Liebste Leser*innen,
Als ich am Morgen an meinem Blog sitze, gesellt sich Adriano zu mir. Ich frage ihn ein bisschen aus und was er erzählt ist wirklich interessant:
Wie die Incas glauben die Völker des Amazonas an die Tiere im Wald, vor allem die großen. Die Tiere haben Macht, sie sind ihre Götter, für verschiedene Stämme verschiedene Götter. Achtung, ich schreibe alles in Lautschrift, das ist total falsch geschrieben: Einige glauben an Yakumama, eine riesige Anaconda, die tief im Dschungel liebt. Auch die Boa wird vom Stamm der Boas verehrt, die Jaguas verehren den Jaguar. Für einige gibt es den Chapichiku, den Herrn des Urwalds… und oft nennen sich die Stämme nach dem Gott, an den sie glauben.
Iquitos heißt übrigens Iquitos, weil ein Jesuit einen guten Ort für einen Missionsstätte im Amazonas gesucht hat. Zuerst war an einem anderen Ort, wo sich zwei Gruppen zu dem Ort Urimaguas (Name aus zwei Kulturen) gegründet haben, später verlegt sich der Ort zum Flussdreieck, wo die Gruppe der Iquitu lebte. Den Namen ändern sie zu Iquitos, weil Iquitu ähnlich zu Quitu (Heute Quito- Ecuador) klingt.
Auch die anderen haben sich dazugesellt und bald darauf gibt es Frühstück. Es gibt gebratenen Fisch. Wir sind alle überrascht und essen dann das Gemüse und die Banane, kaum jemand kriegt einen Fisch zum Frühstück runter. Außer uns ist noch ein spanisches Ehepaar hier, die alles mit ihrem privaten Führer unternehmen, auch einen Camping-Ausflug mitten im Wald. Ich bin neidisch. Die beiden sind total nett, wir unterhalten uns viel und ich gebe ihnen ein paar Tipps für Cusco. Sie erzählen mir im vertrauen, dass sie viel weniger bezahlt haben und ich falle mal wieder auf den Boden der Tatsachen, man hat mich mal wieder über den Tisch gezogen. Ich geb’s auf. Danach fahren wir mit dem Boot los zum Ausgangspunkt. Heute sind wir zu sechst. Vera geht es leider nicht gut, sie bleibt im Camp und ruht sich aus.
Trotzdem sind wir heute viele. Die Besoffskis sind auch dabei und ich erwarte ehrlicherweise nicht allzu viel von dem Tag. Wir fahren mit dem Boot raus, steigen an einer Stelle aus und beginnen unsere Waldwanderung.
Gleich zu Beginn kratzt Adriano etwas Rinde vom Dr. Caspi- Baum ab, legt es in Blätter ein und schnürt es mit einer Schlingpflanze zusammen. Er macht wie eine Kette daraus, die sich Maurice um den Hals hängen und als tapferer Held das Heilmittel aus dem Urlaub für seine Freundin mitbringen kann. Schon cool, was dieser Wald alles kann. Adriano erklärt die Heilwirkung auch nochmal für die Neuankömmlinge.




Nach ein paar Metern sind wir wieder tief im Dschungel… Adriano hört einen Affen und biegt ab, querfeldein durchs Unterholz und kurz darauf sind wir irgendwo im Nirgendwo. Der Boden wird zum Sumpf, von den Trampelpfaden, denen wir sonst gefolgt sind, nichts zu sehen. Der Affe schreit auch nicht mehr, wir sind verloren im Urwald. Trotzdem bin ich ein bisschen aufgeregt… der Sumpf ist der Lebensraum der Anaconda… vielleicht haben wir ja doch Glück?
Am Ende ist das ja das, was alle hier wollen: Ein Monster sehen. Eine Riesenschlange, eine tödliche Riesenspinne, den Jaguar, einen der gefährlichsten Jäger der Welt… aber wenn man nur danach sucht, dann wird man hier bitter enttäuscht werden. Und verpasst auch die eigentliche Schönheit, die einen dauernd umgibt.
Wir kriechen zwischen den Bäumen durch und machen dabei einen Höllenlärm, vor allem Besoffski stolpert durch den Wald, wie ein… naja, ein Besoffener. Meine Hoffnung, Tiere zu sehen, stirbt. Und wir sehen auch nichts mehr an diesem Vormittag. Adriano fragt, ob wir ein Palmenherz probieren wollen. Alle nicken, aber als Adriano dafür eine Palme fällt, ihr Kopf und Stamm abhackt und nur den mittleren inneren Teil herausnimmt… wie ein Herz eben… sind alle ein bisschen vor den Kopf geschlagen. Es schmeckt ein bisschen wie Kohl, wir nehmen den Teil mit und verwenden ihn später fürs Mittagessen.


Adriano bekommt Durst und geht zu einer von den Holzranken, die fast überall wachsen. Er hackt ein Stück mit der Machete raus, hebt den Baum an… und es kommt Wasser heraus. Er trinkt, dann gibt es an uns weiter. Als nichts mehr rauskommt, pustet er kräftig ins andere Ende und es ergießt sich nochmal ein Schwall. Er erklärt, man muss die Ranke in eine bestimmte Richtung schneiden, sonst klappt es nicht. Es ist die Katzenkralle, die wir zuvor schon gesehen haben und die auch in der Krebsvorbeugung/Behandlung eingesetzt wird. Fantastische Pflanze.



Adriano findet den Weg wieder und wir laufen zurück, allerdings müssen wir das Boot kurz suchen, weil wir an einer anderen Stelle herauskommen. Dann geht es zurück ins Camp, Mittagessen. Nach einer Dusche lege ich mich zu einer Siesta hin, aber es läuft Musik aus dem Vorraum, was mich jetzt schon wahnsinnig macht. Es kann doch nicht wahr sein, dass diese Leute es nicht einmal schaffen die Dauerbeschallung abzuschalten, nein, es muss immer Musik, immer Unterhaltung da sein.
Ich atme durch, ziehe mich zurück in den hinteren Teil des Hauses, der wie eine kleine Terrasse in den Wald geöffnet ist, dort finde ich ein bisschen Ruhe, trotz laufender Musik. Nachmittags fahren wir zum Fischen raus. Jeder bekommt einen Stock mit einer Angelleine und einem Haken, an dem ein Stück Köder befestigt wird. Ich hab noch nie geangelt, merke aber, was Angelfreunde daran toll finden… man ist am Wasser, in der Natur, es ist ruhig, man beobachtet die Vögel und das Gefühl, etwas zu fangen ist großartig. Allerdings sind die Fische hier so schlau, dass sie die Köder oft abknabbern, ohne in den Haken zu beißen. Und wenn man die Angel hochzieht ist nur noch ein blanker Metallhaken dran. Gut, dass wir viel Köder haben. Da beißt bei mir einer an, ich ziehe hoch und YES! Ein Fisch. Ich angle gleich am Anfang drei. Zwei andere angeln sogar einen Piranja. Blöd, das keiner von uns ein Handy mitgenommen hat, irgendwie hatten wir alle Angst, heute ins Wasser zu fallen. Ist natürlich nicht passiert, so gibt es aber auch keine Piranja-Fotos… oh Mann, die Zähne waren echt angsteinflößend, da will man echt nicht schwimmen gehen.
Während wir dort sitzen, sehen wir an einer der Anlegestellen, wie die komplette Familie baden geht… überall sind heute die Leute im Fluss, waschen sich mit Shampoo die Haare und baden die Kinder. Heute ist Sonntag, vielleicht ist das immer so, dass sonntags die ganze Familie badet, war ja bei uns früher auch so. Die Leute hier sind die Bakterienumwelt des Amazonas gewöhnt, da ist das ein ganz normaler Fluss Wir Europäer verziehen bei dem braunen Wasser das Gesicht und bei dem Gedanken daran, was hier alles rumschwimmt, wird uns schwindelig. Kulturen sind eben verschieden und es ist schön zu sehen, dass die Beziehung zwischen Mensch und Natur hier noch im Einklang ist.
Wir wechseln ein paar Mal die Stelle, aber viel fangen wir nicht. Bei mir beißt auch nichts mehr an. Das anstrengende ist vor allem das Sitzen auf der Holzplanke, das ist keiner von uns gewöhnt und es tut echt weh. Alle sind heilfroh, als wir den Rückweg antreten und ins Camp zurückkehren. Dort wird es langsam dunkel… und zwar ziemlich, weil der Stromgenerator mehrfach ausfällt. Die Männer machen sich ans reparieren, wir Gäste sitzen einfach nur rum, natürlich läuft wieder die Musikbox.
Warum ich nichts sage? Es wären nur dumme Sprüche gekommen und am Ende trotzdem Musik gelaufen. Ich hätte die Box in den Fluss werfen müssen und ihm das Geld dafür in die Hand drücken sollen… glaubt mir, ich war sehr oft versucht. Aber dann wär die Musik eben aus dem Handy gekommen. Verstanden hätten sie es nie. Die Sinfonie des Waldes ist allerdings futsch.
Nachdem der Generator wiederläuft und wir zu Abend gegessen haben, wird noch ein Nachtmarsch angekündigt. Wir schlüpfen also nochmal in die Stiefel, holen die Taschenlampen raus und folgen Adriano und unserem Bootsfahrer, der heute mit in den Wald geht.
Die Besoffskis haben ihren Namen wieder alle Ehre gemacht, trinken schon seit dem Angelausflug und stolpern wie immer alkoholisiert hinterher. Als ob das nicht genug ist, drängt er sich auch ständig mit seiner Handykamera nach vorne und macht Videos für seine Influencer-Karriere. Der Typ ist ein einziger Witz, echt.



Wir sehen ein Opossum auf den Bäumen, einen schwarzen Skorpion, eine Maus… nicht viel, doch dann sieht Adriano etwas im Wasser. Zuerst gibt es natürlich den großen Anacondaverdacht, ist es aber nicht. Adriano bittet uns, alle Lampen für einen Moment auszuschalten. Das ist echt gruselig, wissend, dass so ein Riesenvieh in der Nähe ist… Dann schaltet er seine Lampe an und im Lichtstrahl ist das Gesicht eines Aals, der volle zwei Meter misst. Es ist einer der elektrischen Aale, die wir am Vortag gesucht, aber nicht gesehen hatten. Der ist ziemlich beeindruckend. Die Fotos werden nicht wirklich was.
Wir beobachten das Tier eine Weile, dann machen wir uns auf den Rückweg ins Camp. Ich schaue währenddessen oft hoch in die Sterne, die klar über dem Wald leuchten. Es ist so wunderschön hier. Darauf konzentriere ich mich ab jetzt. Also, ich versuch’s.
Zurück im Camp putze ich gerade noch meine Zähne, dann kommt aus dem Waschbecken kein Wasser mehr. Na toll.
Zeit, den Tag zu beenden.
Liebste Grüße,
Eure Jana
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