Hallo meine liebsten Leser*innen!
Siem Reap ist eines der größten Touristenziele in Südostasien und zwar aus einem Grund: Angkor Wat. 1992 zum Weltkulturerbe ernannt steht die riesige hinduistisch-buddhistische Tempelanlage seit fast 1000 Jahren im nahegelegenen Dschungel. Einst die Hauptstadt der antiken Khmer war Angkor Wat der Dreh-und Angelpunkt einer der mächtigsten Reiche von Südostasien. Und bis vor etwa zwei Tagen hatte ich keine Ahnung, dass dieser Ort überhaupt existiert.
Während ich google steigt meine historische Begeisterung. Ich finde heraus, dass es mehrere Möglichkeiten für einen Besuch gibt: Man kann verschiedene Zeitpässe wählen: Ein Tag, drei oder fünf Tage. Obwohl ich eigentlich müde von der Fahrt bin, raffe ich mich auf und entscheide mich für den Drei-Tages-Pass und will gleich nach dem Frühstück los. Ich putze mir noch die Zähne und frage dann an der Rezeption, welche Möglichkeiten sie für einen Besuch dort haben. Sie bieten mir verschiedene Touren an, die mir aber alle recht teuer klingen. Ich suche noch ein bisschen im Internet und stoße dann auf einen Artikel, wo eine Besucherin die Anlage mit dem Fahrrad abgefahren ist… und das klingt absolut machbar. Ich suche mir also den nächsten Fahrradverleih, den ich gleich um die Ecke finde und leihe mir dort für 5 Dollar für den kompletten Tag ein Rad. Dann créme ich mich ein und folge Google hinaus aus der Stadt. Der Ticketverkauf ist nicht am Gelände von Angkor Wat sondern in einem externen Gebäude, noch in Siem Reap. Ich parke mein Fahrrad und gehe in die Verkaufsstelle, die sehr organisiert, sauber und modern ist.
Ich laufe an einem Verhaltensschild dabei für die Tempelanlage und muss kurzerhand ein Foto machen.

Vor allem die Regel mit der Vergabe an Süßigkeiten an Kinder finde ich interessant und gut: Man soll Kindern kein Geld oder Essen geben, denn so gewöhnen sie sich an, dass sie nicht arbeiten gehen müssen, sondern auch mit Betteln ihr Geld verdienen können. Das will man als Gesellschaft vermeiden. Wer spenden möchte, solle das bei einer registrierten Organisation tun. Ich bin sehr positiv überrascht, dass der Staat hier den Touristen schützt und seiner Gesellschaft so einen Schubs in die richtige Richtung gibt.
Am Schalter bekomme ich mein Ticket für drei Tage, sowie einen Lageplan. Während ich mein Fahrrad wieder von seinem Schloss befreie, spricht mich ein Mann an. Du fährst nach Angkor Wat mit dem Fahrrad. Wow, ganz schön viel, und bei der Hitze?! Vielleicht willst du das Fahrrad lieber hier stehen lassen und ich fahre dich mit dem TukTuk überall hin. Es ist schon ganz schön weit… Ich lache und schüttle den Kopf, verneine und fahre dann! Er ruft mir hinterher, vielleicht morgen, aber ich bin schon weg. Wahnsinn, die Leute, echt! Alles, was dir zu Geld verhilft, ist Recht. Er könnte mit mir halt 50 Dollar pro Tag verdienen. Die meisten Leute machen es auch so mieten sich ein TukTuk und lassen sich von Station zu Station fahren, während der Fahrer wartet. Blöd, dass ich einen Bewegungsdrang habe und mit meinem 5 Dollar Fahrrad pro Tag vollkommen zufrieden bin.
Die Fahrt ist super angenehm, die Straße ist flach und ich kann auf einem guten Radweg fahren. Es geht durch kleine Ortschaften und an Essensständen vorbei, bis ich die Häuser hinter mir lasse und der Wald beginnt. Ich muss einmal anhalten und mein Ticket an einer Kontrollstation vorzeigen. Auch dieser Kontrolleur legt mir nahe, mit einem TukTuk wäre ich deutlich bequemer unterwegs, er kennt da übrigens jemanden, der es zu einem guten Preis… ich winke ab und fahre weiter. Zwar endet der Radweg, aber es ist gar kein Problem, auf der Straße zu fahren, der Verkehr ist überraschend überschaubar. Die Bäume schützen mich vor der knallenden Sonne und kombiniert mit dem Fahrtwind bin ich richtig froh, die Entscheidung getroffen zu haben, gleich heute herzukommen. Und da ich volle drei Tage hierher kommen kann, lasse ich mir schön Zeit.
Der Wald öffnet sich an einer Kreuzung kurz, mir gegenüber ist ein riesiger angelegter See in perfekter rechteckiger Form. Ich halte aber noch nicht an. Im Internet habe ich eine Empfehlung von einer Bloggerin gelesen, welche Tempel man in drei Tagen in welcher Reihenfolge anschauen kann. Daran versuche ich mich zu halten, denn sonst wird es echt viel.
Irgendwann biege ich doch nochmal von der Straße weg und folge einem schmalen aber geteerten Radweg bis zu meinem ersten Tempel. Der Weg führt über eine Weide und prompt muss ich stehen bleiben, denn der Weg ist versperrt:


Nachdem ich meinen Niedlichkeitsanfall hinter mir habe, scheuche ich die Kühe vorsichtig beiseite und fahre dann weiter zu meinem ersten Tempel. Der Parkplatz und die Straße sind voll mit TukTuks, die auf ihre Touristen warten. Die Fahrer müssen sich ihre Kunden genau eingeprägt haben, denn in dem Gewusel würde ich mein TukTuk nicht mehr finden. Muss ich ja glücklicherweise auch nicht. Ich kette mein Fahrrad bei einem Baum zusammen und gehe dann zum Eingang. Und ich muss schon sagen, schon beim ersten Anblick bin ich richtig baff.

Die Konstruktion wirkt uralt und das aufragende Gesicht dafür so exakt und gut erhalten. Und das alles in einer Dschungelumgebung, die einem nur die Haare zu Berge stehen lassen kann, im guten Sinne.




Ehrfürchtig gehe ich durch das Tor. Der Tempel hier heißt Banteay Kdei und gilt als das Osttor der antiken Stadt. Hinter dem eigentlichen Tor beginnt dann eine Art Park, die zu dem eigentlich Tempelgebäude weiter hinten führt. Ich schlendere andächtig hindurch, sauge jeden Eindruck in mich auf. Die Konstruktionsart ist komplett symmetrisch und exakt, ähnlich wie Machu Picchu, aber natürlich komplett anders. Aber auch bei Machu Picchu kannst du durch ein Fenster sehen und siehst zehn weitere Fenster, die exakt auf derselben Höhe sind.




Am meisten hauen mich aber die Verzierungen und Reliefs an den Wänden um, die so kunstvoll und umfassend sind. Die Arbeit und das Können, die darin stecken, sind beeindruckend.






Allein dieser Tempel ist schon sehr groß. Ich gehe ewig lang bis nach hinten durch. Am Ende ist wieder ein kleiner Park und es gibt ein paar Tümpel, in denen manchmal Seerosen blühen. Faszinierend finde ich vor allem eine Baumart, die halb in die Tempel hier hineinwächst. Später komme ich noch zu einem Tempel, dessen Markenzeichen es ist, von diesen Bäumen halb überwuchert zu sein. Aber die Baumart selbst, ist sehr groß, sehr hell und in einem bestimmten Lichtwinkel glänzt sie, als wäre sie aus Silber. Daran kann ich mich gar nicht sattsehen und kein Foto kann das so richtig gut einfangen.




Ich bleibe kurz, esse einen Snack und gehe dann langsam wieder zurück. Gegenüber vom Osttor, liegt wieder einer der künstlichen Seen. Ich überquere die Straße und gehe zur Plattform, um die Aussicht kurz zu genießen. Selbst diese „einfache“ Plattform mit den Löwenstatuen und dem verzierten Geländer wirkt, als wäre sie eines Königs würdig. Ich bleibe aber nicht lange, weil die Sonne hier echt runterballert.

Ich gehe wieder zu meinem Fahrrad und düse weiter zum nächsten Tempel. Alles hier ist nicht mehr als zehn oder zwanzig Minuten auseinander auf einer flachen, meist überschatteten Strecke. Das Fahrrad war die optimale Wahl! Die Stadt von Angkor Wat besteht aus so vielen Tempeln, es ist relativ unmöglich alles zu sehen. Vieles gleicht sich auch oder ist nicht so gut restauriert, sodass man sich recht gut aussuchen kann, was man mitnimmt und was nicht. Sobald man von den großen, sehr touristischen Tempeln wegkommt, wird der Verkehr so ruhig, dass ich ohne Probleme mitten auf der Straße große Schlangenlinien fahren kann. Was für eine tolle Radtour, selbst ohne Tempel!
Mein nächster Stopp ist der Pre Rup Tempel. Eine sehr gut erhaltene Anlage mit drei hohen Türmen, auf die man hochsteigen kann.

Ich parke mein Fahrrad und werde (wie übrigens vor jeder Anlage) nochmal von einem Mitarbeiter nach meinem Ticket gefragt. Da sind sie wirklich sehr genau, ist aber auch gut so. Beeindruckt lasse ich die Tempelanlage auf mich wirken und steige dann die Stufen nach oben. Man muss ein bisschen aufpassen, wo man hin tritt, die Stufen sind recht steil. Außerdem kracht die Sonne auf die Treppe, ich atme heftig, als ich oben stehe. Aber wow! Was für ein Gefühl auf dem alten Gemäuer zu stehen und weit über den die Wipfel des Dschungels um mich herum zu blicken.






Ich laufe fasziniert herum, mache Fotos, entdecke kleine Altäre mit eingesteckten Räucherstäbchen und eine alten verfallenen Buddha-Statue, die natürlich trotzdem mit dem gelben Mantel bedeckt ist.


Danach beschließe ich, mich einen Moment zu setzen. Ich finde einen schattigen Platz in einer Nische, ziehe die Schuhe aus und mache die Beine lang. Erstmal Pause machen!

Während ich über den Dschungel blicke, überkommt mich eine tiefe innere Ruhe, sodass ich kurz darauf beschließe, nochmal eine kurze Meditation zu wagen… welcher Ort könnte dafür besser geeignet sein, als diese alte Tempelstadt?
Ich setze mich in den Schneidersitz, schließe die Augen und verbanne alle Gedanken aus meinem Kopf. So bleibe ich wieder eine ganze Weile und auch danach bleibe ich noch lange sitzen. Es ist einfach ein magischer Ort und an diesem Tempel sind auch nicht viele Touristen. Irgendwann reiße ich mich doch noch los und radle weiter.
Am East Mebon Tempel komme ich auf der anderen Straßenseite an, wo einige Restaurants aufeinandersitzen. Eine Frau spricht mich an, ob ich nicht etwas Kühles trinken möchte. Ich bin tatsächlich nicht abgeneigt, aber erst nach dem Tempel. Eine zweite kommt hinzu, vielleicht eine Verwandte und lacht, kein Problem, komm danach zu uns und kauf dir was Abkühlendes… und mir auch, ich schwitze, wie verrückt! Natürlich wollen Sie vor allem etwas verkaufen, aber sie wirken so freundlich, also sage ich zu.
Ich lasse am Tempel mein Ticket kontrollieren, bleibe aber nicht lang, weil ich außer den Elefantenstatuen von den anderen beiden Anlagen schon zu hohe Ansprüche habe.









Danach gehe ich wieder zurück und werde von den Damen in Empfang genommen. Wie versprochen kaufe ich einen frischen Saft und der Frau eine Cola. Ich setze mich… sie setzen sich… und binnen kürzester Zeit sitzen plötzlich fünf Frauen um mich herum. Oh oh…
Sie fragen mich ein bisschen aus, hören interessiert meiner Geschichte zu. Eine der Frauen scheint die Mutter von allen zu sein, sie deutet auf das jüngste Kind (eine zwei-drei jähriges Mädchen) und auf die Kühlbox mit den Getränken. Ich nicke, ist schon okay, aber als sie dann auch auf sich und auf alle anderen zeigt, lehne ich streng ab. Die, die mich als erste angesprochen hat, zeigt mir ihre Zinnfigurensammlung und bittet mich, ihr etwas abzukaufen. Während sie mir eines nach dem anderen präsentiert, fällt ihrer Mutter ein, dass es doch eine super Idee wäre, wenn ich ihren Sohn heirate. Ich lache, Mensch, was für ein Deal, ich wollte nur etwas zu trinken und zack, gehe nach Hause mit einem Ehemann. Ihre Töchter bremsen sie glücklicherweise etwas ein, sodass ich doch noch zwei kleine Zinnfiguren für insgesamt vielleicht 1,50 Euro kaufe. Dann bin ich endlich mit meinem Getränk fertig, als mich die letzte Tochter nochmal abgreift und mich zu ihrem Kleiderladen führt.
Ich lasse mir ein paar von den tollen Hosen zum Binden zeigen, die ich schon überall gesehen habe und sowieso ein oder zwei mitnehmen wollte. Eine kaufe ich ihr also noch ab, verhandle den Preis noch etwas nach unten und dann fliehe ich auf mein Fahrrad. Die Frauen winken mir, morgen komme ich wieder, ja? Ich nicke und merke mir, dass ich am East Mebon Tempel nicht nochmal anhalte.
Im Nachhinein finde ich nicht, dass man mich dort schlecht behandelt hat. Eigentlich waren die Frauen sehr freundlich, bis auf die Mutter, die nach dem kleinen Finger sofort an der ganzen Hand gezogen hat. Die Leute von Kambodscha haben es nicht einfach, ihr Land wurde in übelste Armut getrieben und sie müssen sich irgendwie über Wasser halten. Der Tourismus ist eine der wichtigsten Einnahmequellen hier und man hat nichts falsch gemacht, wenn man ein paar Straßenhändler und Restaurants hier unterstützt. Freiwillig oder nicht!
Ich fahre weiter durch den Wald, hier und da entdecke ich immer ein paar Affen am Straßenrand, vor allem in der Nähe von Touristen. Natürlich, dort werden sie auch gefüttert… oder holen sich das, was eigentlich nicht für sie bestimmt war.
Mein nächster Stopp ist an einem See, über den eine lange Brücke führt, wo die eigentliche Anlage „Neak Poan“ steht. Der Himmel zieht ein bisschen zu, man spürt, dass etwas in der Luft liegt. Ich gehe trotzdem los und hole aber recht schnell meine Regenjacke heraus, als die ersten Tropfen fallen. Die Leute, die eben noch posierend fürs Foto auf der Brücke standen, beginnen zu rennen, um sich in Sicherheit zu bringen. Nicht unbegründet, denn innerhalb von Sekunden beginnt es zu schütten, was die Himmelstore hergeben. Es ist ein warmer, tropischer Regenguss und ich stehe fast alleine auf der Brücke und sehe über den weitläufigen See, in dem es prasselt und brodelt. Rosa Seerosen hüpfen auf und ab, die Blätter werden geflutet. Langsam laufe ich über die Brücke zum anderen Ende, wo es, unter den Bäumen ein bisschen besser ist.
Ich versuche, trotzdem ein Foto zu machen, als der Horror für jeden Millenial passiert: Mir rutscht das Handy aus den nassen Händen und es fällt tief in den Matsch. Ich bekomme einen Mini-Herzinfarkt, ziehe es heraus und versuche den Schaden so gut es geht einzudämmen. Dann ziehe ich es vor, den Regen doch noch abzuwarten. Ist übrigens nichts weiter passiert, ich hatte Glück.
Irgendwann zieht der Schauer vorüber und ich erkenne, dass die Anlage vor mir eine Art Wasserspeicher ist mit großen, symmetrischen Becken und nur kleinen Gebäuden. Es ist wirklich idyllisch, aber ich bleibe nicht mehr lang. Gleich nach dem Regen kommt die Sonne wieder heraus und ich bekomme noch Gelegenheit, ein paar Bilder vom See zu machen.






Dann überquere ich die Brücke wieder zurück, die sich schon wieder mit nassen Touristen füllt, steige auf mein Rad und bin wieder unterwegs… und nach ein paar Minuten auch wieder komplett trocken.
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass ich schon viel länger unterwegs war, als ich eigentlich sein wollte. Ich beschließe, mich auf den Heimweg zu machen, ich bin sowieso am weitesten Punkt angelangt. Ich fahre um die nächste Kurve, als ich einen Knall höre… und kurz darauf spüre, wie mein Hinterreifen immer weniger Luft hat. Ich steige ab und sehe die Bescherung: Platt wie ein Pfannkuchen!

Na super!!! Ich stehe mitten im Dschungel.
Und da bleiben wir für heute auch erstmal stehen.
Liebste Grüße,
Eure Jana
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