Hallo meine Lieben!
Ich hab lange hin und her überlegt, was ich noch machen will. Also, was ich hier in Mexiko noch anschauen will. Die Auswahl ist zu groß, selbst nach dem ich schon alles für mich „irrelevante“ rausgefiltert habe. Schon seit Tagen zerbreche ich mir den Kopf. Nur noch eine Woche! Wie nutze ich sie am besten?
Fakt ist, egal was ich mir unterwegs noch anschaue, ich werde dafür etwas anderes verpassen. Und alles was es noch gibt, habe ich so oder so ähnlich schon gesehen. Mein Körper schreit eigentlich nur nach einem: Ruhe! Also was soll’s? Man kann nicht alles sehen und ich kann jeweils drei Tage an zwei Orten oder sieben an einem verbringen. Ich entscheide mich für letzteres. Schluss mit Speed-Travelling ich hab die Schnauze voll. Diese Entscheidung treffe ich allerdings erst am Busterminal von Villa Hermosa, als ich auf die große Tafel mit den vielen Busverbindungen und Preisen starre, in dem Versuch mich zu entscheiden, wohin ich will.
Also gehe ich an einen Schalter und kaufe mir das nächste Ticket nach Mexiko City. Die Busfahrten in Mexiko, vor allem die langen waren übrigens eine einzige Folter! Irgendwie sind die Sitze für meinen Rücken so komisch, dass ich vor Schmerzen und Frustration nicht ein Auge zubekomme, eingequetscht zwischen meinem Rucksack und meinen Sitznachbarn. Nachts um eins geht dann das Licht an und man wird in ein Restaurant zum Klogang und evtl. Essen gezwungen.
Mein Rücken und meine krampfadrigen Beine haben in den letzten Wochen ziemlich leiden müssen. Auch wenn ich mir immer wieder sage, jetzt kann ich’s noch machen, in zwanzig Jahren tue ich mir das nicht mehr an… aber was ich mir jetzt an tue, bezahle ich ziemlich sicher in weniger als zwanzig Jahren mit weiß-Gott-was für Bandscheiben und Durchblutungsproblemen! Wieder eine freundliche Erinnerung, in mein späteres Leben (wie auch immer) einen gesunden Anteil an gesunder Ernährung und vor allem Sport zu integrieren!
Ich komme gerädert nach einer schrecklichen Fahrt in Mexiko City an. Ursprünglich war die Idee, in einen kleinen Ort außerhalb der Großstadt zu fahren, wo ein mögliches letztes workaway gewesen wäre. Aber am Ende entscheide ich mich dafür, mir diese grässlichen Kutschfahrten schlichtweg zu ersparen und meine letzten Tage in Mexico City zu verbringen.
Ich lasse mich morgens zu einem Hostel bringen, ohne es vorher zu reservieren, wie schon so oft. Diesmal allerdings ohne Erfolg, sie sind tatsächlich schon voll. Mist! Um die Ecke war noch eins, dort finde ich einen Platz, auch wenn es mir eigentlich zu teuer ist. Mexico City allgemein, meine Fresse! Gut, dass ich eh keine Lust mehr auf Tourismus habe, ich kann’s mir hier nämlich auch nicht mehr leisten. Auf meiner Liste steht nur noch ein Punkt! Sollte in den nächsten sieben Tagen irgendwann möglich sein.
Ich checke ein, frühstücke und beschließe dann, für ein bisschen Bewegung, mich mal wieder einer Free Walking Tour anzuschließen. Dort treffe ich eine nette Französin (Victoria), die gerade frisch vom Flughafen kommt und den Tag ebenfalls nicht tatenlos verstreichen lassen will.
Wir lernen, dass Mexiko City auf den Ruinen der Mestizen-Kultur steht, einer indigenen Gruppe, ähnlich den Azteken, nur eben in diesem Gebiet. Die Stadt hieß ursprünglich Tenochtitlan und wurde um 1325 gegründet. Die Überreste des Tempels, den sie damals bauten, kann man heute noch besichtigen und ist ein zentraler Teil des Stadtzentrums von CDMX. Gewidmet ist der Tempel dem Gott des Krieges (Huitzilopochtli – geht ganz leicht von der Zunge, oder?) und dem des Regens (Tláloc). Darum herum entstand das politische und ökonomische Zentrum der Stadt.




Ähnlich wie Paris stand dieses antike Zentrum auf einer Insel in der Mitte eines Sees. Als die Stadt wuchs, legte man den See trocken und baute darauf weiter. Unser Guide erklärt, dass der Boden eigentlich kein Baugrund ist und deshalb sind Teile der Innenstadt am Versinken… gaanz langsam. Sie zeigt auf ein paar Häuser und tatsächlich, die hängen deutlich tiefer, als ihre Nachbarn.
Besonders viel merke ich mir nicht, bin immer noch ziemlich müde und die Tour fängt mich nicht allzu sehr. Wir kommen an der „James-Bond“-Straße vorbei, in der für SPECTRE eine Prozession des „Dia de los muertos“ (Tag der Toten) nachinszeniert wurde. Mittelspektakulär, wenn man kein so großer Fan ist.


Der „Dia de los Muertos“ ist einer der größten Feiertage in Mexiko. Und ich verpasse ihn ganz knapp. Am 2. November bemalen sich die Leute das Gesicht als ein Totenkopf, tragen bunte, festliche Kleidung und alles ist voller orangener Blüten. Es ist der Tag, an dem die Seelen der Verstorbenen Verwandten zurückkommen und einen Tag mit ihrer lebenden Familie verbringen. Es wird getrunken, gegessen, musiziert… es ist ein Festtag und meiner Meinung nach eine der schönsten Arten, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren.
Wir laufen ein Stück durch das Stadtzentrum, passieren das älteste Postzentrum der Stadt, das in einem wirklich wunderschönen Gebäude ist. ich beschließe, ein paar Postkarten von hier zu schicken.




Außerdem werfen wir noch einen Blick auf das Museum der schönen Künste, dessen Gebäude schon eine Kunst für sich ist:

Und das war es dann auch schon.
Nach der Tour gehen Victoria und ich klassisch Tacos essen, dann trennen sich unsere Wege für heute.
In meinem Zimmer treffe ich eine andere Deutsche (Hannah), mit der ich auch gleich ins Gespräch komme. Jetzt, wo ich ein paar Mädels in unmittelbarer Nähe gefunden habe, verspüre ich erst recht nicht mehr das Bedürfnis, Mexico City nochmal für ein paar Tage zu verlassen. Ich bleibe einfach.
Abends treffe ich mich nochmal mit Victoria und wir schließen uns einer Gruppe ihres Hostels an, die dasselbe Ziel haben. Wir fahren mit der Ubahn in einen anderen Stadtteil, kaufen unsere Tickets und sitzen dann in einer großen Halle, mit einem Box-Ring in der Mitte. Von Boxen war ich noch nie ein Fan… aber von Wrestling in glitzernden, schillernden Kostümen schon eher, bei dem die Hälfte inszeniert ist, schon eher:



Im Team von 2 gegen 2 oder 3 gegen 3, Männer UND Frauen, geht es Runde über Runde. Ich denke schon, dass die Schläge/Fälle teilweise echt sind, also es schon ein schmerzhafter Job ist, aber der Großteil ist eine einstudierte oder vorhersehbare Choreografie, die ein paar Mal ganz witzig anzusehen ist. Am Anfang sind wir alle auch noch recht feurig dabei, aber nach der vierten oder fünften Runde, als das Prinzip klar ist, werden wir dann doch müde. Natürlich schüttet es genau jetzt wie aus Eimern und wir kommen klatschnass im Hostel an.
Am nächsten Tag frühstücke ich noch mein inkludiertes Frühstück, dann verlasse ich das überteuerte Hostel wieder und ziehe um ein anderes. Das ist zwar nicht viel billiger, aber schon etwas besser.
In meinem Zimmer ist ein Gast, der mal wieder nicht den nötigen Anstand hat, Kopfhörer für sein Handy zu benutzen. Und eine Frau kommt nachts um drei von weiß Gott was nach Hause, macht Licht, zieht sich raschelnd und lärmend um und legt sich dreißig Minuten später schlafen. Trotzdem kriege ich halbwegs genug Ruhe, einfach weil ich volle sechs Nächte an einem Ort bin und ein bisschen Gewohnheit genießen kann.
Tagsüber treffe ich mit Victoria, Hannah und einer dritten Deutschen, die Hannah noch getroffen hat. Wir wollten eigentlich ins Frida Kahlo Museum, aber das muss man wohl entweder vorreservieren oder es war ziemlich teuer… alles in allem entscheiden wir uns dafür ins Museum für Anthropologie zu gehen, eines der größten und berühmtesten in der Stadt und deutlich günstiger. Darin sind verschiedenste indigene Völker und deren Kultur vorgestellt. Gleich am Anfang schließen wir uns einer kostenlosen Tour an, die uns etwas über Teotihuacan erzählt.
Das ist die letzte große Pyramide, die noch auf meiner Liste steht und die ich die Tage noch besuchen möchte. Perfekt, dass ich jetzt die Infos kostenlos bekomme.
Allerdings werde ich sie euch jetzt vorenthalten und dafür in einem extra Artikel mit Teotihuacan verpacken.
Das Museum ist riesig, sehr detailliert und man könnte Tage darin verbringen, aber wir haben weder die Zeit noch die Gehirnkapazität und geben nach zwei bis drei Stunden auf.







Was ihr auf dem letzten Bild unten seht ist wohl ein Altarstein… erinnert das noch jemanden an das Goldstück-Amulett aus dem ersten Fluch der Karibik-Film?
Hannah und die andere Deutsche wollten noch ein anderes Viertel anschauen. Victoria und ich beschließen, nachdem wir unsere brüllenden Mägen gefüttert haben, den angrenzenden Zoo zu besuchen. Ein relativ unspektakulärer Besuch, da die Hälfte der Gehege leer ist.
Die restliche Woche gestaltet sich recht ruhig. Ich treffe mich mal mit Victoria und später nochmal mit Hannah in einem Café im achten Stock, von dem aus man einen fantastischen Blick auf das Museo de Bellas Artes hat:

Eines Abends lädt mich Victoria zu sich ins Hostel ein, dort findet ein Salsakurs statt. Ich liebe Salsa, deshalb komme ich gerne mit. Wir bilden zwei Kreise ineinander und rotieren die Partner mit jedem neuen Schritt. Natürlich gibt es wieder mehr Mädels als Jungs, aber ich führe eh gerne und tanze an dem Abend mit einem Haufen fabelhafter Frauen! Mein Highlight ist allerdings, als ich den Tanzlehrer erwische… und ICH führe. An dem Abend muss ich mich von Victoria verabschieden, für sie geht es am nächsten Tag weiter.
Mit Hannah verbringe ich einen entspannten Stadtbummel, bevor wir uns nochmal dasselbe Café gönnen. Die Stadt ist perfekt für genau solche Tage, zum spazieren und entdecken. Es ist sauber, die Gegenden sind sicher, überall gibt es leckeres Essen oder interessante Geschäfte. Es ist warm, aber nicht zu heiß, die Nächte sind warm aber nicht zu kalt. Und es gäbe noch sooo viel zu entdecken, aber ich bin einfach zu müde für Tourismus. Hier trotzdem noch ein paar Eindrücke:











Es ist recht schwer, frisches Gemüse/Obst zu finden, es ist mal wieder ein 7/11 an jeder Ecke, aber dort gibt es nur Getränke, Snacks, etc. Für frische Sachen muss ich den langen Marsch zu einem großen Markt antreten, werde auch mehrfach gewarnt, dass ich dort gut auf meine Sachen aufpassen soll. Es ist riesig, chaotisch, aber ich finde fantastische Frischwaren, so wie ich es kenne und liebe. Am Ende war es das also alles wert.
Die restliche Zeit nutze ich zum Entspannen, jeden Morgen Yoga auf dem Balkon zu machen und Blog schreiben… die Zeit vergeht und schon steht mein letzter Abend bevor.
Ich kann nicht sagen, dass ich an meinem letzten Abend melancholisch bin oder viel zurückblicke… von einem späteren Zeitpunkt aus gesehen, war ich wahrscheinlich einfach zu überladen mit Eindrücken, die ich nie wirklich verarbeiten konnte. Aber ich war auch bereit, Lateinamerika zu verlassen. Gerade die letzte Zeit war eher überschattet von nervigen Machos, stressigen Busfahrten und finanziellen Sorgen, als bereichert vom Genuss, ein Land und dessen Kultur zu entdecken. Und trotzdem hatte ich so viele irre schöne Momente, die ich als Topreiseerfahrungen mitnehmen kann. Ich bin also alles andere als traurig, als ich am nächsten Morgen um drei aufwache, die Wuselei der arbeitenden Frau nutze, um meine letzten Sachen zu packen und mir ein Taxi zum Flughafen rufe.
Ich verlasse Südamerika als eine andere Frau. Mehr Falten, mehr Narben, tiefere Krampfadern…. Aber auch stärker, weiser und so reich an Erinnerungen gut, wie schlecht, dass er für mehr als ein ganzes Leben reicht…. Also reichen könnte. Aber ich bin ja noch lange nicht fertig.
Adios Mexiko, Adios America Latina , Adios Español! Danke für absolut alles!

Liebste Grüße
Eure Jana
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