Hallo meine Lieben,
Der Bus ist diesmal recht unbequem, ständig wird es laut und hell, ich schlafe kaum. Früh um fünf komme ich in Pleiku an auf einer noch dunklen Busstation, der Morgen beginnt langsam anzubrechen. Es ist noch zu früh, um zu meinem Volontariat zu fahren, sodass ich mich kurzerhand in einen kleinen Imbiss setze und todesmüde einen Kaffee bestelle. Das war das ekligste Getränk, das ich seit langem zu mir genommen hab. Ich trinke ja sonst echt alles, aber das schmeckt nach einer Mischung aus Lakritz und Batteriesäure, bitter, schleimig, ganz komischer Nachgeschmack. Ich trinke zwei Schlucke, dann lasse ich es sein.
Kurz vor sieben gehe ich zu den Taxifahrern, erkläre ihnen, wohin ich muss und bin dann auf dem Weg. Wir fahren erst ein paar Hauptstraßen entlang, raus aus der Stadt, dann führt eine Dreckstraßen rechts steil nach unten und wir kommen in einem schlammig-grasigen Untergrund. Ich halte mir schon die Hände vor die Augen, aber der Fahrer kommt recht gut durch. Irgendwann stoppe ich ihn und erkläre, den Rest finde ich alleine. Er ist froh, nicht den ganzen Rest fahren zu müssen, ich bezahle und spaziere dann durch die Bäume der Plantage. Dahinter finde ich ein Häuschen mit einem großen Hof, auf dem Planen verteilt liegen. Der frische Morgentau steht in der Luft, alles ist grün, die Vögel zwitschern und die Sonne glitzert über die feuchten Bäume. Auf dem grauen Häuschen steht „Moon’s Coffee “.
Als ich die Terrasse betrete kommen mir fünf kleine Hunde entgegengesprungen und kurz darauf öffnet sich die Tür und mir lächelt eine verschlafene, süße Vietnamesin zu: Thuy.











Mein drittes Volontariat auf einer nachhaltigen Kaffeefarm in Vietnam beginnt.
Thuy begrüßt mich freundlich und geleitet mich ins Haus und in das Zimmer, in dem die anderen Volontäre schlafen… die auch alle noch schlafen. Ich versuche so leise wie möglich zu sein, gehe dann erstmal ins Bad, um mich nach der langen Busfahrt frisch zu machen. Danach sind schon die ersten Volontäre wach und begrüßen mich. Ich hab vergessen, wie der Typ aus Norwegen hieß, Schande über mich. Aber er war auch nur die ersten drei Tage oder so noch da. Jere(mias) und Lisa sind ein Paar aus Deutschland, die mir auf Anhieb sympathisch sind. Die Morgenroutine ist in vollem Gange und ich versuche mich, irgendwo dazwischen einzufügen. Beim Frühstück gelingt es dann. Frühstück heißt… nicht direkt, was man im Westen unter Frühstück versteht, aber sehr typisch vietnamesisch: Reis, gebratenes Gemüse, Nudelsuppe, Soja und Chilisauce. Jeder hat eine kleine Schale vor sich, die er/sie immer mit allem beliebigen nachfüllen kann. Gegessen wird natürlich mit Stäbchen. Hier lerne ich es endlich vernünftig… aber jedes asiatische Land hat andere Haltungen, es gibt kein richtig oder falsch! Wichtig ist, dass das Essen am Ende im Mund landet und man satt ist. Das klappt. Und schmecken tut es auch. Essen kochen ist Teil der Arbeit und Volontäraufgabe. Am Frühstückstisch erklärt man mir ein bisschen die Routine und ich erfahre mehr über meine Kollegen.
Jere und Lisa sind nach der Schule/ während des Studiums zu einer Low-Budget-Reise durch Südostasien aufgebrochen. Sie waren lange Zeit in Nepal, das war auch ihr Lieblingsland so weit. Gut für mich, weil ich da auch noch hinwill, so hab ich eine Quelle. Der Norweger (Maxim?) ist in einem ähnlichen Alter, möchte sein Studium wechseln und findet in Jere einen eifrigen Gesprächspartner über Philosophie und Geisteswissenschaft. Ich höre den beiden gerne zu, erinnert mich an meine Studienzeiten und die Diskussionen über die Tiefen des Lebens, Wahrheit und Gerechtigkeit, Sein oder Nicht-Sein.
Und mit Lisa finde ich eine tolle neue Mädelsfreundschaft, was über einen längeren Zeitraum einfach toll ist.
Thuy, unsere Gastgeberin ist eine fantastische Frau. Sie wirkt klein und schmächtig, aber sie hat die Farm ihrer Eltern eigenständig übernommen, renoviert und leitet den Laden jetzt komplett alleine, nur mithilfe der Volontäre. Sie hat vor kurzem ein kleines Café in der Stadt eröffnet, wo sie ihren eigenen Kaffee verkauft. Sie strahlt wie eine Sonne, ist immer fröhlich, voller Energie und es ist ihr ein großes Anliegen, mit ihrem Tun die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Jeden Sonntag organisiert sie eine kleine Zusammenkunft in ihrem Café mit den Volontären und lokalen Leuten, die die Gelegenheit nutzen, um Englisch zu sprechen. Englisch ist hier noch keine Selbstverständlichkeit, vor allem, sobald man die Touristenorte verlässt. Viele Leute haben keine Möglichkeit, sich nach dem basischem Schulenglisch weiterzubilden. Ich höre Thuy fasziniert zu, wie sie das alles aufgebaut hat… ihre Familie hat ihr das alles nicht zugetraut, hätte auch lieber, sie wäre verheiratet und hätte schon ein paar Kinder… aber Thuy hat ihr Baby: Die Farm! Und da lässt sie sich von niemandem reinreden.
Nach dem Frühstück bietet mir Thuy an paar alte Arbeitsklamotten an, die ich freundlich ablehne, ich habe meine Arbeitsmontur. Meine erste Aufgabe ist draußen im Garten, wo die Kaffeebohnen trocknen. Zwei Mal täglich wird das komplette Feld gerecht, um die Bohnen von verschiedenen Seiten zu trocknen. Die Aufgabe nehme ich gerne an… es ist so meditativ die Bohnen zu rechen, wie ein Zengarten. Das mache ich meine ganze Zeit über freiwillig, tolle Arbeit.

Und dann muss ich zugeben, dass ich mir absolut keine Notizen gemacht habe und das ganze schon Monate her ist. Ich kann euch nur noch grob berichten, was alles so passiert ist. Ärgert mich selbst, aber um mein eigenes Wohl und das meiner Reise, musste ich das Schreiben einfach zurückstellen.
Die tägliche Routine war folgende: Früh um sieben stehen wir auf, einer macht Frühstück, die anderen füttern die Hunde/Hühner, jemand anderes schneidet Gras für die Kühe. Dann essen wir Frühstück, danach werden die Kaffeebohnen gerecht und normalerweise starten wir dann auch mit dem Picken der Kaffeefrüchte, weil ich genau zum Anfang der Erntesaison angekommen bin. Falls nichts anderes zu tun ist, Extraarbeiten kommen immer mal dazwischen. Gegen 12 gibt es Mittagessen, das wieder einer von uns gekocht hat, dann ist kurz Pause und nachmittags wird nur noch gepickt, bis es Zeit fürs Abendessen wird. Die Tage sind lang, wir arbeiten sehr viel, oft kommen unerwartete Regengüsse, in denen wir alles stehen und liegen lassen, um so schnell wie möglich die trocknenden Kaffeebohnen in Sicherheit bringen.
Gleich in den ersten Tagen verarbeiten wir ein paar Säcke der Kaffeefrüchte im Honigprozess. Was heißt das genau? – Die Maschine dafür hatte ich in Kolumbien schon gesehen. Man füllt oben die Kaffeefrüchte ein, die werden dann in der Maschine zerquetscht und die Schalen von den Bohnen getrennt. Die Maschine wird die ganze Zeit mit Wasser durchgespült. Die Bohnen sind kleben in einer honig-/marmeladeartigen Form zusammen und werden so in Säcke gefüllt. Die Schalen fallen auf einen Abfallhaufen, wo sie später als Dünger wieder verwendet werden. Wir stecken einen Plastiksack in den normalen Sack, füllen unsere Honigbohnen ein und verschließen den Sack. So steht er ein paar Tage und fermentiert, bevor wir die Bohnen im Trockengarten auslegen.
Der Umfüllprozess wird eine ganz schöne Sauerei, ich bin von oben bis unten nass und habe riesige Kaffeefruchtflecken auf der Kleidung, die meine Hose nie wieder verlassen. Danach nehme ich Thuys Arbeitsklamotten nur zu gerne an, bis auf das Werbe T-Shirt vom Ha Giang-Loop, das will ich eh loswerden.
Der zweite Prozess ist der natürliche Prozess. Dabei pflücken wir die Kaffeekirschen, sortieren sie, wiegen sie, waschen sie, füllen sie in den Sack, lassen sie für zwei/drei Tage und legen sie dann im Trockengarten aus, keine weitere Verarbeitung. So zieht das komplette Aroma der Kirsche in den Kaffee ein. Thuy kauft auch Kaffee von umliegenden kleineren Farmern auf, nutzt deren Maschinen und Equipment, um die Region zu stärken. Das meiste wird allerdings nicht als Trinkkaffee genutzt, sondern an Pharma-Konzerne verkauft, die den Kaffee für ihre Produkte verwenden. Wie genau, keine Ahnung.
Ich bin von der ersten Sekunde an voll dabei! Gleich nach dem Vormittag koche ich zum ersten Mal Mittagessen, mir wird der Reiskocher fix erklärt und dann heißt es: einfach irgendwas! Es gibt immer frisches Gemüse, das ich nutzen kann und auch die Küche ist recht einfach zu bedienen… also improvisiere ich irgendetwas zusammen. Das einzige, was mich zunächst Überwindung kostet: Es gibt viel Aubergine… mein Hassgemüse… Aubergine und Spinat. Aber mir bleibt keine Wahl, es gibt eben was es gibt, also gewöhne ich mich dran… und siehe da: Nach ein paar Tagen greife ich gerne nach dem Auberginen-Matsch, den es jeden Tag zum Reis gibt. Wir sind Gewohnheitstiere, aber es gibt keine Gewohnheit, die nicht aufgebrochen werden kann.
Weiter geht’s im nächsten Artikel!
Liebste Grüße,
Eure Jana
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