Buenas días mis amigos!

Wir erinnern uns an die miese Situation, mit der der letzte Artikel geendet hat. Mit pochenden Füßen sitze ich in dem immer kälter werdenden Bus, während die Fahrer endlos versuchen, draußen in der Kälte den Bus zu reparieren. Trotzdem war ich meiner Meinung nach die glücklichste in diesem Bus, weil ich meinen guten Freund den Schlafsack dabei hatte und so deutlich geschützter bin, als alle anderen. Das tut mir zwar leid, aber nicht so leid, als dass ich meinen Beschützer an jemand anderen geliehen hätte. So harren wir aus und warten, Stunde um Stunde vergeht. Die Sterne strahlen wunderschön klar über der Szene. Mir tun die Busfahrer leid, die draußen mittlerweile ein Feuer geschürt haben und versuchen, die Karre wieder zum laufen zu bringen. Andere Passagiere steigen aus, versuchen zu helfen, rauchen, oder erleichtern sich, es ändert sich aber nichts.

Es gibt kein Handysignal hier draußen. Ich schätze, dass irgendwann irgendjemand losgelaufen ist, bis zum nächsten Punkt, wo man ein Signal empfängt und die Firma angerufen hat, denn nach drei oder vier Stunden taucht langsam ein anderer Bus auf. Die Rettung ist nah. Wir steigen aus, warten kurz draußen und steigen dann in den neuen Bus, der noch kälter ist als der andere, hallllooooo liebster Schlafsack!!! Der kaputte Bus wird nicht zurückgelassen, sondern an den neuen angedockt, dann geht die Fahrt endlich weiter, raus aus der Senke und einem wunderschönen Sonnenaufgang entgegen.

So schön es ist, dass die Fahrt endlich weitergeht, als ich den Straßenverlauf sehe, bin ich ein bisschen besorgt wegen unserer spannenden Buskette. Die Landschaft ist toll, aber DIE Strecke mit zwei zusammenhängenden Bussen… puh, Respekt. Es geht aber alles gut.

Mit über fünf Stunden Verspätung kommt der Bus endlich in Malargüe an. Ich falle mehr aus dem Bus, als das ich gehe. So schnell kriegt mich da keiner mehr rein. Der einzige Vorteil an der irren Fahrt ist, dass ich jetzt nicht um vier Uhr früh ankomme und in derselben Situation wie in Neuquen ende. Die Stadt ist schon wach, es ist neun Uhr und ich kann direkt weiter. Die Sonne und der Marsch mit den schweren Rucksäcken wärmen mich auch schnell auf. Nur meine Füße sind in üblem Zustand.

Der Bus hat ein Stück weg vom Terminal gehalten, sodass ich zuerst dorthin muss, um nach einem Taxistand zu suchen. Ich finde eine wartende Frau vor, frage sie nach einem Kontakt für ein Taxi, da fährt ihres gerade ein. Sie verweist mich an den Fahrer, also frage ich ihn nach einem Kontakt. Ich erkläre, dass ich noch schnell einkaufen und dann zum Hostel EcoMalargüe muss. Er nickt, er holt mich einfach in 30 min hier ab, passt das? Ich bestätige, dann dackle ich zum nahegelegenen Supermarkt und kaufe Vorräte für die nächsten Tage. Keine Ahnung, worauf ich eigentlich Lust habe, so kaufe ich einfach für meine Standardravioli ein, Kekse, Schokolade, Käse, Nüsse, irgendwas halt. Müde trotte ich mit einer schweren Extratasche vom Supermarkt zurück zum Terminal, wo mich mein Taxi schon erwartet.

Wenigstens ist es diesmal kein schwieriger Fußmarsch mit zufälligem Traktorlift… sondern einfach eine angenehme 20-minütige Taxifahrt. Wir fahren raus aus der Stadt auf eine lange gerade Straße gesäumt von denselben länglichen Birkenbäumen, die in winterlichem Gelb langsam ihre Blätter verlieren. Die Natur ist spärlich grün, das Gelände flach, doch in nicht allzu weiter Ferne sehe ich die Berge. Eigentlich ganz schön. Und vor allem ruhig. Wir biegen auf eines der großen Gelände ein, die sich von der Straße abzweigen und holpern über die Zufahrt. Ich gucke nach rechts und sehe… Pferde. Ein Lächeln zaubert sich auf mein Gesicht. Ich kann es kaum erwarten, meine neuen Freunde bald kennenzulernen.

Das Taxi setzt mich vor einem großen Terrakotta-Haus ab. Ich bezahle und gehe nach drinnen, während ich mich staunend umsehe. Das Haus ist offensichtlich handgebaut aus Lehm, Ziegel und Holzbalken. Als Fenster dienen Flaschen oder alte Autoscheiben, bis auf den Essbereich, dort ist die Fensterfront normal verglast. Ich werde von Vanessa empfangen, die mich herzlich willkommen heißt und mich dann gleich wieder nach draußen führt, um mir alles zu zeigen.

Bei diesem Volontariat ist ein tägliches Frühstück inkludiert und wenn nötig, kann ich meine Wäsche waschen lassen. Im Hof tollen fünf Hunde in allen Farben und Größen herum… viele Streichelgelegenheiten. Dann geht es zu meinen neuen Lieblingen: Deutlich kleiner und kräftiger, dazu kommt das Winterfell als die großen, eleganten Polopferde in Buenos Aires, aber ich glaube, dass ich mich genauso schnell verlieben werde, wie damals. Gegenüber sind „die Ställe“. Für die Pferde gibt es kleine Paddocks mit Unterständen, Futter und Wasser und die Hühner haben einen großen Laufstall. Außerdem gibt es zwei kleine Schupfen in denen man alles Nötige findet, um die Tiere zu versorgen.

Während sie mir alles zeigt, erzählt Vanessa, dass sie ursprünglich aus Buenos Aires kommt, aber seit anderthalb Jahren hier arbeitet. Vor kurzem hat sie sich ein kleines Haus in Malargüe gekauft, es gefällt ihr sehr gut hier. Sie arbeitet hauptsächlich an der Rezeption, springt aber auch hier und da mal ein, wenn eine Hand fehlt.

Zuletzt zeigt sie mir mein Zimmer, dass ganz oben unterm Dach ist.

Ich überlege, eine Strichliste zu erstellen, wie oft ich mir den Kopf anschlagen werde, verwerfe den Gedanken aber, da käme ich ja nie hinterher. Vorerst habe ich das Zimmer für mich allein. Es ist ein bisschen kühl, weil es keine Heizung gibt, aber daran bin ich seit Chile nun wirklich gewöhnt. Als ich wieder nach unten komme, lerne ich die anderen Volontäre und ein paar Gäste kennen, die mich einladen, mit zu einem nahegelegenen Restaurant zu kommen. Dort werden Forellen gezüchtet und den Gästen frisch aus dem Teich serviert. Nach zwei Tagen Nicht-Schlaf in einer Blechdose habe ich zwar auch das Gefühl wie ein Fisch zu riechen, aber der Hunger siegt.

Wir gehen zum Auto und stellen fest, das wir sechs Leute für einen Fünfsitzer sind. Einer muss sich querlegen. Glücklicherweise fällt die Wahl nicht auf mich, sondern auf Gabriel, da er der schmalste von uns allen ist. Gabriel ist auch Volontär, 21 Jahre jung, langes schwarzes Haar und kommt aus Brasilien. Der andere Brasilianer heißt Carlos, ist schon um die vierzig und ein Macho, wie er im Buche steht. Frauen bekommen grundsätzlich eine Umarmung und einen Kuss auf den Kopf, er scherzt und lacht mit allen und fragt mich gleich zu Beginn, ob ich Marihuana will. Charlie (eigentlich ebenfalls Carlos) kommt aus Buenos Aires, ist auch schon etwas länger hier, wirkt ganz nett und fährt uns heute zum Restaurant. Die beiden Mädels sind Gäste des Hostels, Helén ist Französin und kann sich – wie ich damals in Palo Alto – einfach nicht von dem Ort lösen. Den Namen der anderen habe ich leider vergessen, sie kommt ebenfalls aus Buenos Aires, ist Architektin und auf der Durchreise nach Mendoza ein paar Tage hier hängengeblieben.

Wir kommen am Restaurant an und sehen uns die Fischteiche im Garten an. Da die Forelle ein Flussfisch ist, muss das Wasser in Bewegung sein. Dementsprechend sind die Teiche ein Labyrinth-system aus fließendem Wasser und getrennten Becken, wo die verschieden alten Forellen sich tummeln. Ganz vorne sind die großen, dicken Erwachsenen, dahinter die „Jugendlichen“, die wir später auf den Teller bekommen, in einem anderen Becken die ganz kleinen. Ganz hinten ist ein kleiner Ententeich, auf dem ein paar Gänse und Enten quaken. Die meisten Becken sind durch ein Metallgitter abgedeckt, damit sich die Vögel die Fische nicht zuerst schnappen.

Hinter uns kommt einer der Köche aus dem Haus, schnappt sich mit dem Kescher eine Ladung der jugendlichen Forellen und schneidet sie direkt dort auf. Ein Teil der Gruppe geht schnell ins Restaurant, sie wollen das lieber nicht sehen, ich schaue dem Koch kurz interessiert zu. Mit geübter Hand schneidet er den Bauch auf, nimmt in einem Schwung die Eingeweide raus und holt dann schon den nächsten Fisch. Ich hab nicht gesehen, ob er sie zuerst betäubt oder so, aber wir sind in Argentinien, ich schätze nicht.

Ich geselle mich mit ins Restaurant, wir bekommen kurz darauf eine Vorspeisenauswahl: Geräucherte Forellenhäppchen, Forellenaufstrich und Humus, gebackenes Tomatenbrot und noch eine Spezialität mit Forelle. Der Fisch selbst wird mit Salzkartoffeln serviert und schmeckt ausgezeichnet. Der Kellner zeigt uns zuvor, wie man das Rückgrat mit den Gräten richtig rauszieht. Alles eine Frage der Technik.

Wieder zuhause lechze ich nach einer Dusche, die nach zwei Nächten im Bus dringend nötig ist. Mal wieder sind die einfachsten Dinge die größte Wohltat. Danach setze ich mich in die Küche und will Blog schreiben, werde aber bald darauf unterbrochen und unterhalte mich mit den Mädels, die gerade dazugekommen sind. Später beginnt Carlos Pizza für alle zu backen (einschließlich Teig, beeindruckend) und die Runde am Tisch beginnt ein Spiel, bei dem es darum geht, die anderen einzuschätzen. Es ist ein angenehmer Abend und die Pizza später schmeckt ausgezeichnet. Ich ziehe mich dann trotzdem schon als erste zurück, mir fehlen zwei Nächte guten Schlafs.

Ich gehe ins Bad und als ich zurückkomme, ist ein Pärchen im Zimmer nebenan richtig miteinander zugange. Die Wände sind so dünn, dass ich alles höre und spontan nochmal für eine Viertelstunde ins Bad unten verschwinde, um den beiden ihre Privatsphäre zu lassen. Hostelleben, ich sag’s euch… na hoffentlich bleibt das eine Ausnahme. (Spoiler, bleibt es nicht)

Als ich zurückkomme ist es ruhig und ich schlafe dann schnell ein. Was für ein Tag. Aber endlich bin angekommen und eine Phase der Entspannung beginnt.

Liebste Grüße,

Eure Jana

Categories:

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert