Hallo liebe Leser*innen,

Am nächsten Morgen gehe ich auf den Mercado Central, den Stadtmarkt, der glücklicherweise gleich neben an ist und kaufe mir alles für ein Frühstück. Im Hostel gibt es einen Mixer, sodass ich mir einfach selber Säfte und Milchshakes mache, mit den frischesten tropischen Früchten, von gleich neben an. Das ist ziemlich lecker.

Um neun steige ich dann in ein Shuttle, dass ich mit einem Engländer für mich habe. Mit dem komme ich auch gleich ins Gespräch und wir verstehen uns ganz gut, er heißt Ross, auch schon ein paar Monate unterwegs. Super, dann hat man jemanden zum Foto machen. Wir fahren ein Stück raus aus Quito, bleiben aber im urbanen Gebiet und halten dann vorm Eingang zu der Sehenswürdigkeit. Also DER Sehenswürdigkeit… von Ecuador.

La Mitad del Mundo – Die Mitte der Welt… die Äquatorlinie.

Also, die falsche. Viele von euch wissen vielleicht, dass es in Ecuador zwei Monumente des Äquators gibt. Das erste, also das hier wurde von den Franzosen vor zweihundert Jahren entdeckt… für die Tecknik der Zeit war das gar nicht schlecht, aber mit moderneren GPS-Messungen hat man herausgefunden, dass der eigentliche Mittelpunkt ein paar hundert Meter weiter liegt.

Aber für die Fotos ist die hier schon cool:

Ich weiß ja, dass ich mittlerweile weit gereist bin… aber jetzt am Äquator zu stehen, wo ich vor ein paar Monaten noch in Ushuaia am Ende der Welt stand… ist schon ein irres Gefühl. Gibt’s eigentlich auch einen „Anfang“ der Welt? Also irgendwo oben in Alaska oder Norwegen oder…?

Ross und ich steigen noch auf den Aussichtspunkt des Monuments und genießen die Aussicht auf die umliegenden Berge.

Das Monument ist ein kleines Dorf für sich mit Shops, Restaurants und Fotospots, ganz nett gemacht. Im Turm selbst gibt es noch eine kleine Ausstellung mit ein paar historischen Fakts. Wir haben aber nicht allzu viel Zeit, denn gleich danach geht es noch zur „richtigen“ Mitte der Welt, wo wir eine kleine Tour bekommen. Auch das ist ausgebaut in ein kleines Dorf, aber ein indigenes, mit verschiedenen Stationen um die Natur und Geschichte von Ecuador und der Weltmitte kennenzulernen. Heißt „Sonnenmuseum“ und man spricht auch viel über die Sonne. Aber los geht’s mit ein bisschen Landeskunde.

Wir sprechen über den Regenwald und seine Bewohner, die verschiedenen Tiere und die Urvölker. Gleich als erstes lernen wir, wie die Völker Schrumpfköpfe hergestellt haben. Schöner Einstieg.

Dem getöteten Feind wurde der Kopf abgetrennt und die Knochen herausgezogen, sodass nur die Hülle blieb. Die wurde dann eingelegt in Kräutersud und mit heißen Steinen gefüllt, die die Haut getrocknet und so auch zusammengeschrumpft haben. Die Köpfe wurden um den Hals getragen, als Trophäe über den Feind und als Abschreckung. Es ist auch einer ausgestellt… sieht irgendwie unecht aus… ist er aber nicht:

Wie ich bereits weiß gibt es in der Tierwelt des Regenwaldes nichts, was es nicht gibt. Tatsächlich habe ich von dem folgenden Tier auch schon gehört, aber es bleibt trotzdem eine irre Geschichte: Es gibt im Amazonas und seinen Ausläufern einen Fisch, der in den Urintrakt hinaufschwimmt und in der menschlichen Blase stecken bleibt, vorzugsweise bei Männern. Umgangssprachlich „Penisfisch“ genannt. Den Schmerz will man sich echt nicht vorstellen. Kann Frauen natürlich genauso passieren. Ist aber ziemlich selten. Der König des Waldes ist der Jaguar, klar. Er hat den kräftigsten Biss von allen Raubkatzen, kann auf Bäume klettern und durchs Wasser schwimmen, sieht bei Tag und Nacht – er ist das ultimative Raubtier – Aber vergessen wir nicht die Königin des Waldes, die in den Sümpfen und im Fluss lauert, bis zu acht Metern lang wird und eine Kuh in einem Stück fressen kann: Die Anaconda, die größte Schlange der Welt. Mann, hätte ich die gerne gesehen! Aber was nicht sein soll, soll nicht sein.

Als nächstes gehen wir in ein Haus, dass die indigene Gesellschaft hier innerhalb von drei Tagen für den Tourismus errichtet hat. Stramme Leistung, dafür, dass es so groß ist. Der Guide erklärt, hier können theoretisch vier Familien leben, jede in ihrer Ecke. Das Haus sinkt zur Mitte hin leicht ab, sodass, falls es doch mal reinregnet, das Wasser dorthin und dann nach draußen abläuft. Hier sind noch ein paar Ausstellungsstücke, die typische Kleidung… also nichts, außer einer Schnur um die Hüfte, die den Penis hält, ansonsten war man nackt. Frauen hatten noch etwas für die Brüste, ist aber nicht ausgestellt. Daneben sind Blasrohre, mit denen Giftpfeile geschossen wurden, entweder auf Tiere (Pflanzengift, dass die Nerven lähmt) oder auf Feinde (giftiges Gift). Außerdem sehen wir noch einen Speer, zweiseitig, einen für die normale Jagd und auf der anderen Seite sehen wir Widerhaken im Holz eingeschnitzt… für den Feind.

Danach sehen wir eine typische Begräbnisstätte für den Häuptling. Der Tote wurde mit gekreuzten Beinen in einen großen Tonkrug gesetzt, um ihn herum alle seine Utensilien und Wertsachen, die er für seine Wiedergeburt vielleicht noch brauchen kann. Dazu zählt im Übrigen auch seine Frau. Frauen wurden sonst schlichtweg in der Erde begraben, ohne Ritual, ohne Beigaben. Für die Frau des Häuptlings war es eine Ehre, Teil dieses Begräbnisses zu sein… nur wurde sie für gewöhnlich lebendig begraben und auch ohne Gefäß, sie war eine Grabbeigabe, wie alle anderen Sachen auch… kommt somit auch nicht wirklich im Leben nach dem Tod an. Kulturen sind so unterschiedlich, aber die Unterdrückung und Abwertung von Frauen haben alle gemeinsam. Und hat man noch die Grausamkeit, den Frauen einzureden, dass DAS eine Ehre wäre.

Man findet auch viele Muscheln im Grab, die zu der Zeit als eine Art Geld verwendet wurden. Der europäische Bruder dazu war übrigens Salz (also bevor es Geldmünzen gab). Deshalb gibt es heute einen „salary“ oder einen „salario“ (Monatsgehalt). Woher das deutsche „Gehalt“ dann kommt? Vom „Salzgehalt“? 😀 Keine Ahnung, aber ich freu mich, wenn’s mir einer von euch erklären kann.

Das war’s dann auch mit den komischen Sachen, ab jetzt sprechen wir über den Längengrad 0, der genau hier entlang verläuft. In den 1780er Jahren sind die Franzosen fast zufällig auf diesen Punkt gestoßen, als sie die Fläche des Landes vermessen haben, also den alten.

Der Guide verwendet den schönen Satz, die Erde ist nicht rund, sondern gleicht eher einer Kartoffel. Deshalb gibt es hier in Ecuador einen Vulkan, der ein bisschen höher ist als der Mount Everest, vom Erdkern aus betrachtet. Warum ausgerechnet Ecuador zum Mittelpunkt der Welt gekürt wurde, hat vor allem Marketing technische Gründe… und weil viele andere Punkte schlichtweg im Wasser liegen.

Der Tag hat hier exakt 12 Stunden. Sonnenaufgang ist um Punkt 6 Uhr, Sonnenuntergang um Punkt 18 Uhr, das ganze Jahr über. Es gibt auch keine Jahreszeiten, das Klima bleibt gleich. Wir machen ein paar coole Versuche, die die Gravitation an diesem Ort veranschaulichen. Dafür holt der Guide ein Waschbecken hervor, legt ein paar Blätter ein und schüttet dann einen Eimer Wasser ein, damit wir sehen, wie das Wasser abfließt und in welche Richtung es sich dreht. Wir gehen zuerst auf die Nordseite, der Guide schüttet das Wasser ein und der Strahl dreht sich gegen den Uhrzeigersinn. Wir gehen zwei Schritte zurück auf die Südseite, der Guide schüttet und der Strahl dreht sich tatsächlich im Uhrzeigersinn. Wir stellen das Waschbecken direkt auf die Linie… und das Wasser fällt exakt hindurch, keine Drehung. Es ist ein banaler Versuch, der die physikalischen Kräfte, die die großen Windströme, Stürme und Wasserbewegungen der Erde  hier nur ganz grob erklären, aber wir sind begeistert. Was für ein besonderer Ort. Außerdem kann man hier Sternkonstellationen von beiden Erdhalbkugeln beobachten.

Klar ist auch wieder Zeit für Fotos. Der Grund für meinen dummen Gesichtsausdruck ist, dass ich ein Wort auf Quichua sagen sollte, das mir nur so halb über die Lippen kam:

Es gibt hier auch keine Tornados, weil die Wirbelstürme sich entweder im oder gegen den Uhrzeigersinn drehen… gibt’s hier nicht. Der Guide erklärt auch, man kann sich einen Schwimmer vorstellen, der das Wasser zu beiden Seiten schiebt und auf der Mitte aber keine Bewegung hat.

Zwei Mal im Jahr, kommt es hier zu einem Equinox-Punkt, wenn die Sonne exakt in der Mitte steht und sämtlicher Schatten verschwindet. Das ist einmal im September und einmal im März, die Monate, die sich auf meinem Andenkreuz oben und unten gegenüberstehen. Im restlichen Jahr steht die Sonne immer etwas nördlich oder eben etwas südlich. Die Menschen, die hier gelebt haben (Quichua – NICHT Quechua), wussten seit jeher, dass sie am Mittelpunkt leben, wegen genau diesen Bedingungen. Allerdings noch nicht mit den 12 Monaten des gregorianischen Kalenders, sondern mit vier Quadranten des Jahres.

Quitu auf Quichua, der Sprache der Einheimischen, bedeutet „Die Mitte von allem“ … weil sie es wussten. Erst mit den Incas wurde Quitu zu Quito.

Die Linie hier zieht sich übrigens auch über die Galapagosinseln, einmal rund um den Globus. Da der Tag nicht exakt 24 Stunden hat sondern knapp weniger, wird diese verlorene Zeit alle vier Jahre aufeinander gerechnet… wodurch es zu einem Schaltjahr kommt.

Wir machen noch einen Versuch… dessen Grund ich nicht exakt verstehe, hat aber auch was mit der Gravitation zu tun.

Direkt auf der Linie ist eine Art Säule aufgestellt, mit einem Nagel oben drauf. Unsere Herausforderung ist es, auf diesem Nagel, direkt über dem Mittelgrad der Erde… ein Ei zu platzieren, dass es nicht umfällt. Ja, das ist hier möglich… ich hab’s nämlich geschafft.

Man muss das Ei mit ganz viel Feingefühl bewegen, aber man spürt tatsächlich, wenn es kippt, wo man nachjustieren muss, bis es eben steht.

Für diese stramme Leistung, bekomme ich ein Zertifikat vom Museum, als Ei-Meisterin! Stolz wie Oskar stecke ich es ein. Das bekommt einen Ehrenplatz!

Das ist dann auch das Ende der Führung. Tolles Museum, echt!

Nach dem Museum fahren wir zurück zum Hostel. Ich beschließe, mich aufzuraffen und am Nachmittag an der Free Walking Tour teilzunehmen. Also kaufe ich schnell ein, koche und komme gerade rechtzeitig zum Anfang der Tour, die gleich im Hostel auf der Dachterrasse startet.

Die ist aber ein bisschen anders, es geht mehr um Kultur, als um Geschichte. Erster Stopp ist der Markt, wo wir verschiedene Früchte probieren, unter anderem auch Drachenfrucht. Die hab ich einmal in Deutschland gegessen und entschieden, das ist nichts für mich. Tja, liegt daran, dass importierte Ware einfach nicht dasselbe ist. Hier, frisch auf dem Markt, beiße ich in die Frucht und bin so begeistert, dass ich gleich zwei kaufe.

Wir sprechen auch über Kräuter und über die Bedeutung, Heilwirkung bzw., dass die verschiedenen Kräuter für verschiedene Reinigungsrituale verwendet werden. Man reinigt den Kopf, die Brust/Das Herz, den Magen, die Hände und die Beine von schlechter Energie.

Eine von Ecuadors größten Exportgütern sind Blumen, vor allem Rosen. Hier bekommt man die irre günstig, während man anderswo ein kleines Vermögen für einen Strauß Rosen hinlegt. Die sehen aber auch wirklich toll aus… vor allem die blauen finde ich cool, erfahre aber nicht, wie sie die blau kriegen.

Danach laufen wir in die Stadt, sprechen über einige Kirchen, Plazas… merkt man, dass ich bei der Tour keine Lust hatte, mir Notizen zu machen?

Wir gehen in ein Tourismusgeschäft, wo wir über die Tradition der Erntefeiern sprechen. Typisch ist vor allem eine Art „Teufelsmaske“, die zwei Gesichter hat, die die Dualität von allem repräsentiert: Tag/Nacht, Mann/Frau, Saat/Ernte usw. Dann wird getanzt, gefeiert… so wie auch hier jetzt in dem Laden, wir kriegen Masken, stellen uns im Kreis, die Musik ertönt und wir beginnen zu tanzen. Das ist ganz lustig… vor allem unter so einer Maske. Natürlich hatte ich die auf!!

Dann geht es in ein Restaurant, wo wir ein traditionelles Zimtgetränk probieren dürfen… erst ohne, dann mit Schuss, beides sehr lecker, Name hab ich vergessen. Das Restaurant empfiehlt unsere Führerin, ist ein traditionell ecuadorianisches Bio-Restaurant. Dann geht es noch in ein Hotel, wo wir eine Präsentation vom Kakao bekommen, sowie eine kleine Verkostung. Das kenne ich ja schon von der Finca, aber die Verkostung ist natürlich wieder super!

Die Tour endet auf einem der Hauptplätze, wir bedanken uns und jeder geht seiner Wege.

Ich gucke noch kurz in die Kirche dahinter und verschwinde dann wieder ins Hostel zu einer kurzen Pause. Zu Abend esse ich in dem Restaurant, das sie uns empfohlen hat, was wirklich köstlich schmeckt. Dann passiert nicht mehr viel. War ja auch wieder genug.

Am nächsten Tag schlafe ich aus, dusche nochmal, checke dann aus und setze mich zum Schreiben auf die Dachterrasse. Einmal raffe ich mich noch auf und gehe zu der großen, schönen Kathedrale, die wir in der Tour ausgelassen haben. Als ich davor stehe, habe ich das Gefühl, vorm Kölner Dom zu stehen… es ist echt Wahnsinn.

Auch innen drin ist der Anblick beeindruckend. Den Turm spar ich mir, die gute Aussicht habe ich vom Hostel aus auch.

Mir fällt auf, dass die Wasserspeier draußen, für gewöhnlich in Tier/Dämonengestalt hier anders sind, angepasst an die regionale Tierwelt hier. Man muss ein bisschen genau hinschauen, sorry, aber ich hab einen Tapir erkannt, ein Gürteltier, einen einheimischen Vogel…

Ich treffe einen … Asiaten, keine Ahnung, woher genau, der mich um ein Foto bittet. So weit so normal, ist nicht das erste Mal. Wir machen ein Foto, er will noch eins, noch eins, da legt er die Arme um mich… okay, dann will er noch eins, da haue ich die Bremse rein und gehe wortlos weg. Komm schon, Mann, man reicht dir einen Finger…

Zurück im Hostel erfahre ich, dass ich mir die Taxikosten teilen kann, es fährt noch jemand mit zum Flughafen. Kurz darauf sitzen wir auch schon im Taxi. Ich lerne Lily kenne, eine Kolumbianerin, die mich über meine Reise ausfragt und mir tolle Tipps für Kolumbien gibt. Wir haben sogar den gleichen Flieger.

Als ich einchecken will, wird von mir ein Zusatzbetrag verlangt. Ich traue meinen Ohren nicht, als ich höre, dass der Check-In am Flughafen nicht im Ticketpreis inbegriffen ist. Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen. Die spinnen doch die Fluggesellschaften?! Ich zahle ein Hotel, aber den Rezeptionisten muss ich extra bezahlen?! Ja. Man kann bis drei Stunden vorher kostenlos online einchecken, aber der Check-In hier kostet. Die Dreistigkeit der Fluggesellschaften ist absolut bodenlos. Aber gut, wieder was gelernt, wieder schärfere Augen bekommen, dafür 20 Dollar leichter, was hier ungefähr zwei Hostelnächten entspricht.

Ich finde Lily wieder und wir unterhalten uns noch, dann geht der Flug nach Bogota. Oh, warum ich über die Grenze fliege? Mehrere Quellen, darunter einige Einheimische haben mir wärmstens ans Herz gelegt, die Grenze NICHT über dem Landweg zu überqueren, weil es dort heftige Probleme mit Drogendealern, Diebstahl und anderen Kriminalitäten gibt. Ein Reisender hat mir erzählt, er hat das nicht gewusst und wurde dann von zwei Sicherheitsleuten über die Grenze eskortiert. Das muss ich nicht wirklich riskieren, da gönne ich mir den Flug.

Acht Tage sind wirklich viel zu kurz für dieses kleine, aber wunderschöne Land. Quito ist zwar nicht meine Stadt, aber gerade Cuenca und Baños waren echt toll und ich war ja noch nichtmal in der Küstenregion. Das Land hat mich so überrascht, dass ich richtig Lust auf mehr bekommen habe. Aber jetzt geht es erstmal weiter… in mein letztes Land auf dem südamerikanischen Kontinent: Kolumbien.

Liebste Grüße,

Eure Jana

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