Liebste Leserinnen und Leser!

Ich schlafe gut und bin am nächsten Tag nochmal mit Marie verabredet. Zuerst aber genieße ich ein gutes Frühstück aus Pfannkuchen und frischer Melone. Hab sogar noch ein Foto gefunden:

Marie ist noch kurz bei mir, zieht dann aber in eine andere Unterkunft um und wir treffen uns gegen Mittag wieder. Auch ich checke aus, aber später als sie, weil ich über Nacht schon weiterfahre. Als erstes gehen wir gemeinsam nochmal in meine Mini-Klinik vom Tag zuvor und wir lassen meinen Zeh nochmal angucken. Marie sieht sich auch in der altwirkenden Praxis um und ist leicht skeptisch, aber die medizinische Versorgung nickt sie auch als okay ab. Mein Zeh wird neu eingebunden und dann endgültig entlassen.

Wir fahren noch ein Stück weiter mit dem TukTuk in die Nähe von ein paar Märkten. Wir kommen an einer Bäckerei vorbei, deren Gebäck und Kuchen so lecker aussehen, dass wir spontan zuschlagen. Schokobrötchen und Fruchtfüllungen. Wir verlassen den Laden und bemerken beim Anblick des Hauses gegenüber, das auch hier Gegensätze direkt aufeinander sitzen: Das moderne Glasgebäude im Hintergrund und das halb verfaulte Wohnhaus im Vordergrund… Es gelingt Phnom Penh doch nicht immer, seine Vergangenheit und seine finanzielle Lage zu kaschieren:

Wir setzen uns in ein Café, bestellen kalte Smoothies und lassen uns unseren Einkauf schmecken. Was in Deutschland unhöflich wäre, ist hier absolut normal. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt und die Zeit vergeht wie im Flug. Danach schaffen wir es doch noch zu den Märkten. Einer davon ist in einer Halle, die ein bisschen was von der Grand Central Station in New York hat, aber nur das Gebäude.

Wir streifen umher, suchen nach einem Rucksack für Marie, verhandeln Preise… das geht zu zweit deutlich besser, man ist einfach ein Team und spielt die sich die Bälle zu. Dann hat Marie noch eine Idee, was sie noch brauchen könnte und ich entscheide spontan, das könnte ich auch kaufen. Wir gehen zu einer Frau, die ein Alltagsallerlei verkauft, unter anderem auch Taschenmesser – und wir fragen sie nach einem Pfefferspray. Sie verschwindet kurz und kommt kurz darauf wieder mit zwei kleinen Spraydosen. Man muss die Anfrage ein bisschen subtil stellen und das Fläschchen auch schnell verstecken, denn so legal ist das nicht. Aber nach all den Erfahrungen, die ich bis jetzt gemacht habe, fühlt sich das nach keiner schlechten Investition an. Wir bezahlen und gehen unserer Wege. Marie kennt sich hier etwas besser aus, sie zeigt mir noch die großen Märkte wo Gemüse, Fleisch, etc. verkauft werden, aber sie sind eigentlich nichts Neues, ist in Lateinamerika dasselbe. Und die Fischecke riecht wie immer am schlimmsten:

Marie und ich werden langsam träge. Wir verabreden uns nochmal für den Abend, da findet das Feuerwerk nochmal statt und da wir sonst eh nichts zu tun haben, warum nicht nochmal?

Ich habe zuvor noch etwas anderes vor, Marie hat das schon gemacht: In Phnomh Penh gibt es eine berühmte Tempelanlage, Wat Langka, die mehrmals am Tag eine kostenlose, einstündige Meditation für Touristen anbietet. Darauf habe ich große Lust! Gegen 17:30 Uhr will ich mich auf den Weg machen, als ich spontan eine nette Französin kennenlerne und sie (wie Marie mich gestern) ganz spontan einlade, mit zur Meditation zu kommen und danach habe ich noch eine Überraschung für sie (das Feuerwerk). Sie sagt freudig zu, zieht sich kurz um und gleich danach sitzen wir im TukTuk.

Manon ist gerade erst in Kambodscha angekommen und wird nachher im Süden eine Zeit lang für ein Freiwilligenprojekt arbeiten, ähnlich wie Marie, die übrigens ein Au Pair an einer Schule macht, nicht weit von Phnomh Penh.

Es beginnt leicht zu regnen, als wir an der Tempelanlage ankommen. Zuerst wissen wir nicht wirklich, wo es rein geht, später kommen noch ein paar Touristen und irgendwann finden wir heraus, dass man die Treppe hoch in den ersten Stock muss. Dort ist eine große Halle mit hohen Wänden, die sich nach oben hin in die typische Dachform biegen. Der Raum ist reich verziert, vorne steht ein geschmückter Altar, natürlich mit einem Buddha, davor sitzt ein orange gekleideter Mönch, der geduldig wartet, bis alle sich ein Kissen genommen und sich auf dem Boden niedergelassen haben. Er erklärt uns ein wenig den Ablauf und die Meditation. Dann spricht er ein Gebet in seiner Muttersprache (oder auf Pali? = Sakralsprache des Buddhismus, laut Wikipedia), wiederholt es mehrfach und die Meditation beginnt. Es wird still.

Meine Augen sind geschlossen, ich spüre den Raum, meinen Körper, meinen Atem. Natürlich ist Meditation eine Wissenschaft für sich und genau kenne ich mich auch (noch) nicht aus, aber ich lasse fokussiere mich einen Moment auf das, was meine Sinne wahrnehmen, bevor ich versuche, meine Gedanken in eine bestimmte Richtung zu leiten. Und tatsächlich verfalle ich auf meiner Reise durch meinen eigenen Geist in eine tiefe Konzentration.

Der Raum hat neben der großen Eingangstüre noch vier (oder sechs?) Seiteneingänge, sodass es sehr offen ist und man sehr viel von der Stadt mitbekommt. Das ist eigentlich suboptimal, weil es eine zu große Ablenkung darstellt, vor allem für Laien. Aber in diesem Fall war es großartig, denn der kleine Regen hat sich in einen großen Gewittersturm verwandelt. Der Wind pfeift mir durch die Haare, es regnet Sturzbäche, die aufs Dach hämmern und in den Wolken kracht und blitzt es. Es ist ein gewaltiges Gefühl, wie die Natur tobt, während ich im tiefsten Zen in einem Tempel in Kambodscha sitze und davon kaum etwas mitbekomme, außer das angenehme Gefühl des Windes, der die feuchtheiße Temperatur deutlich erträglicher macht.

Die Meditation dauert eigentlich eine Stunde, aber ich „wache wieder auf“ nach etwa zwanzig Minuten. Nach einem Blick zu Manon sehe ich, dass sie auch soweit wäre und wir müssen sowieso etwas früher los, um noch zum Feuerwerk zu kommen. Man kann jederzeit gehen, deshalb stehen wir leise auf und verlassen den Raum. Der Wolkenbruch ist in der Zwischenzeit auch schon weitergezogen und wir machen uns auf den Weg zum Mekong, wo wir Marie abholen (sie wohnt direkt daneben) und uns dann zum Ufer setzen. Einen Moment lang sind wir uns unsicher, ob es überhaupt ein Feuerwerk gibt, weil ja gerade eben noch die Welt untergegangen ist. Aber schon kurz darauf erleuchten die Farben wieder den Himmel und wir genießen das Spektakel. Manon, die es ja nicht wusste, freut sich riesig, das auch noch zu erleben. Unten im Fluss spielen Kinder… leider zwischen Plastikmüll und die Wasserqualität kann nicht gesund sein… Phnomh Penh ist eine beeindruckend moderne Stadt, der Kern verleiht den Eindruck von großem Reichtum. Aber Kambodscha ist nach seiner tragischen Geschichte ein unfassbar armes Land, das darf man bei dem vermeintlichen Glanz nicht vergessen.

Nach dem Feuerwerk suchen wir uns einen Platz zu essen. Wir laufen zu einem Restaurant, das aber scheinbar schon zu hat (heute hat einiges zu, wegen dem Unabhängigkeitstag). Am Ende gehen wir wieder zu Maries Unterkunft, die haben ein integriertes Restaurant. Beim Laufen macht sich mein verletzter Zeh bemerkbar, der nach dem „wenigen“ Laufen ganz schön wehtut. Außerdem hat sich der Verband so unangenehm gelöst, dass ich in kurzerhand einfach wegwerfe, aber oh… der Kontakt mit Sauerstoff in der noch frischen Wunde brennt ganz schön. Marie besteht darauf, dass ich mir schnell ein Desinfektionsmittel kaufe (ihre Mutter ist Ärztin), und die Wunder schön sauber halte. Ich hätte zwar eines in meinem Rucksack, aber da wir an einer Apotheke vorbeilaufen, hole ich mir schnell noch eins, ist sicher keine falsche Investition.

Wir essen, unterhalten uns wieder toll, dann bleiben wir noch eine Weile in Maries Zimmer, das ein paar echt coole Möbel und Schränke im lokalen Stil hat. Es wird spät und Manon und ich verabschieden uns von Marie und fahren wieder zurück ins Hostel. Dort verabschiede ich mich auch von Manon, weil ich gegen 23:30 Uhr für meinen Bus abgeholt werde. Ich packe noch ein bisschen um, lade mein Handy, entspanne mich und bald darauf kommt mein Abholservice. Natürlich schüttet es in dem Moment wieder. Der freundliche Mann hilft mir, alles ins TukTuk zu laden und wir fahren zur Agentur, wo der Bus abfahren wird. Ich werde nach drinnen geschickt, man gibt mir mein Ticket und bedeutet mir, wie viele andere auch, auf einem der umstehenden Kartonstapel zu sitzen und zu warten. Alle sind müde, der Bus hat ein bisschen Verspätung und wir sind froh, als er endlich einfährt. Um halb eins nachts geht es los.

Meinen ersten Nachtbus in Kambodscha finde ich vom Komfort fast noch besser als die in Vietnam. Während Vietnam eine Art Liegestuhl ist, ist es hier wirklich eine flache lange Fläche, in die ich super reinpasse und in der mein Rucksack auch gut Platz hat.

Wieder denke ich an Lateinamerika und die vielen Nachtstunden in halbsitzender Position… Folter im Vergleich…

 Ich sehe zu, dass mein offener Zeh sicher liegt und schließe dann die Augen. Natürlich bekommt man wieder nicht annähernd genug Schlaf, weil dafür viel zu viel Bewegung und Lärm im Bus ist, als bei den verschiedenen Stationen Leute aus- und zusteigen.

Gegen acht Uhr morgens komme ich in Krong Siem Reap an, der zweitgrößten Stadt von Kambodscha. Mein Hostel ist nicht weit entfernt, sodass ich die TukTuk-Fahrer freundlich abwehre. Die Hostelauswahl ist mal wieder endlos gewesen (in Asien ist die beste App übrigens „Agoda“ statt Booking und Hostelworld, wie ich von Marie gelernt habe) und meine „günstige“ Wahl war diesmal ein sehr großes, relativ modernes „Pauschalhostel“. Dort sind so viele Leute, dass alles sehr standardisiert und unpersönlich zugeht, was mir aber gar nicht unrecht ist, weil ich mal wieder richtig müde bin. In solchen Hostels sind Check-out und Check-in genau geregelt, man kommt nicht früher rein. Ich stelle also meine Sachen hab. Das Frühstück ist nicht inkludiert, aber auch nicht teuer, sodass ich mir zuerst Mal was zu essen hole, während ich überlege, was ich mit dem angebrochenen Tag anfange.

Liebste Grüße

Eure Jana

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