Liebe Leser*innen,
Die Reihe „Hundeleben“ ist der Bericht über die harte Realität von Tierauffangstationen in einem Entwicklungsland wie Thailand.
In Deutschland haben wir einen recht hohen Standard in den Tierheimen, ein funktionierendes Auffangsystem, sowie den Schlüssel zur Kontrolle der Vermehrung: Genug Geld zur Sterilisierung der Tiere. Anderswo sieht die Sache anders aus.
Seit ich Deutschland verlassen habe, haben mich Straßenhunde auf meiner Reise begleitet. Natürlich mal mehr und mal weniger, aber keines der Länder, in dem ich war, hatte nicht das Problem: Sie leben von Abfällen, vermehren sich unkontrolliert, verbreiten Krankheiten und sind eine große Plage für alle… vor allem für sich selbst.
Wie so oft ist das ein Zustand, für den die Menschheit verantwortlich ist, der aber zu überwältigend geworden ist, als dass sie es mit einfachen Maßnahmen lösen könnte. Und wenn ich ehrlich bin, mir sind auch viele Straßenhunde begegnet, die scheinbar ein recht gutes Leben führen… die Hunde, die ich in Thailand getroffen habe, gehören nicht dazu. Die Auffangstation war ihre letzte Chance.
Trotz der anstrengenden Zeit dort ist mir das Projekt ans Herz gewachsen. Immerhin war ich aktiv ein Teil davon, habe gesehen, was es für einen Unterschied macht und die Dankbarkeit der Hunde gespürt für die kleinste Art der Zuwendung. Deshalb möchte ich meinen bescheidenen Blog hier zum ersten Mal nutzen, um euch um eine kleine Spende zu bitte. Es ist eines von vier Projekten, bei denen ich höchst persönlich war und genau weiß, dass selbst ein paar kleine Euros eine riesige Unterstützung sind. Und bei so kleinen Projekten kann man auch sicher sein, dass das Geld genau dort ankommt, wo es gebraucht wird und nicht im gewaltigen Büroapparat einer großen Hilfsorganisation verschwindet.
Weihnachten steht vor der Tür. Ich schenke euch auch weiterhin meine Reisegeschichten, bis alles erzählt ist. Und wenn ihr könnt, dann schenkt einem der Projekte, bei dem ich war eine kleine Spende. Dieses Mal für Thai Street Paws Rescue – eine Oase für Hunde in einer Region, in der Hunde wenig bis nichts wert sind.
Das sind die Bankdetails und dann startet Teil 1 der Reihe „Hundeleben“:
(Achtung, die Überweisung geht nach Thailand!)
Paypal: paypal.me/thaistreetpawsrescue
https://wise.com/pay/me/tamaraj88
Mehr Details auf Instagram: thaistreetpaws_dogrescue
Dort gibt es für das Jahr 2025 übrigens auch Kalender für das Jahr 2025 mit süßen Hundebildern!
Vielen Dank für eure Zeit und noch viel größeren Dank, für eure Hilfe.
Wir starten wieder in meine Reisegeschichte, in der ich gerade frisch aus dem Bus gestiegen bin nach einer langen Fahrt quer durch Thailand bis in den Süden des Landes nach Songkhla.
Ich hab Hunger, deshalb google ich zuerst nach einem Restaurant. In der Nähe bekomme ich ein paar Ergebnisse in Thai, ich laufe ein bisschen umher, finde aber nicht wirklich etwas. Letztendlich trotte ich mit meinen sieben Sachen in Richtung Innenstadt, die nicht allzu weit entfernt ist. Mit zwei Rucksäcken und einer Gitarre trotzdem kein Spaß. Ich wollte meinen Füßen etwas Gutes tun, das geht diesmal auf Kosten meines Rückens. Mein Rucksack ist im Moment so voll mit Sachen plus die Gitarre, die zwar leicht ist, aber immer eine Seite mehr belastet als die andere, verkürzt sich meine maximale Schleppzeit von 40 auf 25 Minuten. Glücklicherweise werde ich in der Innenstadt schnell fündig und verschlinge ein leckeres Abendessen. Dann trotte ich zurück, in der Nähe war nämlich ein Supermarkt und ich will meine Vorräte auffüllen. In Tamaras Anzeige steht, es gibt eine Küche, also kann ich endlich wieder selber kochen!! Ich bin wirklich schon gespannt, wie es sein wird. Nach dem Einkauf, rufe ich ein Grab-Taxi und bin kurz darauf unterwegs zu Tamara. Wir fahren raus auf die Autobahn, in ein Industriegebiet, das ein bisschen uneinladend wirkt. Meine Fahrerin verfährt sich einmal kurz –verständlich –, dann lässt sie mich mitten im Nirgendwo zwischen zwei großen eingezäunten Hallen und vor einem Blechtor raus. Mir wird ein bisschen mulmig – das ist die richtige Adresse? Ich hoffe auf einen Fehler.
Schnell rufe ich Tamara an, um ihr zu sagen, dass ich da bin, kurz darauf bewegt sich das schwere Blechtor… Mist! Scheint doch richtig zu sein. Heraus kommt eine kleine, blonde Frau, so wie ich sie auf ihrem Profilbild auf WhatsApp gesehen habe. Sie wirkt abgekämpft, begrüßt mich, nimmt mir die Einkaufstasche ab und bittet mich herein. Danach müht sie sich ab, um das Tor zu schließen, fragt mich nebenbei, ob ich mich mit sowas auskenne. Ich verneine bedauernd, da kracht das Tor doch endlich zu.
Rein und raus kommen wird also ein Kraftakt!
Ich folge ihr durch ein weiteres Tor, im Schotter sind viele Pfützen, die ich versuche zu umgehen. Gleich darauf legen die Hunde los. In einem Käfig fängt es an zu bellen und kurz darauf fallen alle umliegenden ein. Das Geheul zieht sich bis weit nach hinten in die Dunkelheit in der sich Käfig an Käfig reiht… Mir war klar, dass so viele Hunde nicht frei herumlaufen können, trotzdem ist der erste Anblick ein bisschen traurig. Mit Käfig meine ich übrigens einen kleinen Freilauf, mit Maschendrahtzaun für meistens 2-6 Hunde, je nachdem, wie groß die Freiläufe sind. Die Hunde können sich ganz gut bewegen, haben Häuser, in denen sie vom Regen geschützt sind und wirken munter.




Zu meiner linken ist das Haus, davor ist ein großer Tisch mit allerlei Sachen und zwei lächelnden Gesichtern: Meine Volontär-Kollegen. Rechts von ihnen sind vier überdachte Freiläufe, aus denen es kräftig herausbellt. Die beiden stellen sich vor, aber ich verstehe kaum ein Wort. Dann folge ich Tamara nach drinnen, sie bittet mich – wie überall üblich – die Schuhe auszuziehen.
Das erste was mir entgegenschlägt ist ein Gestank, bei dem ich fast rückwärts wieder aus dem Haus getaumelt wäre. Ich bin ja viel gewöhnt, aber das ist heftiger als alles, was ich je gerochen habe.
Kurz danach hüpft mir auch schon ein Hund entgegen, der eine Wunde am Hinterkopf hat (Boo). Die zweite Hündin ist ein ungekannter Anblick für mich: Mit den Vorderläufen zieht sie sich auf mich zu, die Hinterbeine hängen nutzlos herum – sie ist gelähmt, seit sie von einem Auto überfahren wurde. Die zauberhafte Hündin heißt Grace und ihre großen braunen Augen sehen mich neugierig an. Dann sehe ich den Grund für den beißenden Geruch: Während mein Blick durch den großen, kahlen Raum schweift, entdecke ich mehrere Hundekackhaufen, sowie gelbe Pfützen auf dem Boden.
Tamara läuft weiter in den hinteren Bereich und bedeutet mir, ihr zu folgen… alles in mir sträubt sich, auch nur einen NACKTEN Fuß zu bewegen… aber was bleibt mir anderes übrig? Soll ich auf dem Absatz umkehren? Ich schlucke meinen Ekel herunter und hüpfe vorsichtig um die Hindernisse herum. Hinter der Schiebetür ist ein kleiner Flur. Zu meiner Linken bellen mich nochmal zwei Hunde an, in einem Zimmer, in dem ich ebenfalls Exkremente sehe. Hinten rechts geht Tamara in eine Tür und stellt meine Tasche ab: Das ist mein Zimmer, ist das okay für mich?
Ich werfe einen Blick rein. Der Raum ist bis auf ein Doppelbettgestell mit einer einzelnen Matratze, einem stehenden Ventilator und einem Metallregal vollkommen leer… wirkt aber halbwegs sauber. Ich nicke und stelle meine Sachen ab.
In meinem Kopf wirbelt es. Ich hatte mich so gefreut, hatte so viele Erwartungen, Vorstellungen… was ich hier vorgefunden habe, ist eine harte Realität, die mehr herausfordert, als alles andere. Es ist abends, ich kann heute nicht mehr viel machen, deshalb bleibe ich die Nacht… aber mein Hirn arbeitet bereits an einem Fluchtplan! Zum ersten Mal bei einem workaway, möchte ich wieder davonlaufen.
Ich beschließe, erst mal meine Kollegen kennenzulernen. In der Küche meint Tamara, ich stelle besser alle meine Einkäufe in den Kühlschrank, egal was es ist. Der Müll ist in der Gefriertruhe. Wenn ein Korn hier draußen bleibt, kommen die Ratten, da muss ich vorsichtig sein. Ich schlucke… sonst noch was?
Wieder tänzle ich durch den Raum voller Pisse und Kacke, nach draußen. Die Hunde haben sich etwas beruhigt, bei Neuankömmlingen ist die Stimmung einfach hoch. Meine Kollegen heißen Keerat und Laura. Keerat ist Amerikaner und schon seit zwei Wochen hier, bleibt aber nochmal dieselbe Zeit. Laura kommt aus Kolumbien und erst seit ein paar Tagen hier. Ich freue mich und nehme ihr gleich das Versprechen ab, Spanisch mit mir zu sprechen. Sie ist begeistert. Wir unterhalten uns, aber es ergibt sich nicht wirklich, dass wir über das Sauberkeitsproblem sprechen.
Tamara schläft auf einer Matratze im großen Zimmer, die Hunde schlafen bei ihr. Keerats Zimmer schließt gleich daran an, wo Laura schläft, ist mir noch unklar.
Ich betrete das Badezimmer… das ist okay. Das Waschbecken ist außerhalb, dort putze ich mir fix die Zähne, dann gehe ich in mein Zimmer. Ich überprüfe Matratze, Kissen auf Unsauberkeit, scheint aber in Ordnung zu sein. Meine Füße habe ich zwar in der Dusche gewaschen, trotzdem bin ich so angeekelt davon, die ganze Zeit über Hundepisse laufen zu müssen, dass ich sie aus dem Bett hängen lasse. Gut, dass sie am anderen Ende meines Körpers sind. Die Decke hat keinen Überzug, deshalb lasse ich sie genau da wo sie ist, nämlich gefaltet, weit weg von mir. Stattdessen hole ich meinen alten Freund, den Schlafsack, und lege ihn so, dass ich den nutzen kann, falls mir kalt wird. Die Notwendigkeit sehe ich allerdings noch nicht, es ist wie immer, tropisch feucht warm. Nur noch mit Mückenspray einsprühen, dann lege ich mich hin und schließe die Augen. Aber das Einschlafen fällt mir schwer. Jedes Mal, wenn ich einatme, dringt mir der Gestank nach Pisse in die Nase. Ich bin immer noch unentschlossen, was ich machen soll. Aber jetzt muss ich erstmal irgendwie zur Ruhe kommen. Nach einer Weile gelingt es mir.
Am nächsten Tag hab ich am erst Nachmittag Dienst. Als ich aufwache, steigt mir wieder der Geruch in die Nase. Aber ich will auch nicht zu schnell in das große Pisszimmer. Irgendwann zwingt mich dann doch die Notdurft, aufzustehen. Ich sehe Keerat und er lädt mich ein, später mit zum Markt zu kommen und dort Mittag zu essen. Ich komm gerne mit. Vor allem, weil ich mir ein Paar Arbeitsschuhe kaufen will. In der Zwischenzeit, schnappe ich mir einen Mop und wische das große Wohnzimmer durch. Als die Exkremente weg sind, geht es mir besser.
Wir gehen nach draußen, Keerat hilft mir mit dem schweren Tor… alleine hätte ich es nicht hingekriegt. Ich hab’s versucht, aber eines der Räder steckt in einer Kuhle fest und ist fast unmöglich rauszubewegen. Ohne Hilfe kann ich den Ort hier also nicht verlassen… das macht die Situation auch nicht besser.
Wir laufen an der großen Straße entlang. Zuerst auf dem Gehweg, aber nachdem ich fast dreimal hingefallen bin, weil die Algen darauf in Verbindung mit dem Regen superrutschig sind, wechsle ich auf die Straße und laufe jetzt direkt neben den Autos. Fünfzehn Minuten sind es bis zum Markt. Wir laufen nur an Lagerhallen und Firmen vorbei. Es gibt ein kleines Restaurant und einen 7/11 Supermarkt auf der anderen Seite, wofür man die sechsspurige Straße überqueren muss. Ich frage Keerat nach seinem „green spot“, also einen schönen Ruheort, vielleicht in der Natur, einen Spazierweg oder ähnlichem. Er gibt zu, so etwas hier noch nicht gefunden zu haben. Er mag den Markt, viel mehr gibt es hier nicht. Noch ein Dämpfer… Ein Haus voller Hundekacke im Industriegebiet, der einzige Weg rein und raus ist versperrt von einem kaputten Tor und der nächste genießbare Ort ist eine Viertelstunde entfernt. Natur gibt es gefühlt gar nicht. Wo zum Teufel bin ich denn hier gelandet??!!
Keerat ist übrigens ganz zauberhaft. 22 Jahre jung, gerade mit der Uni fertig und auf der Suche nach Abenteuern. Wir unterhalten uns super und ich vertraue ihm endlich an, dass ich mich nicht wirklich wohlfühle. Er erzählt mir, am Abend, bevor ich angekommen bin, sind zwei weitere deutsche Volontäre angekommen… und sofort wieder gegangen. Ich kann nicht sagen, dass ich überrascht bin. Das war die einzig richtige Entscheidung. Ich erkläre, dass ich versuche, der Sache eine Chance zu geben, aber dass es mir ganz schön schwerfällt. Er nickt, stimmt schon, ein besonders schöner Ort ist es hier nicht.
Als ich ihn frage, wie er diesen schleimhautverätzenden Gestank nach Hundeexkrementen im Haus aushält. Er merkt auf – welcher Gestank? Ich bin verblüfft. Er riecht das nicht? Keerat schüttelt den Kopf. Aus dieser Reaktion ziehe ich den Schluss, dass man sich daran also gewöhnen kann, bis man es nicht mehr riecht. Hoffentlich funktioniert das bei mir auch! Dann fragt er mich, ob ich eigentlich auch Ameisen im Bett habe…
Hab ich nicht, aber die Frage ruft schon keine überraschte Reaktion mehr hervor. Natürlich kommt zu allem noch dazu, dass es Ameisen in den Betten gibt. Offenbar wurde meine Matratze mit Insektenspray behandelt. Lauras Matratze wohl nicht. Das war kein schönes Erwachen.
Wir kommen am Markt an, eine Halle, wie ich es aus vielen Ländern kenne. Viele kleine Essenstände, auch mit frischem Obst und Gemüse, aber auch ein Essensbereich, wo gekocht wird. Dort holen wir uns Essen an einem Stand, an dem eine junge Frau kocht, die Englisch spricht. Das hilft enorm!! Die Leute gucken uns zwar neugierig an, sind aber allesamt sehr nett. Wir setzen uns, reden, essen, verbringen eine schöne Zeit! Keerat meint, er kommt hier fast jeden Tag her, ich kann immer mit. Total nett von ihm, aber ich wollte ja auch ein bisschen selber kochen, schließlich muss ich sparen. Nach dem Essen laufen wir noch mal durch den Markt auf der Suche nach Schuhen für mich. Wir werden schnell fündig, ich kaufe ein paar Gartenschuhe aus Gummi von „Marco Pony“ für 100 Baht, etwas mehr als 2,50 €. Auf der anderen Seite kaufen wir ein paar Taschentücher als Klopapierersatz, Tamara hat welches bestellt, aber es kommt erst übermorgen. Und ich brauche KLOPAPIER! Die asiatische Popodusche neben der Toilette ist zwar an sich keine schlechte Sache, aber mir reicht das nicht. Nicht alle Kulturunterschiede lassen sich aufbrechen.
Keerat kauft sich noch einen Seifenblock, das werde ich auch bald müssen, meiner wird leer. Dann müssen wir schon wieder los, unsere Schicht beginnt bald. Auf dem Rückweg finden wir eine herumliegende kleine Holzplatte auf der Straße, die wir unters Tor schieben, damit man es leichter bewegen kann. Die wird für ein paar Tage halten und so kann ich auch alleine raus. Ein kleines Stückchen Freiheit. Heute arbeite ich mit Keerat zusammen, sodass er mir alles zeigen kann. Als wir zurückkommen ist Tamara ein bisschen sauer, weil wir 10 Minuten zu spät sind und hält Keerat eine Standpauke… das finde ich nicht in Ordnung und kenne ich auch so nicht von Freiwilligenarbeit. Aber mehr und mehr wird mir bewusst, dass dieser Laden hier nur läuft, weil gute Leute wie Keerat sich aufarbeiten… und zwar freiwillig. Tamara wird mir ein bisschen unsympathisch. Gleichzeitig habe ich Mitleid… ihr Projekt kommt von Herzen, aber sie selbst ist so abgezehrt und überarbeitet und legt viel zu viel Verantwortung auf ihre Volontäre, weil es nicht anders geht. Sie wirkt, wie eine Ertrinkende, die sich darauf verlässt, das wir – ihre Strohhalme – sie nicht absaufen lassen… und ich bringe es nicht wirklich übers Herz, meinen Strohhalm wegzuziehen. Auch wenn alles in mir schreit, „ich will hier nicht bleiben“.
Zugegeben ein harter erster Eindruck. Aber die größte Kunst einer langen Reise mit wenig Geld ist es, seine Ansprüche wieder und wieder herunterzuschrauben, Zustände hinzunehmen, von denen man nie dachte, sie hinnehmen zu müssen und daran zu wachsen.
Bleibt dabei zum zweiten Teil!
Liebste Grüße,
Eure Jana
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