Hallo meine lieben Leser*innen,
habt Ihr Teil 1 verdaut? War ja wieder genug Zeit dazwischen. Dann lasst uns mal zu den Hunden gehen 😉
Ich hüpfe in meine Arbeitsklamotten und in meine Marco Pony-Galoschen, dann bin ich bereit für die Meute. Am Nachmittag beginnen wir damit, das Wasser in den Zwingern zu wechseln und ein bisschen mit den Hunden zu schmusen. Kein schlechter Start. „Socialize“ sagen wir auf Englisch, die Hund-Mensch-Beziehung also aufrechtzuerhalten und zu erweitern, falls möglich. Keerat stellt mir die Hunde vor und erklärt mir die Charaktereigenschaften und Besonderheiten, aber mein Kopf schwirrt schon bald wegen der Infos. Viele der Türen sind schwer zu öffnen, das sehe ich jetzt schon als Nervenfaktor, vor allem, wenn es schnell gehen muss.
Die Hunde sind zauberhaft. Die meisten begrüßen mich begeistert, springen, schlecken, wedeln, ich bin innerhalb weniger Minuten von oben bis unten eingesudelt, weil der regelmäßige Regen die Freiläufe in ein Matschbad verwandelt. Aber es ist auch sehr süß. Innerhalb kürzester Zeit verstehe ich, wofür es sich lohnt, so ein Leben zu führen: Die Hunde geben einem so viel zurück. Jeder einzelne ist auf seine Art anders. Tamara hat sehr genau entschieden, welche Hunde gemeinsam in den Freiläufen sind, die auch gut miteinander können. Ich bin überrascht, dass das alles Straßenhunde sind. Die Tiere haben so gute Manieren und sind so zutraulich, als wären sie ihr ganzes Leben erzogen und gut versorgt gewesen. Ich vergesse alles um mich herum und genieße die Zeit mit den Tieren.










Um drei Uhr beginnen wir, die Käfige unter Dach vor dem Haus zu reinigen… aber oh, wie die gereinigt werden! So sauber ist es im Lebensraum der Menschen nicht. Erst wird die Kacke aufgekehrt, dann mit einem Besen Fell und Erdbrösel aufgekehrt und zuletzt feucht mit einem Mop gewischt. Danach ist es blitzblank… und ich fühle mich, als würde ich schlechter leben, als die Hunde… und das ist auch der Fall. Ich würde ja gerne eifersüchtig sein… aber dann rufe ich mir ins Gedächtnis, dass die Tiere hier ausgesetzt, geschlagen, überfahren wurden und nun ihr Leben lang in einem Freilauf verbringen müssen. Ich steige herab von meinem hohen Ross und kehre Kacke.
Von den vier Käfigen ist der Welpenkäfig die größte Herausforderung… auch wenn die jungen Hunde natürlich super süß und tapsig sind, wie sie dem Mop und dem Besen hinterherjagen… und dabei alles wieder schmutzig tapsen. Mal abgesehen davon, dass es sich ziemlich schwer kehrt, wenn zwei Welpen an den Besenfasern verbissen sind und ein anderer einen Vollangriff auf den Wischmop fährt, sodass man mit einem 5kg Mop den Boden wischt. Man muss ständig einen der Welpen schnappen und irgendwo hinwerfen… das klappt für ca. fünf Sekunden, dann hat er sich wieder in den Besen verbissen.
Pünktlich um vier Uhr wird gefüttert. Tamara hat einen strikten Zeitplan, der natürlich zum Wohl der Hunde ist und den diese auch genau kennen. Sobald es auf vier zugeht wird es laut, alle bellen in freudiger Erwartung. Tamara kommt mit einer irre großen Wäschewanne heraus, die ist voll mit Hundefutter und kleinen Blechschüsseln. Das Futter ist eine Mischung aus kleinen Fleischstücken, Gemüse und Reis. Reines Hundefutter wäre viel zu teuer. Es gibt ein klares Futtersystem, angepasst auf jeden einzelnen Hund… von dem ich anfangs nur Bahnhof behalte.
Zuerst bekommt der Welpenkäfig – das Schwierigste zuerst. Keerat nimmt die fünf großen Schüsseln entgegen, gibt eine kleine dem Alpha und verteilt die anderen schnell auf dem Boden, während Tamara mit den anderen Käfigen beginnt. Ich versuche einfach nur, nicht im Weg zu stehen. Die Raubtierfütterung hat begonnen. Binnen Sekunden schlingen die Hunde alles weg… aber eben nicht alle. Während die einen Hunde ihr Futter inhalieren, brauchen andere mehr Zeit, gucken sich auch mal um… allerdings besteht dann die Gefahr, dass einer der schnelleren Hunde kommt, und sich das Futter des langsamen schnappt. Im Käfig neben den Welpen sind noch drei andere Hunde, die einen Autounfall überlebt haben und sich nur auf den Vorderläufen herumziehen. Eine davon isst besonders langsam, man muss ihr das Futter in den Mund legen. Ich finde nach ein paar Tagen heraus, dass es besser geht, wenn man das Futter zu einem Knödel formt, den sie schnappen kann.

Dann geht es in die Freiläufe draußen: 29 Käfige … hundertfünfzig Hunde. Keerat und ich beginnen auf einer Seite und er erklärt mir das Futtersystem zu jedem Käfig. Ich behalte kaum etwas, finde es aber irre interessant ihm zuzusehen. Er stellt die Schalen auf ganz bestimmte Orte und die Hunde wissen genau, wie und wo es funktioniert. Meine Sinne werden überwältigt von all den schnellen Bewegungen, dem Lärm des Gebells, dem Geruch und dem Versuch, mir alles zu merken. In einem Freilauf ganz am Anfang ist ein Hund, der nur noch ein halbes Gesicht hat. Seine Nase und sein Oberkiefer fehlen. Ich finde es nicht eklig, es fällt mir nur schwer, das Bild zu verarbeiten. Wie durch ein Wunder ist er aber vollständig fähig allein zu essen und sogar noch zu riechen.


Wir arbeiten uns Käfig für Käfig durch. Ein paar mache ich schon alleine, wo es wirklich einfach und die Hund ganz entspannt sind. Ich werde oft angesprungen und dank der Pfützen, bin ich recht schnell nass. Drei Käfige sind mit einem „Vorsicht!“- Schild markiert. Die Hunde darin sind etwas aggressiver, die lasse ich für den Anfang aus. Ich beobachte auch Tamara immer wieder mal, die wie eine Maschine durch die Käfige fegt. Immer wieder höre ich sie irre hoch Kreischen, um die Meute zu übertönen und zur Ordnung zu bringen. Die Frequenz ist ohrenbetäubend, aber wenigstens hebt sich die Stimme so gut vom Gebell ab.
Nach 45 min ist es vorbei. Alle Hunde sind gefüttert und wir drei sind komplett verdreckt. Ich bin total platt, alleine vom Zusehen und weiß nicht, wie ich mir das alles jemals merken soll. Aber zum Nachdenken bleibt nicht viel Zeit, denn es steht gleich die nächste Arbeit an: Kacke fegen. Ich bekomme einen Holzbesen, eine Schaufel und einen Sack. Dann fange ich auf einer Seite an, Keerat auf der anderen. Es ist immer noch irre eklig und auch wenn mir klar war, dass das ein Teil meiner Arbeit sein wird… die Masse an Kacke und der Gestank lassen meine Laune schnell sinken.
Irgendwann endet der Tag doch noch… nämlich damit, dass wir nochmal die Unter-Dach-Käfige reinigen. Viermal pro Tag werden die gereinigt. Die Hunde können es eben nicht selbst machen. Dann ist der Tag beendet… und ich laufe durch die Pisse zurück in mein Zimmer. Ein intensive Dusche später fühle ich mich zwar noch wirklich wohl, aber immerhin halbwegs sauber Dann hole ich meine Koch-Sachen aus dem Kühlschrank, frage Tamara nach ein paar Küchengeräten und schaffe es, mir Reis mit Kürbis und Kartoffeln zu kochen, ohne Kochplatte. Aber man kann in einem Reiskocher überraschend viel kochen, wenn man es richtig anstellt. Zum Essen setze ich mich raus an den großen Tisch, um dem Geruch ein bisschen zu entkommen. Sonderlich gut schmeckt mein Experiment allerdings nicht, ich dachte zwar, ich hätte genug Salz verwendet… aber das war es wohl nicht. Die Sojasoße auf dem Tisch macht es nicht besser, keine Ahnung, was das genau ist. Ich esse trotzdem so viel möglich, weil ich mein Kräfte für die Arbeit brauchen werde, spüle dann ab und achte darauf, keine Krümel zu hinterlassen. Keerat und Laura waren essen, wir unterhalten uns nur kurz, alle sind müde. Wieder fühle ich mich unwohl und beschließe, das große Zimmer nochmal zu wischen, es ist schon wieder alles voll. Dann wasche ich mir die Füße, gefühlt zum 20-sten Mal heute und ziehe mich in mein Zimmer zurück. Als ich zum Zähneputzen nochmal zurückkomme, ist es schon dunkel im Raum, Tamara ist aber noch am Handy. Ich leuchte mir mit der Taschenlampe, um nicht in Scheiße zu treten, putze meine Zähne und gehe aufs Klo.
Als ich zurücklaufe, schleift mein Leuchtstrahl zufällig über die Küchenzeile, und ich bleibe erstarrt stehen. Vier oder fünf große Ratten laufen über die gesamte Küche, auch über mein gespültes Geschirr. Purer Ekel packt mich… ich hab da vor keinen zwei Stunden gekocht. Die sind hier gestern sicher auch über alles gelaufen. Tamara hatte mich zwar vor Ratten gewarnt, aber ich hatte es so verstanden, dass wir sie verhindern wollen, nicht, dass sie SCHON DA sind. Da sie noch am Handy ist, sage ich ihr Bescheid. Sie ist ebenfalls erschüttert und verspricht, am nächsten Morgen, Fallen aufzustellen. Das beruhigt mich nur wenig.
Ich gehe zu Bett und versuche meine tobenden Gedanken zu beruhigen, die meinen Verdauungstrakt nach Unregelmäßigkeiten absuchen. Ich bin in dem Moment auch sauer, wie Tamara uns so leben lassen kann. Arbeiten im Dreck ist eine Sache – Aber in Hundeexkrementen und mit Ratten zu leben, ist eine Zumutung. Diese Nacht schlafe ich nur wenig, höre die Ratten über mir in der Decke laufen, hoffe, dass mein Zimmer rattensicher ist und bete, dass ich mir nicht die Pest eingefangen habe.
Am nächsten Morgen habe ich die Frühschicht mit Keerat. Ich frühstücke drei Bananen aus dem rattensicheren Kühlschrank. Während ich esse, vergeht mir auch der Appetit, weil ich das Gefühl habe, den Gestank mitzuessen. Ich beschließe, in Zukunft, draußen zu frühstücken. Mein Blick fällt auf die Küche, in der ich gestern die Schockbegegnung hatte. Ich werde die komplette Küche heute schrubben, das nehme ich mir fest vor.
Unser Tag beginnt wie immer damit, die Unter-Dach-Käfige zu putzen. Wieder schießen mir die Gedanken durch den Kopf – Für Tamara steht das Hunde-Wohl an erster Stelle, nicht unseres. Verständlich aber trotzdem – AHHH!!!
Am Abend zuvor hatte ich ein bisschen mit ihr gesprochen. Sie hatte mir erzählt, dass sie bis vor kurzem noch vier Festangestellte hier hatte, die alle am selben Tag gekündigt und sie alleine gelassen haben. Zuvor haben sie hier alles auf den Kopf gestellt, die Hunde gequält, Drogen genommen und geraucht, viele Sachen kaputt gemacht oder gestohlen. Auch wenn sie froh ist, dass diese Leute jetzt weg sind, sie ist mit der Arbeit hier komplett alleine… sie hat nur noch die Freiwilligen. Und auch da hatte sie schon viele schlechte Erfahrungen, Leute, die mit zu idealistischen Vorstellungen hier herkommen, die mit der Arbeit nicht klarkommen und nach wenigen Tagen wieder gehen und so noch mehr Arbeit zurücklassen.
Je mehr sie erzählt, desto mehr wird mir klar, dass ich es nicht übers Herz bringen werde, ebenfalls früher zu gehen. Ja, es ist falsch von ihr, Volontären so viel Arbeit und vor allem Verantwortung abzuverlangen, dafür aber nur unzumutbare Lebensumstände zurückzugeben… aber ihr ist einfach so viel Pech passiert, dass sie jetzt nicht anders kann. Für sie und die Hunde geht es ums Ganze. Und immer wenn ich sie anschaue… will ich dieser strauchelnden Frau helfen, die aus Güte, Liebe und Motivation ein Heim für Straßenhunde aufgezogen hat und jetzt darum kämpft. Aber der Preis ist hoch. Zu hoch?
Um acht ist wieder Fütterung. Diesmal bin ich bei der Schicht alleine, weil Laura einen freien Tag hat. Keerat ist aber beim Füttern trotzdem dabei, weil ich noch neu bin. Ich kann ein bisschen mehr helfen, aber nicht viel. Danach wird wieder Kacke eingesammelt, diesmal aber zusätzlich auch alle Sitz- und Liegeflächen der Tiere gekehrt. Bis ich alles fertig hab ist es schon eins, eine Stunde mehr, als ich eigentlich arbeiten muss. Aber es ging einfach nicht schneller und ich will mich nicht durch die viele Arbeit auch noch hetzen. Nachdem ich mit der Arbeit draußen fertig bin, mache ich drinnen weiter. Ist zwar meine Freizeit, aber ich bin wie im Rausch, fest entschlossen, die Sauberkeitssache in die Hand zu nehmen. Ich wische den Boden, sammle die Kacke auf, dann schrubbe ich die Küche, um heute Abend guten Gewissens kochen zu können. Als ich fertig bin… bin ich fertig. Aber ich kann nicht aufhören. Ich will gleich als nächstes das Bad putzen. Als ich auf die Uhr sehe ist es schon fast drei und ich sehe, dass Laura mir geschrieben hat. Sie ist ein einem Café, wenn ich dazukommen will, kann ich gerne kommen. Ich dachte, da Keerat mir beim Füttern geholfen hat, helfe ich vielleicht auch, aber Tamara schreibt mir auf meine Frage, das sei nicht nötig. Deshalb reiße ich mich aus meinem Wahn, springe unter die Dusche und bin kurz darauf auf dem Weg zum Café.
Während ich laufe, bemerke ich, dass ich in einen Putzrausch verfallen bin. ICH!! Ich, die sonst mit allem klarkommt, eher auf Abwehrkräfte vertraut, als alles dreimal zu säubern… wenn ICH in einen Putzwahn verfalle, weil ich mich so unwohl fühle, dann muss es echt richtig eklig sein. Und das war es auch. Aber wenn ich kochen will, muss ich die Küche jeden Tag schrubben, so wie ich sie heute geschrubbt habe und jeden Tag acht Stunden anstatt der fünf arbeiten, die verabredet sind. Das halte ich nicht durch. Dafür ist es zu viel harte Arbeit und ich bekomme nichts dafür. Ich bin freiwillig hier. Also gebe ich das Geld für mein Essen eben aus. So komme ich auch aus dem Haus raus.
Ich hab noch meine Wäsche zusammengesucht, weil ich dringend eine Reinigung brauche. Eine Waschmaschine gibt es dort auch nicht. Also habe ich alles dabei, Tamara meinte, in der Stadt gibt es eine Wäscherei. Als ich bei Laura im Café ankomme, entschuldige ich mich nochmal kurz, um die Wäscherei zu suchen, werde aber nicht fündig. Nach einer Viertelstunde suchen und fragen, gebe ich auf und kehre ins Café zurück. Dort bestelle ich mir einen Frucht-Joghurt-Smoothie, der himmlisch schmeckt und das Beste der letzten zwei Tage ist. Und endlich kommen Laura und ich so richtig ins Gespräch über das Schmutz-Thema und ich finde eine Seelenverwandte. Laura ist sogar deutlich reinlicher als ich und stirbt schon seit Tagen innerlich, weil sie mit niemandem so richtig reden konnte. Wasserfälle von Gesprächsstoff brechen aus uns beiden heraus und es tut so gut, endlich zu reden. Ich erzähle ihr von den Ratten: Das wusste sie, sie wusste nur nicht, wie sie es mir sagen sollte. Ich bin ein bisschen sauer, aber ich verstehe, dass dieser Ort ein bisschen schwierig ist, wenn es um Kommunikation geht.
Laura wohnt übrigens in einem kleinen anderen Haus vorne am Tor. Sie meint, wenn sie in ein paar Tagen geht, kann ich dorthin umziehen, dort ist es viel besser. Ich beneide sie ein bisschen, aber ich freue mich auch, dass wenigstens eine von uns nicht in der Scheiße leben muss. Wir sprechen auch über Tamara, wie gereizt sie oft reagiert, wenn etwas aus der Routine fällt und wie oft sie Laura schon angegangen ist. Laura will heute mit Tamara reden, sie muss früher gehen. Sie hat eine Prüfung und ein paar Online-Termine, außerdem ist es für Laura noch viel unerträglicher, dort zu arbeiten. Sie will weg. Ich verstehe und unterstütze sie, überlege selbst, ob ich nicht gehen soll. Raus aus diesem Loch am Ende der Welt, am Ende jeder menschlichen Zivilisation, schlechter lebend als die Hunde, die wir hier versorgen.
Am Abend stößt Keerat nach seiner Schicht zu uns und wir essen gemeinsam in dem kleinen Restaurant. Auch mit ihm sprechen wir nochmal offen, wie unwohl wir uns fühlen und er gibt zu, dass er sich auch oft unwohl fühlt. Er hat in den zwei Wochen, die er für Tamara gearbeitet hat, noch nicht einen Tag freigenommen. Und er würde eigentlich gerne mit Laura zusammen ein bisschen reisen… aber dafür müssen sie beide in die Höhle des Löwen und mit Tamara reden.
Es tut irre gut, Gleichgesinnte um sich zu haben. Von mir fällt eine riesige Last ab. Der Abend ist schön, wir alle fühlen uns leichter, essen gut, lachen zusammen, bauen uns gegenseitig auf. Die Gruppendynamik ist toll. Es ist schade, dass Laura schon bald geht… und wenn Keerat auch bald geht, sehe ich der Einsamkeit an dem Höllenort entgegen… das halte ich sicherlich nicht lange durch! Und ich beschließe, wenn ich bleiben sollte, Tamara definitiv auf meine ausgemachten Arbeitszeiten festzunageln und ihr keinen Tag mehr zu geben.
Auch wenn wir noch ewig reden könnten, irgendwann macht das Restaurant zu und wir sind auch müde… keiner von uns geht gerne „nach Hause“.
Laura und Keerat nehmen sich ein Herz und sprechen Tamara darauf an, dass sie früher gehen wollen. Tamara fällt aus allen Wolken, vor allem als Keerat sagt, er möchte ebenfalls eher gehen. Ich bleibe in der Nähe, um zu hören, wie das Gespräch läuft. Tamara macht Laura Vorwürfe, ihr Versprechen nicht einzuhalten, nicht belastbar zu sein und dass ihre frühere Abreise zu Lasten der Hunde geht. Laura ist echt mutig, als sie Tamara nahelegt, sich wieder um richtiges Personal zu kümmern. Tamara wirft ihr an den Kopf, das hätte sie schon längst versucht, es gibt niemanden. Dann bricht Tamara das Gespräch ab, sagt Laura zu, sie kann gehen, „bedankt“ sich für die Info und will mit Keerat am nächsten Morgen nochmal sprechen. Laura geht nach draußen, ich folge ihr. Sie ist überraschend gefasst, dafür, dass gerade ein Feuersturm über sie hinweg gefegt ist. Wir wechseln ins Spanische, damit wir nicht überhört werden.
Tamaras Reaktion ist nicht zu verteidigen! Freiwilligen diesen emotionalen Druck anzutun und ihnen die Schuld für das Missergehen der Tiere zu geben war absolut unfair! Ich spreche Laura zu, das Richtige getan zu haben und diesen Ort in 48 h verlassen zu können. Wir beide sind uns aber sicher, dass Keerat bleiben wird. Er ist viel zu gut, um dieser emotionalen Erpressung standzuhalten.
Laura und ich verabschieden uns und gehen zu Bett. Zuvor sehe ich nochmal Ratten durch die Küche hüpfen. Tamara erzählt, bei dem Dauerregen kriechen die Tiere aus allen Ritzen und suchen Zuflucht im Trockenen – in den Häusern. Ratten, Ameisen, Moskitos etc. Das Problem ist überall dasselbe… stellt sich heraus, dass sie Recht hat. Zuvor im Restaurant haben wir in Lauras Getränk ein Rattenköttel im Eiswürfel entdeckt…
Ich überlege lange, was das Richtige ist. Tamaras Kampf um ihr Herzensprojekt scheint aussichtslos, sie ist selbst so fertig, dass sie uns Freiwillige krampfhaft festhält und gezielt so unter Druck setzt, damit wir bleiben. Ihr Verhalten heute war absolut indiskutabel und sie nutzt unsere Arbeitskraft aus, aber lässt uns in unzumutbaren Bedingungen leben. Objektiv gesehen ist die Rechnung deutlich im Minus und mein deutscher Verstand sagt mir, meine Sachen zu packen und am Morgen zu gehen!
Was hält mich zurück? Tamara macht das alles nicht aus Habgier, Geiz oder Gewinnsucht. Sie will uns nicht wehtun, wenn sie könnte, würde sie unser Leben hier auch besser machen. Aber sie hat nicht darum gebeten, dass ihr Personal sie rücksichtslos im Stich lässt, deshalb ist das ganze System zusammengebrochen. Und das muss vor weniger als eine Woche passiert sein. Sie lebt eigentlich in der Stadt, hat eine eigene Wohnung (was mich zugegeben auch angepisst hat: Sie hat eine Wohnung in der Stadt, aber wir leben hier draußen in der Kacke?) – anyway – hat aber ihr ganzes Leben hierher verlegt, um die Hunde zu retten und arbeitet täglich von 7 Uhr morgens bis acht uhr Abends und danach noch an Social Media Beiträgen, Adoptionsvermittlungen, Organisationskram, etc.
Sie tut, was sie tut, weil sie es muss. Und wird dafür ständig von Leuten im Stich gelassen. Und vielleicht, nur vielleicht, kann ich ihr durch diese zwei Wochen helfen, bis im Dezember eine neue Festhilfskraft kommt, und das ganze Ungleichgewicht wieder ein bisschen auskorrigiert. Ich meine, wofür mache ich den Freiwilligenarbeit? Ich werde hier wirklich gebraucht. Irgendetwas in mir will der Frau… buchstäblich aus der Scheiße helfen.
Darling you gotta let me know…
… should I stay or should I go?
Liebste Grüße
Eure Jana
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