Am Montag kehre ich wieder zur Normalität zurück, arbeite meine vier Stunden und verbringe den Rest des Tages entspannt Schreiben, Film gucken (Star Wars), alte Nachrichten aufarbeiten. Am Dienstag fange ich ausnahmsweise schon in der Früh an und erkläre dann, dass ich gerne öfter morgens arbeiten würde… passt besser zu meinem Rhythmus und so habe ich den Rest des Tages für mich. So mache ich am Dienstagnachmittag zum ersten Mal einen Spaziergang, zuvor hatte ich wenig Lust dazu. Am Mittwoch bin ich ungewöhnlich müde, schlafe gleich nach der Arbeit nochmal eine Stunde, bringe später mit Carlos und Gabriel zwei Pferde auf die andere Weide und schlafe danach nochmal eine halbe Stunde. Als wir unterwegs sind, bewundere ich mal wieder die Wolken über den Bergen, die aussehen wie eine umgedrehte Pyramide aus mehreren runden Platten. Carlos erklärt mir, dass der Wind die Wolken formt, da er rund um den Berg weht und so auch die Wolke in der Höhe rundformt. Ich bin fasziniert. Danach erklärt er im Spaß, dass ich darin die UFOs verstecken und uns heimlich beobachten… Naja, er hat solange recht, bis es jemand widerlegt hat!

 Das geplante Asado wird auf den nächsten Tag verschoben, weil Johnny keine Ziege bekommen hat. Es ist Charlies letzter Tag als Voluntär, in ein paar Tagen wir er das Hostel verlassen… welch ein Anlass um eine Ziege zu schlachten. Ich nutze den freien Abend… um früh schlafen zu gehen!

Am nächsten Morgen geht’s wieder früh raus, Arbeit von 9 bis 13 Uhr, heute säubern wir den Hühnerstall und graben den Kompost ein bisschen um, aber entspannt. Scheißarbeit halt, also, Arbeit mit Scheiße. Dann Mittagessen, dann überlege ich einkaufen zu gehen, aber Charlie bietet an, dass er gegen fünf sowieso einkaufen fährt, er kann mich mitnehmen. Das Angebot nehme ich nur zu gerne an. An diesem Abend findet das Asado statt, dafür kauft er noch Gemüse und Wein ein, ich fülle meine Vorräte wieder auf. Das ist der erste Tag, an dem ich mich richtig entspannt fühle. Die ganze Zeit zuvor war ich noch überreizt von den letzten Reisemonaten, das Umfeld, die Leute, alles neu, alles ungewohnt, ich hab Zeit gebraucht um meine Routine und meinen Platz hier zu finden. Die Erkältung hat nicht zur Besserung beigetragen… aber nach zehn Tagen, meinem halben Aufenthalt, merke ich endlich den gewünschten Effekt. Solange dauert es also, um die Aufregung hinter mir zu lassen… fehlt noch die Phase, um wieder aufzuladen. Mal schauen, wie lange das dauert.

Johnny teilt in der Küche die Ziege. Ich sehe kurz zu und frage nach ein paar Asado-Tipps, lasse ihn dann aber in Ruhe arbeiten. Da das Essen noch recht lange dauert, ziehe ich mich nochmal zurück, lege mich kurz hin, um für den Abend später fit zu sein. Gute Idee. Essen gibt’s um 22:30. Es wird Wein ausgeschenkt, doch ich bleibe bei meiner Cola. Dann wird zuerst das Ofengemüse herumgereicht, danach kommt die erste Runde Fleisch. Es schmeckt köstlich. Auch in der zweiten und dritten Runde nehme ich mir noch ein Stück, dann bin ich aber wirklich pappsatt. Nach dem Essen holt Ariel die Gitarre raus und beginnt zu spielen, allerdings nur kurz… dann reicht er sie mir. Seit dem ersten Gitarrenabend hat es schon die Runde gemacht, dass ich auch spiele und jetzt muss ich eine Vorführung geben. Ich mag es immer noch nicht vor anderen zu spielen und bin sehr kurzatmig, spiele aber trotzdem ein paar Lieder und ernte Applaus… das ist dann doch ganz schön. Dann gebe ich die Gitarre wieder an den Experten zurück und wir singen, spielen, reden. Toller Abend. Seit kurzer Zeit habe ich mich auch mit einem Hostelgast angefreundet, Mercedez (Mechi), sodass ich endlich mal ein bisschen weiblichen Kontakt habe. Gegen zwei gehe verabschiede ich mich dann doch ins Bett, die anderen spielen noch weiter.

Am nächsten Tag arbeite ich erst gegen 11 Uhr, doch es ist ein regnerischer Tag. Ich quatsche noch lange mit Mechi, es wird 11 und ich beschließe zum Arbeiten zu kommen, wenn der Regen aufhört… nur hört er nicht auf. Auch alle anderen sind drinnen, bei so einem Wetter kann man draußen nicht wirklich arbeiten. Wir beschließen, es diesen Tag ruhig angehen zu lassen und die Zeit am nächsten Tag aufzuarbeiten, wenn das Wetter besser ist. Am Nachmittag setze ich mich zum Schreiben hin, kurz darauf gesellt sich Gabriel zu mir, dann Carlos und Mechi. Wir beschließen einen Filmabend auf meinem Mini-Tablet zu machen und zuvor noch zusammen zu kochen. Ich koche Nudeln und brate das Gemüse, später übernimmt Carlos und fügt noch etwas Rindfleisch hinzu, das er übrig hatte. Es wird ein Festmahl, sehr lecker und ein echt schöner Gemeinschaftsabend.

Leider verabschiedet sich Mechi am Tag darauf, sie zieht weiter nach Mendoza. Wir beschließen, falls sie noch dort ist, wenn ich auch hochfahre, dass wir uns dort nochmal treffen. An dem Tag regnet es zwar nicht, aber es gibt auch nicht wirklich viel zu tun. Carlos und ich striegeln die Pferde, die vom gestrigen Regen recht schmutzig sind, und reiten dann rüber zur anderen Weide, um den Pferden dort Wasser zubringen. Auf dem Rückweg will Cleo, meine Stute unbedingt wieder zurück zur anderen Weide und reagiert nicht auf meine Signale. Es ist wieder der Moment, in dem ich es mit der Angst zu tun bekomme und nicht weiß, was ich machen soll. Carlos kehrt um und hilft mir, aber es dauert ein ganzes Stück, bis wir wieder normal weiter reiten können. Ich danke ihm für die Hilfe und bin froh, dass es diesmal nicht in einem Sturz geendet ist. Und trotzdem will ich es weiter probieren, ich bin der festen Überzeugung, dass alles eine Frage der Übung und Erfahrung ist.

Wir kehren zurück, arbeiten noch ein bisschen am Kompost und dann sind meine vier Stunden auch schon vorbei. So kann es immer sein 😀

Johnny hat vor kurzem erwähnt, dass ein Ausritt im Dunkeln für uns Voluntäre möglich wäre. Ich nagle ihn drauf fest und frage gleich, wann die nächste Gelegenheit ist. Leider hat Angel, der Guide für die Reittouren keine Zeit. Also warten wir noch einen Tag. Heute muss ich in ein größeres Zimmer wechseln, da in der Nacht eine neue Voluntärin ankommt und wir Mädels uns das große Zimmer teilen sollen. Ich gebe meine Privatsphäre nur ungern auf, aber was sein muss, muss sein. Nachts um eins geht das Licht an, ich wache auf, grüße die Neue (Sofi) kurz und dreh mich dann wieder um. Selbstverständlich schläft sie den nächsten Tag zur Hälfte. Danach lerne ich sie kennen und wir verstehen uns sehr gut. Endlich noch ein Mädel hier, so es sonst mal wieder ziemlich männerlastig ist.

Nachmittags beobachten wir Angel, wie er eines der neueren Pferde einreitet. Es ist beeindruckend, wir er scheinbar mühelos ein Pferd reitet, dass wir sonst kaum anfassen können. Das Ergebnis täglicher harter Arbeit und tiefen Vertrauens. Vor allem beeindruckend ist, wie Angel sich hinter den Sattel setzt und trotz allem oben bleibt, obwohl das Pferd mehrfach ausschlägt und buckelt. Ich könnte auch gern, was er kann.

Am Abend ist es dann so weit: Der Nachtausritt steht vor der Tür. Dafür müssen wir noch zwei Pferde holen, Carlos und ich nehmen Sofi mit und zu dritt reiten wir zur anderen Weide. Dort stellen wir fest, dass wir zwar die Stricke dabei haben, aber die Pferde dort keine Halfter tragen. Mist. Ich verstehe nicht, warum wir nicht einfach zurückgeritten sind/jemanden angerufen haben. Stattdessen jagt Carlos gefühlt eine Ewigkeit den Pferden hinterher, in der Hoffnung, näher an die beiden ranzukommen, die wir mit zurückbringen wollen. Ich versuche zu helfen, aber erstens fühle ich mich unsicher, wenn es zu schnell wird (weil ich eig immer noch nicht reiten kann) und zweitens habe ich alle Hände voll damit zu tun, gegen Sturkopf meines eigenen Pferdes anzukämpfen. Cleo sich entweder gar nicht bewegen oder in eine andere Richtung, als ich es will. Manchmal funktioniert es super und manchmal bin ich nur am zerren. Dafür ist das mit Abstand die beste Reitübung meines Lebens. Am Ende fangen wir einen der beiden, der andere läuft uns ständig davon und da es mittlerweile schon finster ist, geben wir auf und kehren nur mit einem Pferd zurück. Insgesamt waren wir bestimmt eine Stunde auf der Weide und ich bin danach echt müde. Trotzdem will ich mir die Tour nicht entgehen lassen.

Wir kommen zurück zu den Ställen, wo die anderen uns schon erwarten. Wir satteln die Pferde, ich hole mir noch eine Jacke und sitze dann auch wieder auf. Auf meine Nachfrage erklärt Johnny mir, dass ich mich gegen Cleo (meine Stute) durchsetzen muss. Sie hat ihren eigenen Kopf, ich muss einfach die stärkere Frau sein. Jetzt muss ich also mein starkes Mädchen zähmen, obwohl es mir insgeheim richtig sympathisch ist, dass sie nicht stumm allem folgt, was man ihr sagt. Tolles Pferd. Wir ziehen zu fünft los. Über uns glitzert die Milchstraße und genau als wir losreiten, geht der Mond zu unserer linken auf. Groß und gelb, Vollmond war erst gestern. So sehen wir einen großen Mond und immer noch genug von der Milchstraße… es ist perfekt.

Auch das Reiten in der Nacht hat einfach was Eigenes. Zuerst folgen wir nur den Straßen, doch dann geht es über einen kleinen Kanal auf eine Anhöhe, die mitten im Dunkeln liegt. Das Mondlicht leuchtet uns leicht den Weg, doch die Pferde wissen auch so, wo es hingeht. Im Hintergrund leuchten die schneebedeckten Berge leicht bläulich. Auf dem Weg nach oben bleibt Cleo mehrmals stehen. Ich spüre, dass sie müde ist und der Bergaufstieg mit mir auf dem Rücken sie anstrengt. Ich gönne ihr die Pausen und mein starkes Mädchen zieht sich tapfer bis zum Aussichtspunkt nach oben. Ich steige ab und streichle sie, so viel wie möglich… ich hätte ihr auch gern Futter angeboten, aber leider gibt es hier nur Dornenbüsche. Wir schnüren die Pferde an einem Seil zusammen und bleiben dann eine Weile.  Vor uns liegen die Stadtlichter von Malargüe, die sich überraschend weit erstrecken. Hätte gar nicht gedacht, dass die Stadt so groß ist. Hinter uns leuchten die Sterne und man kann in der Ferne die Berge sehen. Es ist unglaublich schön. Aber trotz den drei Jacken, die ich trage, ist mir kalt und ich kehre immer wieder in Pferdenähe zurück, wo es kuschelig warm ist. Immerhin bin ich nicht die Einzige und wir schwingen uns bald wieder aufs Pferd.

Trotz Kälte vergeht der Ritt zurück viel zu schnell. Ich freue mich für meine Cleo, die sich die Ruhe und das Futter redlich verdient hat und auf das warme Hostel. Es war ein außergewöhnlich schöner Ausflug. Und ein toller Abschluss. Nur noch drei Tage, dann ist mein Volontariat wieder vorbei.

Ich bin mittlerweile ganz gut darin geworden, Pintor einzufangen. Pintor ist noch in der Ausbildung und es ist nicht so einfach, ihn einzufangen. Man braucht vor allem Ruhe, Geduld und muss genau auf die Körpersprache des Pferdes achten. Es meine Lieblingsübung. Jedes Mal, wenn es dann klappt, freue ich mich über den Erfolg und spüre, wie die Verbindung zu dem Tier wächst. Ich führe ihn auf die Weide, dann widmen wir uns dem Kompost sieben. Seit der Ankunft der neuen Volontäre sind wir wieder mehr Leute und können deutlich schneller arbeiten. Trotzdem genieße ich die eine Stunde, die Carlos zu Mittag ist und die neuen noch nicht da sind.

Da kann ich ganz in Ruhe, in meinen Gedanken einer meditativen Arbeit nachgehen, umgeben von Natur, Sonne und Vogelgezwitscher. Dann noch eine Stunde mit den Neuen und fertig. Ich statte den Pferden auf der Weide noch einen Besuch ab und esse dann zu Mittag. Abends gucke ich mit Carlos Avatar… was zwar schön ist, aber auch den Nachteil hat, dass ich nach den drei Stunden blauer Action kein Auge zukriege. Am Morgen stehe ich gerädert auf und spüre in allen Knochen, dass es kein guter Tag für mich wird. Auch Pintor spürt, dass ich nicht gut drauf bin, es ist schwerer ihn einzufangen. Trotzdem kriege ich meine vier Stunden rum. Und am Abend ist es endlich so weit. Der Chef arbeitet mit dem Neuling Caramelo und wir dürfen zugucken.

Johnny fängt langsam an, lässt Caramelo in beide Richtungen laufen. Er erklärt, alle Befehle, die man später auf dem Rücken ausführt, übt man zuerst am Boden. Deshalb, als er Caramelo stoppt, lehnt er sich nach hinten – steht nach wie vor neben dem Pferd – damit das Pferd sieht, was passiert und was später auf seinem Rücken passieren soll. Später bindet er ihm ein Seil an, wirft dem Pferd das Seil zwischen die Füße, auf den Rücken, doch Caramelo bleibt ruhig. Dasselbe mit einem Stock und einer Plastiktüte. Dann legt Johnny ihm ein Fell auf den Rücken, über den Hals, sogar über’s Gesicht. Es ist wirklich spannend ihm zuzusehen und zuzuhören. Ich stelle tausend Fragen, Johnny beantwortet alles geduldig. Das war die Erfahrung, die mir noch gefehlt hat, bevor ich den Ort hier wieder verlasse. Zufrieden gehe ich  früh schlafen, so schlecht war der Tag am Ende doch nicht.

Eine Nacht tiefen Schlafes später fühle ich mich wie ein neuer Mensch. Auch die Arbeit ist diesmal viel besser. Ein letztes Mal kuschle ich mich an Pintor, nachdem ich ihm erfolgreich den Strick angelegt habe. Was für eine tolle Entwicklung wir mit der Zeit durchgemacht haben. Mit ihm habe ich gelernt, das das Geheimnis für Pferdetraining auf nur zwei wichtigen Säulen basiert: Zeit und Vertrauen. Und der Erfolg ist eines der größten Geschenke und Erfahrungen überhaupt.

Zwar nehme ich mir fest vor, am nächsten Tag nochmal bei den Pferden vorbeizuschauen, aber wer weiß, am Ende kommt doch noch was dazwischen, deshalb verbringe ich heute vorsorglich schon nochmal etwas länger Zeit auf der Weide.

Was ich während des Aufenthalts total habe schleifen lassen, war der Sport. Aber mir war einfach nicht danach. Mein Körper wollte einfach rumsitzen und schreiben/Filme gucken. Ist okay, die Zeit der Bewegung kommt schneller wieder als mir lieb sein wird.

Nach dem Essen lege ich mich nochmal zur Siesta hin, danach fahre ich mit ein paar anderen Voluntären in die Stadt, um für einen Pizzaabend einzukaufen… meinen Abschied und das Willkommen der neuen.

Carlos übernimmt die Zubereitung und wenig später sitzen wir alle zusammen, essen, reden, wieder ein schönes Zusammensein. Dann holt Ariel die Gitarre, auch Johnny hat seine dabei und die Musik beginnt. Nach und nach wird die Runde immer kleiner, aber Ariel und ich singen und spielen bis tief in die Nacht. Um vier ist es dann doch Zeit den Abend zu beenden und sich zu verabschieden. Ich bin sehr dankbar, vor allem Ariel kennengelernt zu haben. Er hat mich inspiriert, mein Singtalent auch als solches anzuerkennen und es mit anderen zu teilen. Einfach weil es schön ist. Kein Grund nervös zu sein. Es ist kein Konzert, sondern ein miteinander, bei dem Menschen und Kulturen zusammenkommen.

An meinem letzten Tag bin ich hauptsächlich damit beschäftigt meine Sachen zusammenzusuchen, zu packen, mich von den Leuten zu verabschieden… aber einmal besuche ich natürlich noch die Pferde, meine neuen Freunde. Und natürlich sind es die Tiere, die die Tränen auslösen. Ich werde es vermissen, jeden Tag hier vorbeizukommen, bei den Tieren zu sein, zu reiten, Bindungen aufzubauen. Ich verabschiede mich von jedem einzelnen. Dann wird es Zeit für den Abschied.

Und natürlich geht wieder etwas schief. Ich hatte am Tag zu vor einen Taxifahrer gebeten, dass er mich an diesem Tag abholt und zum Terminal bringt. Ich warte, aber es kommt niemand. Ich schreibe der Nummer des Fahrers, es antwortet jemand anders, der dann nach einigem Hin und Her endlich einen Fahrer schickt. So komme ich doch noch rechtzeitig zum Bus. Ich steige ein, setze mich… und fühle mich großartig. Voller neuer Energie, ausgeruht, motiviert, weiterzureisen. Anscheinend habe ich mich besser erholt, als ich selbst dachte. Es war genau der richtige Zeitpunkt zu gehen, ich bin bereit. Der Bus fährt los, ich schließe die Augen und schlafe schnell ein. Auf ins nächste Abenteuer.

Liebste Grüße,

Eure Jana

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