Hallo meine Lieben, endlich geht die Geschichte weiter!
Ich sitze im Bus von San Martin de los Andes nach Neuquen und schlafe schlecht. Mal wieder ist der Bus recht voll die Luft stickig und die Leute kommen und gehen.
Diesmal werde ich allerdings Opfer einer besonderen Frechheit. Während alle von uns versuchen irgendwie eine halbwegs bequeme Schlafposition zu finden, erfindet mein Hintermann die tolle neue Technik, sich mit dem Kopf an meinen Rücksitz zu legen und die Arme nach vorne zu strecken. Dann döst er weg, seine Arme sinken nach unten und auf meinen Kopf.
Zuerst kann ich es überhaupt nicht fasse und erwarte, dass die Hände sofort zurückzucken und sich entschuldigen. Das passiert nicht. Ich greife nach oben und schiebe die Hände weg, woraufhin sie sich zurück ziehen. Eine Minute später passiert dasselbe. Diesmal schiebe ich sie kräftiger zurück, drehe mich um und schaue ihn böse an. Er wacht kurz auf, murmelt etwas von wegen, er sei müde und lehnt sich dann nach hinten. Ach und ich nicht oder was? Auch ich drehe mich wieder um, gehe in meine Position, bin aber schon viel zu sauer, um noch richtig schlafen zu können, vor allem weil ich jede Sekunde erwarte, dass wieder…. uuund da sind sie auch schon, wieder habe ich seine Hände auf meinem Kopf. Diesmal schlage ich hin, drehe mich um und fauche ihn an, was das soll, ist er zwölf oder was? Er hat seine verdammten Hände auf meinem KOPF, geht’s noch? Diesmal sieht er es ein, hebt die Übeltäter und entschuldigt sich.
Ich schlafe trotzdem nicht mehr. Wir kommen morgens gegen halb sechs in Neuquen an, ich bin total fertig. Es ist wieder diese Situation, in der es zu früh für alles ist, nichts hat offen, draußen ist es kalt, mir bleibt nichts anderes übrig, als im Terminal zu warten, bis irgendetwas aufmacht. Außerdem muss ich dort mein weiterführendes Ticket kaufen, um auf meiner komplizierten Reise nach Malargüe den nächsten Schritt machen zu können. Ich sitze also halbtot im Terminal, bin zu müde zu schreiben/zu lesen und versuche nicht zu sehr zu frieren. Jeder Backpacker kennt die Situation, ist ein Standard, der immer wieder vorkommt, schön ist es nie. Irgendwann gegen acht macht dann das Ticketoffice auf und die Frau verkauft mir nicht nur das Ticket für die nächste Station, sondern auch schon das für den dritten und letzten Bus, der mich letztendlich zu meinem Ziel bringen soll. Da freu ich mich, schonmal ein Problem weniger. Jetzt gilt es nur noch den Tag rumzukriegen, mein Bus fährt um 16:30 Uhr. Im Terminal ist ein kleiner Glaswürfel auf dem Tourismusoffice steht und in dem eine Frau sitzt. Nachdem ich mein Gepäck im Storage abgegeben habe, gehe ich dorthin und lasse mir den Weg in die Stadt erklären. Die Frau ist sehr freundlich und hilfreich, sodass ich 10 Minuten später im Bus Richtung Stadtzentrum sitze.
Im Zentrum steige ich aus und spaziere ein bisschen in der Morgensonne hin und her. Neuquen wirkt wie eine moderne, reiche Stadt, alles ist schön hergerichtet und immer wieder blitzen grüne Oasen hervor. Ich find’s ganz nett.











Es gäbe auch ein Sternobservatorium, aber das macht natürlich erst am Abend auf, da bin ich schon wieder weg. Und während ich durch die Straßen laufe, treffe ich ein bekanntes Gesicht, der darf natürlich nirgends fehlen.

Und wieder denke ich an die armen anderen Spieler im argentinischen Nationalteam, für die sich kein Schwein interessiert. Aber lange hält mein Mitleid nicht, ich hab langsam echt Hunger. Mittlerweile ist es neun, jetzt haben sicher alle Cafés offen und ich suche mir ein nahegelegenes, bei dem ich am Fenster in der Sonne sitzen kann. Das ist der schöne Teil nach einer Nacht im Bus, wenn man noch in kein Hostel kommt oder eh nur auf der Durchreise ist. Ein schönes Frühstück im Café ist die Belohnung für die Anstrengungen.

Ich esse in Ruhe, trinke noch einen Tee und noch einen Tee, bis mein PC keinen Akku mehr hat und ich mit dem Schreiben aufhören muss. Dann zahle ich, lasse mir noch heißes Wasser für Mate geben und ziehe dann wieder los. die Stadt Neuquen hat im Süden ein kleines Flussdreieck, in dem drei Flüsse und… ich meine zwei Provinzen aneinanderstoßen? Vielleicht drei, auf der Karte ist es uneindeutig. Jedenfalls gibt es dort viele Parks und Grünflächen, da will ich hin. Mein Körper lechzt nach Natur. Ich beschließe zu laufen, weil er nächste Bus erst in 20 Minuten kommt, bis dahin bin ich fast dort. Außerdem tut die Bewegung gut, ich muss ja ein bisschen auf meine Beine aufpassen.
Der Marsch geht theoretisch nur an der großen Hauptstraße entlang nach Süden, dann biege ich noch einmal nach rechts, nach links und schon bin ich dort. Als erstes sehe ich ein paar Ruderer, die gerade ihre Boote zu Wasser lassen und dann auf die Flüsse hinaus paddeln. Ich sehe ihnen eine Weile zu und spaziere dann über die Brücke in den Park, wo es wirklich recht schön ist.





Ich suche mir einen schönen Platz am Fluss, ein bisschen windgeschützt, setze mich und trinke in Ruhe meinen Mate, während ich auf das fließende Wasser schaue und tief die gute Luft durchatme. Ich erinnere mich plötzlich an meine erste LKW-Fahrt, die in einem Gemüseladen in Comodoro Rivadavia geendet hat, wo ich die Ehefrau meines LKW-Fahrers kennengelernt hatte. Sie kam aus der Region Neuquen und hat mir erzählt, wie schön es dort ist, und dass die Umstellung für sie auf die kalte Industriestadt im Osten des Landes nicht leicht war. Ich verstehe nun, was sie meinte. Kurzentschlossen schreibe ich dem Sohn, dessen Handynummer ich noch habe, einen kleinen Gruß vor allem an seine Mama. Leider kam nie eine Antwort. Tja, doch nur eine „oberflächliche“ Begegnung. Ist aber okay.
Nachdem ich ausgetrunken habe, mache ich ein Foto vom „Neuquen“ Zeichen, dort spricht mich ein Paar aus Uruguay an, mit denen ich mich kurz, aber sehr nett unterhalte. Sie geben mir einige Empfehlungen für Mendoza, ich gebe ihnen einige Empfehlungen für Ushuaia, dann verabschieden wir uns nett und gehen unserer Wege. Ich spaziere an der Flussstrandpromenade entlang und genieße das Sonnenlicht. Dann wähle ich einen kleinen Pfad, der eine Runde um das Parkgelände zieht und schaue noch ein bisschen länger auf das glitzernde Wasser.


Ich komme zurück zum Ausgangspunkt und hoffe dann einen Bus zu erwischen, so langsam ist der Spaziergang doch recht lang. Leider ist es dieselbe Situation wie zuvor, ich hab den letzten Bus gerade verpasst und bin zu Fuß genauso schnell… also trete ich den Rückmarsch an. Da es dann doch mit der Zeit knapp wird, wenn ich vor meiner Busabfahrt noch was essen will, rufe ich mir ein Taxi heran und lasse mich die letzten fünf Minuten bis zum Restaurant meiner Wahl fahren. Ich hab Lust auf asiatisch! Allerdings hab ich in dem Restaurant ein bisschen daneben gelangt. Ich stehe in einer Art Mensa, deren System ich überhaupt nicht verstehe. Die Kellner erklären es mir drei Mal und immer noch bewege ich mich wie das Lama zwischen lauter Schafen, bis ich am Ende doch an meinem Tisch mit einem vollen Teller sitze, der zwar nichts mit Asia-Food zu tun hat, aber doch ganz okay schmeckt. Ich zahle und suche mir dann einen Bus, der mich zurück zum Terminal bringt. Auch das klappt, dort muss ich dann nur noch kurz warten, bis mein Bus einfährt, dann geht die Reise weiter.
Ich schlafe recht schnell ein. Die Fahrt geht nach Rincon de los Sauces, ehrlicherweise erinnere ich mich an nichts mehr, bis auf das Ende der Fahrt, in dem ich ein bisschen unter Zeitdruck gerate, weil die Abfahrt für den Anschlussbus immer näher rückt, wir aber noch nicht da sind. Die Sorge hätte ich mir aber sparen können, der Umstieg ist ziemlich genau getaktet und von derselben Firma organisiert, ein Verpassen wäre unmöglich gewesen. Ich steige also entspannt um, gehe auch nochmal auf die Toilette (sehr gute Idee) und dann startet die letzte Busfahrt, die mich nach Malargüe bringen soll.
Soweit so gut. Alles ein bisschen anstrengend. Vor allem meine Füße mussten wieder sehr leiden. Die stecken nämlich seit fast 40 Stunden in Wanderschuhen, es gab nie eine Gelegenheit, dass ich sie mal hätte ausziehen können oder ich hab schlichtweg nicht drangedacht. Jetzt bereue ich es, will die Schuhe aber auch nicht ganz ausziehen… ich hab ein bisschen Sorge, dass die Gase darin zu Todesfällen führen. Also öffne ich die Schuhe nur ein bisschen, aber die Schmerzen werden wenig besser. Ich versuche einfach wieder zu schlafen, damit die Zeit vergeht und ich meine Patienten bald im Hostel hochlegen kann. Ich hole wieder meinen Schlafsack raus, mein guter wärmender Freund und tatsächlich klappt das mit dem Schlafen so halb. Wir sind nicht viele Leute im Bus, die Heizung ist okay. Ich döse weg.
Mir steigt ein seltsamer Geruch in die Nase, der mich aufweckt. Riecht irgendwie verbrannt. Außerdem höre ich ein nervtötendes Piepgeräusch, in Verbindung mit einem roten Licht, das mir genau in die Augen blendet. Der Bus fährt aber noch weiter… dann scheint das ja okay zu sein. Ich versuche das Piepen zu ignorieren und weiterzuschlafen, meine Füße sind nämlich auch aufgewacht und schreien. Da hält der Bus an, Fahrer und Kopilot steigen aus. Ich ärgere mich ein bisschen, weil sie die Tür auflassen, draußen ist es sehr kalt. Der Bus steht, alle sind etwas verwirrt, man hört Schraubgeräusche. Nach 10 Minuten steigen alle wieder ein, es geht weiter. 200 Meter weiter bleiben wir wieder stehen, dasselbe Spiel nochmal. Diesmal schließen sie wenigstens die Tür, trotzdem wird es langsam kühl. Alle fangen an Jacken anzuziehen und sich in ihre Decken zu kuscheln, ich hab mit meinem Schlafsack das große Los gezogen. Die Fahrer steigen wieder ein, wir fahren, 200 Meter später bleiben wir stehen. Das Spiel wiederholt sich noch ein, zwei Mal, dann bleiben wir endgültig stehen.
Mitten im Nirgendwo in der Pampa steht ein langsam auskühlender, kaputter Bus, nachts um drei bei Temperaturen um die 2-3 Grad, nichts außer den Sternen und den Taschenlampen der Busfahrer leuchten durch die Nacht.
Und mitten drin sitze ich, mit absterbenden Füßen.
Wie zur Hölle kann das denn schon wieder passiert sein??!?!?!?!? So eine SCH….
Liebste Grüße,
Eure Jana
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