Andere im Flugzeug: Herr-der-Ringe-Marathon, neuer Leserekord, durchschlafen. Ich im Flugzeug: Sprachkurs Portugiesisch für Anfänger. Wird vom Entertainment-System angeboten und ich bin begeistert! Dort lerne ich eben jenen Satz, den ich seit Anfang in Rio gefühlt schon hundertmal gesagt habe: eu nao falo portugês = Ich spreche kein Portugiesisch.

Und ich hasse es, dass ich kein Portugiesisch spreche. Ich würde so gerne mit den Leuten reden oder auf ihre netten Gesprächsversuche eingehen, aber ich kann einfach nicht. Und es spricht kaum jemand Englisch. Sehr frustrierend für jemanden mit meiner Sprachbegeisterung. Und leider ist mein Hirn so überwältigt, dass ich selbst die einfachsten Sachen 10 mal googlen muss, weil ich mir absolut nichts merken kann. Tja, man lernt eben keine Sprache in ein paar Stunden. Aber mit halbem Spanisch, Zeichensprache und einem entschuldigenden Lächeln komme ich ganz gut durch… eu nao falo portugês.

Es ist der Morgen des 1. Januars… ich bin in Rio de Janeiro – Fluss des Januars. Schön, oder? Es passt alles zusammen. Ich wache auf und beginne im Kopf schon wieder Pläne zu machen, was ich heute alles erledigen muss, beschließe dann aber, den Tag ganz ruhig angehen zu lassen. Ich bin ziemlich müde, die Nacht war wieder kurz und ich habe das Gefühl, das Schlafmangel, Jetlag und die Hitze zusammen kommen… und so bleibe ich einfach liegen. Was nicht heißt, dass ich nicht fleißig war: Ich beantworte so viele Nachrichten wie möglich, tippe den Blog, schreibe eine Bewerbung, recherchiere für die Weiterreise: Insgesamt habe ich gefühlt den kompletten Vormittag nur vorm Bildschirm verbracht.

Nach dem allen überlege ich ernsthaft, den Tag komplett im Zimmer zu bleiben. Ich bin wirklich müde, es ist so heiß draußen… Die Stimme im Hinterkopf sagt: Hallo? Du bist nur ein paar Tage in Rio, du musst ALLES ausnutzen, NUR unterwegs sein, Fotos machen, Eindrücke sammeln… ist das nicht genau die Art von Stress, der ich gerade entkommen bin? Ich wollte doch loslassen. Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn mich einfach zwinge mich auszuruhen und…

Da bekomme ich eine Nachricht auf mein Handy: Meine Bewerbung wurde angenommen: Ich habe einen Minijob auf einer Pferdefarm in Argentinien bekommen. Ich bin total baff, dass es gleich beim ersten Mal funktioniert hat.

Zur Erklärung: Ich hatte geplant nicht nur zu reisen, sondern hin und wieder für Kost und Logis zu arbeiten (bezahlte Arbeit erfordert ein anderes Visum). Das bringt mich der Realität der Bewohner dieses Kontinents ein bisschen näher, inspiriert mich für die Fortsetzung meines Berufslebens und vor allem kann ich mit Tieren arbeiten. Jetzt auch noch mit meinen Lieblingstieren!!! Jackpot!!! Eine Woche lang helfe ich dort 4h pro Tag aus, den Rest der Zeit habe ich für mich und kann die Gegend erkunden. Oder besser gesagt: Pferde streicheln.

INFO: Wer an sowas auch Interesse hat: Die Websites/Apps dafür sind Worldpackers und Workaway.com . Kosten beide eine Jahresgebühr von 49$/€, haben aber echt einiges zu bieten: Mich hat das total inspiriert, was man wo alles machen kann. Nämlich alles! Achtung, Fernweh garantiert!!!

Diese positive Nachricht bringt mir genug Energie, um doch noch nach draußen zu gehen. Ich entscheide mich für einen entspannten Spaziergang durch das Künstlerviertel Santa Teresa. Andere Reise-Blogs empfehlen, das an einem wolkigen Tag zu machen, also sind die Voraussetzungen perfekt.

Ein Uber bringt mich hin und ich zolle im höchsten Respekt: Der Weg ins Viertel führt nämlich steil nach oben auf unebenem Pflasterboden mit Steigungen und Kurven, die mich ins Schwitzen bringen würden. Aber er hat’s echt raus. Oben angekommen atme ich tief durch und genieße… die Stille. Es ist viel weniger los, die Atmosphäre ist fast dörflich. Ich fühle mich heimisch.

Santa Teresa kann man ein bisschen mit Montmatre in Paris vergleichen. Kleine Gassen, süße Häuser, bunte Farben und vor allem: Street Art. Das ist hier im Gegensatz zu Deutschland nämlich allgemein erlaubt und ich entdecke so einige Kunstwerke an den Wänden… und an den Straßenpfeilern:

Unterwegs mache ich eine Beobachtung, die mir verdächtig vorkommt. Überall liegen Kokosnüsse… die habe ich sonst aber nirgend hier hängen sehen… wo kommen die her?

Bei der nächsten Kokosnuss entdecke ich ein entscheidendes Detail – Das kann doch nicht sein, da wird doch nicht wohl…ich mache mich sofort auf die Suche. Und tatsächlich: Gleich um die nächste Ecke ist der Täter: Ein kleiner Kiosk, an dem ich mir eine herrliche Erfrischung gönnen kann.

Wo ist die Kokosnuss – Wer hat die Kokosnuss – ICH HAB DIE KOKOSNUSS… gekauft, nicht geklaut 😉

Ich spaziere noch ein bisschen durchs Viertel. Mit meiner Kokosnuss. Die für Santa Teresa typische gelbe Retro-Straßenbahn fährt heute nicht, es ist Feiertag. Aber ich finde es auch so super schön hier oben. Auch der Weg nach unten ist sehr schön:

Ich beschließe noch ein bisschen weiter zu spazieren, der Strand „Flamengo“ ist nicht allzu weit entfernt. Kurz zuvor überquere ich eine Brücke, unter normalerweise eine große Straße entlangfährt. Aber nicht am Wochenende: Da ist die 8-spurige Teerlandschaft für Autos gesperrt und wird ausschließlich von Fußgängern, Joggern und Fahrradfahrern genutzt.

So wie die Münchner am Wochenende scharenweise den Englischen Garten oder die Isar besetzen, so besetzen die Brasilianer ihre Strände. Man merkt richtig, dass Wochenende/Feiertag ist. Familien sitzen mit Campingstühlen im Park neben dem Strand und grillen, Jugendliche laufen mit ihren Musikboxen durch die Gegend, es wird Ball gespielt, die Kinder laufen aufgeregt herum und alle lassen sich die Sonne auf den Bauch scheinen. An der Seite der Promenade gibt es (teils sehr provisorische) Essens- und Getränkestände, die wahrscheinlich keiner Inspektion standhalten würden, aber es riecht fantastisch. Ich gönne mir mein erstes Streetfood und vor allem meine erste Fleischmahlzeit!! Endlich!!

Wurst am Spieß!!! Und optisch denkt jeder das, was er eben denkt 😀

Qualitativ hatte ich schon besseres, aber es schmeckt nicht schlecht. Ein bisschen nach Debrezinern in Semmelbrösel gewälzt.

Die Sonne geht unter, ich spaziere noch ein bisschen und lasse mich dann nach Hause ubern. Abends schreibe ich Blog und gehe dann bald schlafen, um endlich mal acht Stunden Schlaf zu schaffen.

Ein sehr schöner Tag geht zu Ende.

Liebe Grüße,

eure Jana

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2 Responses

  1. So toll. Meinen Neid hast du, nicht wegen der Pferde. Aber Rio, da muss ich echt mal wieder hin! Übrigens, das an der Wurst sind vermutlich keine Semmelbrösel, sondern Farofa, geröstetes Maniokmehl. Das streuen die Brasilianer liebend gern auf jegliches Essen (ich hab den Sinn nicht ganz verstanden, da mir meist eher etwas Soße als etwas trockenes gefehlt hat…).
    Übrigens, weil du mal vom Reisepass unterm T-Shirt schreibst. Ich habe den normalerweise gar nicht dabei, wenn überhaupt dann meinen Perso, der ist nicht so wichtig. Und auf dem Handy und in der Cloud ist der Reisepass per Foto gespeichert, wenn ich drandenke, inklusive der Einreisestempel. Hatte damit weltweit noch nie Probleme und immer ein etwas besseres Gefühl.

    • Hochgeladen hab ich alles… hmm und der Perso reicht um sich notfalls auszuweisen? Ich hab ihn jetzt die letzten Tage auch zuhause gelassen… man wird ein bisschen lockerer mit der Zeit 😉

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