebenan lassen mich kaum schlafen. Gegen 6 Uhr weckt mich mein natürlicher Rhythmus auf, ich gehe duschen, schreiben, packe meine restlichen Sachen und stehe pünktlich um acht vor der Tür. Natürlich dauert es trotzdem noch ewig, bis ich abgeholt werde, sie finden mein Hostel nicht. Irgendwann sitze ich dann im Auto, hinter mir zwei Asiaten, die in Kanada leben und gut Englisch sprechen. Die anderen beiden, die wir einsammeln sind natürlich Deutsche! Ich dachte mir schon, dass es ungewöhnlich wäre, wenn ich die einzige bleibe. Aber ich habe Glück, wir verstehen uns prächtig. Maurice und Vera sind Lehrer im Norden von Deutschland, sehr nett und ebenso aufgeregt/planlos wie ich, was uns jetzt eigentlich erwartet. Wir fahren mit dem Auto lange durch die Stadt, doch irgendwann wird es grüner und wir werden immer mehr vom Dschungel umgeben. Die warme Luft bläst uns angenehm warm durch die Autofenster ins Gesicht, die tropischen Pflanzen sind wunderschön… ich bin schon total verliebt in den Dschungel.
Wir stoppen in einer kleineren Stadt, wo es eine kurze Klopause gibt, dann geht es kurz mit dem Moto-Taxi weiter bis zu der Stelle, wo wir ins Boot umsteigen. Wir klettern die Böschung runter und unten erwartet uns ein oft benutztes, kleines, längliches Motorboot.


Ein junger Peruaner, kaum 15, startet den Motor und wir fahren hinaus auf den braunen Fluss. Auf den Marañón, ein Nebenarm des Amazonas. Die Fahrt ist toll. Sehr luftig, bequem, die Aussicht ist super. Die ersten Tiere die wir sehen sind viele viele bunte Schmetterlinge. Leuchtend orange und Gelb, rötlich, giftgrün-schwarz, blau-schwarz, groß, klein und sogar richtige Schwärme… wunderschön.





Wir fahren zum Flussdreieck des Marañón, Amazonas und Ucayali. Dort halten wir für einen Moment, um die Flussdelfine zu beobachten. Adriano, unser Tourguide erklärt, dass es zwei Arten gibt: die grauen sind die klassischen, die man kennt. Sie sind vom Atlantik eingewandert, vor hunderten von Jahren und haben sich an die Umgebung angepasst. Und dann gibt es noch die rosanen. Die Männchen sind komplett rosa, die Weibchen haben einen grauen Rücken und einen rosanen Bauch. Wir sehen beide, aber natürlich nur ein bisschen was vom Rücken und sie sind viel zu schnell weg. Maurice hat ein halbwegs gutes Foto hinbekommen, aber es war auch einfach schön, sie zu beobachten. Wäre toll, wenn wir wirklich einen ganz rosanen Delfin sehen.
Adriano erklärt, dass der Amazonas in der Regenzeit 65 Meter tief wird. Echt krass. Das Boot stoppt und wir steigen aus für einen kleinen Waldspaziergang. Endlich, rein in den Wald. Ich freu mich total. Wir folgen Adriano auf einem kleinen Trampelpfad, bis er nach oben zeigt. Dort ist ein Affe. Alle schauen begeistert hoch und tatsächlich, hoch über uns sitzt das Tier und guckt uns neugierig an. Während ich ein Video starte, schwingt sich ein Affenkollege im Nebenbaum durch die Äste. Den verfolgen wir eine Weile. Es ist ein Choro mono (local) Red wooly monkey. Er findet’s nicht so geil, und fängt an auf uns zu pinkeln. Adriano erklärt, nächstes Mal bringen wir Früchte mit, dann kommen sie auch zu uns.








Wir gehen zurück ins Boot, glücklich über unsere bisherige Ausbeute an Tiersichtungen. Das Boot fährt weiter und einige Zeit später stoppen wir am Camp. Es ist ein Haus, gebaut in eine freigeschlagene Fläche, um uns herum nur Urwald. Ich liebe es. Als wir ankommen sind schon ein paar andere Leute da, einige davon gerade am zusammen packen, die machen Platz für uns frei. Das Camp ist offen, vorne steht ein großer Tisch, daneben hängt eine Hängematte. Vom Flur aus zweigen zwei Gänge zu den Schlafenbereichen ab (abgetrennt mit Vorhängen) und nach hinten raus ist es wieder offen und man schaut in den Wald. Ich find’s toll.









Nur das Badezimmer ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig. In der Schüssel schwimmt braunes Flusswasser und auch wenn wir es uns am Anfang anders einreden auch das Wasser im Waschbecken und aus der Dusche kommt natürlich vom Fluss. Als ob die hier eine Frischwasserleitung rausgelegt hätten oder noch schöner, Trinkwasser nutzen. Das Klo hat wie immer keine Brille, man muss sich mit der nackten Schüssel abfinden. Und ratet wer genau jetzt seine Periode bekommt? Tja, Mutter Natur hat eben ein Händchen für spannende Geschichten.
Ab jetzt bin ich wieder mit zwei Schichten eingeschmiert: Mückenspray und Sonnencreme. Es ist eine eklige Kombi, vor allem weil es hier wirklich heiß und feucht ist und alles nur noch klebt. Aber für fünf Tage werde ich es überleben, es gibt eine Dusche, irgendwann werde ich sie nutzen. Aber eklig bin ich die ganzen fünf Tage lang. Es ist genau das, was ich mir vorgestellt habe und ich freue mich wahnsinnig auf die Zeit, die vor uns liegt.
Wir bekommen auch gleich unser Mittagessen hingestellt, das köstlich schmeckt. Hühnchen in einer guten Soße mit Erbsen, Mais, Zitronenreis, Tomaten und sowas wie Rotkraut. Wow. Die Asiaten waren fischen und haben tatsächlich drei Fische gefangen. Die werden auch sofort gebraten und serviert. Leider haben wir nach unserem Mittagessen nicht mehr so viel Hunger und ich tatsächlich gerade ein bisschen genug vom Fisch. Danach verlassen uns die Asiaten schon wieder. Sie sind nur für einen Tagesausflug unterwegs. Ich mein, es gibt eben verschiedene Reisestile, aber Maurice, Vera und ich finden es schon krass, für nur einen Tag so weit hier raus zu fliegen.
Plötzlich fängt es an zu regnen. Sorry, zu schütten. Für mich, die seit Urzeiten keinen Regen gesehen hat, ist es das Paradies auf Erden. Alle erwarten, dass es nur kurz dauert, aber es regnet fast eine ganze Stunde. Die Tropfen krachen auf das Dach und es fallen Binnfäden vom Himmel ohne Ende. Ich bin viel zu fasziniert, als dass ich die Zeit vernünftig zum Schlafen genutzt hätte. Danach geht es nochmal raus für einen Waldspaziergang. Wir bekommen Gummistiefel, die sogar dicht sind und dann folgen wir Adriano in den Wald. Er bedeutet uns leise zu sein, nicht zu sprechen, wir gehen auf Tiersuche. Er hat eine Machete dabei. Ich frage aus Spaß, wo meine ist, er und der Hausherr lachen, leider gibt es nur eine. Schade.


Adriano geht voraus, ich hinterher, dann Maurice und Vera. Wir sind echt nur zu viert, das ist so großartig. Ich bin so glücklich, dass es keine riesige Touristengruppe ist, die die komplette Erfahrung zunichte macht, so kann ich das alles richtig genießen. Nach kürzester Zeit sind wir von dichtestem, nassen Regenwald umgeben. Riesige Blätter, sich windende Baumstämme, Ranken, riesige Termitenknoten an den Stämmen. Adriano erklärt, die Termiten leben in Symbiose mit dem Baum, sie schaden ihm nicht. Er schneidet eine kleine Öffnung in die Knolle und sofort krabbeln dutzende kleine Termiten heraus. Wir gehen weiter.
Adriano bleibt immer wieder stehen, horcht, schaut, wir versuchen einen Affen zu verfolgen, doch er scheint um uns herum zu laufen der wir um ihn. Wir beobachten unsere Umgebung intensiv, einerseits, weil es so schön ist, andererseits, weil wir hoffen, Tiere zu sehen und andererseits, um nicht in irgendetwas giftiges, schlängelndes oder krabbelndes reinzutreten oder anzufassen. Ein ganz normaler Spaziergang…durch den Dschungel. Ich entdecke eine riesige Schnecke an einem Baum, Adriano lobt mein Auge.

Sie heißt „El Toxico“… der Giftige. Wenn man sie anpiekt, produziert sie eine weiße Milch, die extrem giftig ist. Also lieber schön fernhalten.
Wir laufen an einem der riesigen Bäume vorbei… doch diesmal ist er gefällt. Adriano bleibt stehen und erklärt uns die Tragödie des Regenwalds. Die Bäume wurden für ihr schönes Mahagoni-Holz gefällt, nur der schönste Teil wurde abtransportiert, der Rest liegt hier zum Verfaulen. In Minuten fällt man den hunderte Jahre alten Baum… heute gibt es sie nur noch vereinzelt, früher waren sie überall.
Die zweite große Quelle war der Gummibaum (rubber tree). Anfang des 19. Jahrhunderts war der Kautschuk das schwarze Gold des Regenwalds. Hunderte von „Baumjägern“ machen sich auf die Suche, fällen die Bäume und verkaufen sie nach Europa. Diese Baumjäger waren es auch, die die indigene Bevölkerung bedrängt, beraubt, ermordet und versklavt haben für ihr Geschäft. Für acht Stunden arbeitet hat sich eine Familie eine Machete verdient.
Adriano wünscht sich, dass die Natur und die Gegend hier mehr geschützt wird und nur für Touristen zugänglich wäre. Natürlich in kleinen Gruppen, so wie wir, aber dass der Holzhandel, für den viele Arten vollständig ausgerottet wurden!
Nach einem weiteren Stück, reibt er etwas Rinde von einem Baum ab und drückt sie über meiner Hand aus. Eine blutrote Flüssigkeit kommt heraus, die er in meine Haut einreibt. Er erklärt, dass ist für die Mückenbisse, so geht der Stich und die Entzündung sofort zurück. Im Amazonas gibt es viele, starke Heilpflanzen, die häufig in der westlichen Medizin eingesetzt werden. Leider führt auch das zu einer deutlichen Abnahme des Pflanzenbestandes.
Wir gehen weiter und bleiben schließlich an einer Stelle stehen, um darauf zu warten, dass es dunkel wird. Währenddessen erzählt uns Adriano von einem See, der mehr als einen Tagesmarsch tief im Dschungel liegt. Sie haben mehrfach versucht, Touren dorthin zu führen, doch meistens wurden diese Touren von Starkregen und Mückenschwärmen überschattet, sodass sie das jetzt nicht mehr machen. Er meint, der Ort hat etwas Magisches und alte Mächte wollen nicht, das Touristen dorthin kommen. Was er erzählt ist an sich interessant, leider ist er nicht der beste Geschichtenerzähler und das schlechte Englisch macht es nicht besser. Deshalb dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis es endlich finster ist. Mein Rücken tut schon weh und ich bin ungeduldig, aber als wir dann die Taschenlampen einschalten und uns nur noch der Lichtstrahl den Weg und die Umgebung zeigt, bin ich schnell wieder bei der Sache.
Maurice fragt später zu Recht, was machen wir hier überhaupt?! Rennen nachts durch den Dschungel voller Tiere, die uns alle umbringen könnten. Aber es ist gleichzeitig so ein einzigartiges Abenteuer und eine super spannende Erfahrung, dass man sich der Gefahr gar nicht bewusst ist. Außerdem reißen die meisten Tiere sowieso aus, sobald sie uns kommen sehen/hören. Aber nicht alle… mein Lichtkegel streift ein kleines leuchtendes Paar Augen in der Ferne. Aufgeregt will ich Bescheid sagen, doch was auch immer es war verschwindet schnell wieder.
Dann entdeckt Adriano ein leuchtendes Paar Augen… orange. Wir gehen näher hin, Adriano steigt einen kleinen Abhang hinab und greift ins Wasser dort… er kommt mit einem kleinen Kaiman zurück… wir sind begeistert:


Und gleich daneben hüpft sogar ein Frosch aus dem Gebüsch… ein Riesenfrosch.

Was für ein Erlebnis. Ich berühre die raue Haut auf dem Rücken des Kaimans, es ist ein seltsames Gefühl, aber auch toll. Adriano lässt ihn wieder frei und wir gehen weiter, bis wir fast wieder am Camp sind. Eine letzte Sichtung erwartet uns noch, kurz bevor wir dort sind: Eine riesige Tarantula sitzt auf einem Baum, nur ein kleines Stück über uns… leider verkriecht sie sich zu schnell, um ein Foto zu machen. Handteller groß, braun, haarig und mit vielen Augen… mir jagen ja eher die Schlangen Angst ein, mit Spinnen habe ich kein Problem und bin deshalb fasziniert!
Trotzdem sind wir froh, als wir wieder am Camp ankommen. Es ist halb acht und wir sind todmüde. Das Abendessen, das uns vor die Nase gestellt wird, ist mehr als willkommen und schmeckt wieder super lecker. Diesmal ist es ein Fisch, der überhaupt nicht nach Fisch schmeckt, es gibt wieder Reis und frisches Gemüse. Wir unterhalten uns noch ein bisschen mit den beiden Engländern, die hier sind, vor allem mit Keagan, den wir alle über Ecuador und Kolumbien ausquetschen. Dann geht es bald ins Bett, denn um halb zehn, zehn geht hier der Generator aus und es ist stockfinster. Alle putzen noch schnell Zähne und verschwinden dann im Bett.
Liebste Grüße,
Eure Jana
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Ich bin schon sehr gespannt, was du über die Geräusche nachts im Dschungel berichten wirst. Die Stelle ich mir sehr aufregend vor.