Liebste Leser*innen,
Am nächsten Tag wache ich auf und spüre wieder das vertraute Schwächegefühl. Ich lasse es langsam angehen, frühstücke leckere Pancakes und schaue ich erst nach, was man hier alles so machen kann.

Eine Wanderung sticht hervor, das MUSS, das alle machen und das ich auch wahnsinnig gern machen würde: Die Vulkanwanderung zu El Fuego, einem sehr aktiven Vulkan, der fast stündlich Lavaeruptionen hat und man das sprühende Feuer in der Nacht beobachten kann. Ist natürlich wieder nicht ganz günstig, aber ich würde es wirklich gerne machen… das Problem ist eher, dass die Wanderung mal wieder ganz schön anspruchsvoll ist und man zwei Tage lang wandert. Außerdem geht es auf fast 4000 Meter hoch und dort ist es sehr kalt, ich muss viel Gepäck mitnehmen.
Ich bezweifle, dass ich das im Moment schaffe. Wandern war ich schon länger nicht mehr, auf solchen Höhen auch nicht und wenn ich Kälte schon höre, hab ich keine Lust drauf… aber echte, spritzende Vulkanlava zu sehen… das würde ich schon gerne. Ich beschließe, die Entscheidung aufzuheben und erst Mal die Stadt anzuschauen. Antigua Guatemala ist deutlich touristischer als Guatemala City, die Hauptstadt des Landes. Antigua bedeutet „antik/alt“ und das trifft es gut. Autos können auf den gepflasterten Gassen nur ganz langsam fahren, alles sieht aus, als wäre man 300 Jahre in der Zeit zurückgereist. Ich schaffe es endlich mal, die ikonischen Chickenbuses vernünftig zu fotografieren.









Antigua hat viele grüne Parks und man kann viel Zeit damit verbringen, durch die kleinen Gassen zu schlendern und in die Läden zu schauen. Google zeichnet mir einen alten Torbogen als Sehenswürdigkeit an, also spaziere ich dort vorbei.




Dann kaufe ich mir geschnittene Mango-Streifen und setze mich an einen Brunnen vor der Kirche. Während ich mich ausruhe, sehe ich, wie ein Sarg in die Kirche gebracht wird, begleitet von einer großen Trauergemeinde. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie berührt mich die Szene, ich beobachte es eine ganze Weile, bis die Türen zugehen. Erst dann gehe ich wieder meiner Wege, in Gedanken versunken.
Am späten Nachmittag macht mich die Suche nach einem Supermarkt fast wahnsinnig. Ich erinnere mich, irgendwo an einem Vorbeigelaufen zu sein, aber jetzt finde ich nur wieder diese kleinen Kioske mit den Süßigkeiten. Am Ende gehe ich doch noch auf den 15 min entfernten Gemüsemarkt, den ich mir eigentlich nicht antun wollte. Aber dort kriege ich endlich wieder alles, so wie ich es kenne, bei mehreren Gemüsefrauen. Völlig kaputt komme ich zuhause an und muss mich erstmal hinlegen. Ich bin immer noch hin und her gerissen, weil ich so gerne die Wanderung machen würde, aber mein Körper mir deutlich sagt, dass das gar nicht geht. Wenn mich ein kleiner Stadtspaziergang schon ausknockt, wie soll ich fünf Stunden in die Extreme wandern können?
Ich beschließe noch einen Tag länger in Antigua zu bleiben. Die Stadt ist nett, das Klima ist super angenehm, es gibt schlechtere Orte, um einen Zwischenstopp einzulegen. Ich koche noch etwas und beende den Tag dann früh.
Den nächsten Tag verlasse ich das Hostel nur, um ein paar kleine Einkäufe zu machen, den Rest verbringe ich fast durchgehend im Bett mit irgendwelchen Filmen und Serien. Ich fühle mich schwach, krank, wahrscheinlich bahnt sich auch eine Erkältung an und lustlos. Gleichzeitig bin ich immer wieder hin- und hergerissen, weil es hier so viele Sachen zu machen gibt, aber alles viel Geld kostet und momentan eh zu anstrengend ist.
Es tritt genau die Situation ein, die ich anderen Reisenden immer predige. Wenn der Körper eine Pause braucht, dann muss man Pause machen und wenn man eine Woche nur im Bett liegt und Netflix guckt, dann ist das halt so. Reisen ist auf so vielen Ebenen irre anstrengend und oft bemerkt man erst zu spät, dass man es übertrieben hat. Ich war seit Ecuador an keinem Ort mehr länger als zwei Tage (Ausnahme Valle de la Cocora, da waren es drei), immer in Bewegung, immer in Habacht gegen die Taxi-Bus-Mafia, mir fällt gar nicht mehr auf, wenn ich eine Ländergrenze überquere und immer den Geldbeutel im Hinterkopf.
Trotzdem geistert mir immer noch die Wanderung zu El Fuego im Kopf herum und es fällt mir nicht leicht, nach endlosem Grübeln die Entscheidung zu treffen, es nicht zu machen. Und es ist rückblickend eines der wenigen Dinge, die ich bereue, nicht gemacht zu haben auf meiner Reise. Nur sporadisch durch Panama und Costa Rica zu reisen war okay, auch Ecuador und Kolumbien nur anzukratzen… aber dass ich diese Vulkanwanderung nicht machen konnte, setzt mir noch einen kleinen Stachel ins Herz. Aber es war die einzig richtige Entscheidung. Am Tag nach danach ist die Erkältung nämlich auch da, ich verlängere meinen Aufenthalt auch ohne Wanderung noch um eine Nacht, um mir noch mehr Ruhe zu gönnen.
Das Einzige, was ich noch mache, ist zu einer nahegelegenen Klosterruine zu gehen, die von diversen Erdbeben erschüttert wurde. Für einen kleinen Eintritt kann man frei auf dem Geländer herumspazieren, das ist sehr schön:












Ich setze mich eine Weile, lese ein bissschen, wandere umher. Als es regnet, stelle ich mich unter einen alten Torbogen und bleibe knapp verschont. Aber lange bleibe ich nicht mehr, gehe nochmal einkaufen und dann wieder zurück ins Hostel, wieder versinke ich in meinem bequemen Bett, dessen Vorhang und Stromzufuhr und WLAN-Signal ich SEHR zu schätzen weiß.
Mein nächstes Ziel nach Antigua wird der Ort Flores. Mal wieder holt mich mein Shuttle mitten in der Nacht ab und wir fahren bis zum späten Nachmittag einmal quer durch Guatemala. Flores ist aufgeteilt auf ein „Festland“ und auf eine kleine Insel in einem sehr großen See. Das ist die Altstadt und dort sind auch die ganzen Touristen. Mein Hostel ist gleich um die Ecke. Es ist ziemlich heiß, auch die Luftfeuchtigkeit ist wieder hoch, glücklicherweise wird mein Zimmer über Nacht klimatisiert. Ich gehe über die Brücke in die Altstadt zum Supermarkt, ich bin ziemlich hungrig und durstig. Kurz zuvor werde ich jedoch auf einen Verkaufsstand aufmerksam, der T-Shirts verkauft. Ich hab noch kein Guatemala-T-Shirt und wenn ich das Land übermorgen schon wieder verlassen will, muss ich mich sputen. Ich finde tatsächlich ein schönes und greife zu.
Am Abend sitze ich in meinem Zimmer und werde plötzlich von einem Mitbewohner desselben Zimmers angesprochen. Erst bin ich ein bisschen verschlossen und will eher für mich sein, aber er und sein Mitreisender sind ziemlich nett, der andere außerdem auch Deutscher. Gerit, ich meine, er kommt aus dem Ruhrpott ist sehr redselig und ich stelle schnell fest, dass er Geisteswissenschaften studiert hat, Philosophie um genau zu sein. Wir kommen sehr schnell in sehr tiefe Themen und es macht richtig Spaß, mal wieder durchs Universum zu philosophieren. Wir verbringen viel Zeit, während wir im Hostel sind und nutzen die Gelegenheit, uns auszutauschen.
Das Hostel hat eine Dachterrasse, dort essen/trinken/ philosophieren wir. Als wir aufs Essen zu sprechen kommen, versuchen wir unserem kanadischen Kollegen zu erklären, wie man ein Schnitzel macht. Gerits Englisch ist nur so mittelgut und irgendwann fällt das Wort „Panadestraße“, das er einfach auf Deutsch sagt. Ich muss lachen. In diesem Moment kann ich mir keinen besseren Begriff vorstellen um Deutschland zu beschreiben. Gerit erklärt, wie es funktioniert, der Kanadier schüttelt den Kopf und ich vermisse die Heimat, aber auf eine gute Art.
Ich verabschiede mich bald ins Bett, meine Tour startet mal wieder um vier Uhr früh.
Liebste Grüße
Eure Jana
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