Hallo meine lieben Leser*innen!
Schon im Vornherein habe ich mir per Whatsapp meine Tour organisiert. Es geht gleich am nächsten Tag los. Während ich mein Frühstück (Pancakes) genieße, kommen plötzlich zwei junge Mädels auf mich zu. Also, so 18-19 Jahre alt, ebenfalls Deutsche. Sie begrüßen mich nett und erklären mir dann ein bisschen drucksend, dass sie theoretisch mit mir heute die Tour starten würden, aber ob es für mich okay wäre, ob wir alle drei erst am nächsten Tag starten könnten. Ich gucke sie verwirrt an. Ja, sie hatten sich das so schön vorgestellt, in einer großen Gruppe zu fahren und das wollen sie sich erhalten. So wären wir nur zu dritt. Ich bin befremdet… wer fährt den freiwillig in der großen Gruppe, wenn er in einer kleinen Gruppe viel mehr Individualität und Privatsphäre haben kann? Außerdem verbringt man den Großteil der Zeit auf einem Roller, ob da noch 20 andere Leute vor/hinter dir fahren oder nicht, wo ist der Unterschied?
Ich bin nicht begeistert und erkläre, dass es für mich ein Zeitproblem wird, wenn ich die Tour verschiebe… die Mädels sind auch nicht begeistert. Kurzerhand frage ich an der Rezeption, ob man uns aufteilen kann, sodass ich heute anfangen kann… und zu meiner Überraschung erklärt sie, das sei gar kein Problem. Ich gucke zu den Mädels, Problem gelöst! Sie lächeln erleichtert, sie dachten nur, es wäre ein Problem für mich, wenn ich ganz alleine losfahre und sie wollten mich nicht ausschließen. Ich belächle sie, süß, dass sie so sozial gedacht haben, aber für mich geht so ein Jackpot in Erfüllung! Privattour, mega!! Und ich muss mich nicht mit 18-Jährigen rumschlagen, Doppeljackpot. Da schmecken die Pfannkuchen gleich noch süßer.
Kurz danach packe ich mein Zeug zusammen, nehme nur das nötigste in einem Rucksack mit und bin dann bereit für meine Drei-Tage-Roller-Tour durch das berühmte Ha Giang Loop, eine Rundfahrt durch das nördliche Vietnam. Mein Guide heißt Luan, ist ein Engel und spricht super Englisch, im Gegensatz zu vielen anderen. Ich werde die nächsten drei Tage auf seinem Rücksitz verbringen. Man kann auch selbst fahren, dafür braucht man aber einen passenden Führerschein… oder man muss der Polizei rechtzeitig ausweichen. Ich wäre gern auch selbst gefahren, aber vor allem will ich keinen Stress… und so kann ich die Landschaft vollkommen genießen, ohne mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren. Ich bereue es keine Sekunde, die Tour mit Fahrer gewählt zu haben.
Wir starten und ich genieße sofort das Gefühl, sich so frei und doch so schnell fortzubewegen. Seltsamerweise war ich in Deutschland nie ein Fan von Motorrädern, aber hier ist es so gang und gebe… und der Roller ist auch einfach nochmal etwas anderes. Es ist ein bisschen wie Fahrradfahren, nur bequemer und schneller und das ist eine Topkombination für mich. Luan erklärt mir ein bisschen was über Vietnam und die Kultur. Wir stellen fest, dass ich im Jahr des Stieres geboren bin, was ich sehr interessant finde. Er erklärt mir, dass es für jedes Jahr ein eigenes Tierzeichen gibt, dass sich nach zwölf Jahren wiederholt. Ich beschließe das später nachzurecherchieren und finde im Internet die fabelhafte Legende, wie Buddha ein Rennen für die Tiere veranstaltet und die ersten zwölf, die den Fluss überqueren in Reihenfolge geehrt werden und zu Symboltieren für die Menschheit werden. Vor allem die einzelnen Geschichten, warum welches Tier wann und wie ankommt, ist fantastisch. So ist das erste Tier beispielsweise die Ratte, die sich schlau am Bein des Stieres festgehalten hat und nach dem reißenden Fluss schnell als erste über die Ziellinie rauscht, bevor der Stier dazukommt.
Wir fahren raus aus der Stadt und ich bekomme die ersten Eindrücke einer Berglandschaft, die ich so noch nie gesehen habe. Die Sonne scheint warm, der Fahrtwind bläst mir um die Nase und ich ahne, dass drei fabelhafte Tage vor mir liegen. Luan lacht über meine Begeisterung… wenn ich es jetzt schon toll finde, werde ziemlich bald große Augen machen. Ich bin gespannt! Und ich finde es großartige, nur mit Luan alleine durch die Landschaft zu fahren. Er erklärt mir immer wieder ein paar Dinge und kündigt dann an, dass er sich jetzt eine Zeit lang aufs Fahren konzentrieren muss. Ich fühle mich die ganze Zeit sicher und gut bei ihm aufgehoben. Er ist mit seinen 24 Jahren schon verheiratet und hat einen kleinen Sohn… mit seinem Gehalt ernährt er seine Familie, sowie seine Mutter. Er ist froh, dass das sein Job ist, aber viel bekommt er leider nicht dafür. Ich beschließe, ihm am Ende ein gutes Trinkgeld zu geben, weil er wirklich durchgehend super lieb zu mir ist.
Ich mache während des Fahrens keine Fotos und Videos… damit entgeht euch leider das Beste, aber ich wollte den Verlust meines Handys nicht riskieren. Aber die Fotos von den vielen Aussichtspunkten, an denen wir halten, geben auch so einen spektakulären Eindruck… und für den Rest müsst ihr die Tour einfach selber machen. Es ist nicht um sonst eine der berühmtesten Gegenden des Landes.
Wir halten am ersten Aussichtspunkt und mir stockt schon jetzt der Atem. Was für eine irre Landschaft!!











Und anstatt euch jetzt immer zu erzählen, wo ich abgestiegen, aufgestiegen, abgestiegen, aufgestiegen bin… bleibe ich lieber grob und stelle hier viele Fotos ein, denn das war der Kern der nächsten drei Tage.







Mir tut schon am ersten Abend der Arsch weh vom vielen Sitzen. Bei den letzten paar Abstiegen, muss ich mich auf Luan abstützen, um meine müden Beine über den Sitz zu schwingen.
Wir halten an einem Haus im Grünen, das wohl ein Privatsitz eines ehemaligen Königs… oder ähnliches war. Es ist ein großes Haus, reich verziert, aber ziemlich leer. Ein Raum reiht sich an den anderen, alles ist symmetrisch, exakt kalkuliert und perfekt gebaut. Aber am meisten faszinieren mich die kleinen Details, mit wie viel Mühe und in welchem Ausmaß die Verzierungen gemacht wurden… das muss so irre viel Arbeit gewesen sein. Das wird mich meine ganze Reise durch Südostasien faszinieren:












Im Haus finde ich wieder einen Altar mit allen möglichen Opfergaben: Blumen, Geld, Coca-Cola, etc. alles Mögliche in einem kleinen Schrein. Typisch für die Kultur:


Zum Schluss fahren wir noch bis an die Chinesische Grenze, ein kleines Extra für mich, weil ich nur alleine bin. Mitten in den Berg ist ein laaanger Zaun geschlagen, auch wenn weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist.


Die Sonne geht unter und wir fahren zu unserem Übernachtungspunkt, wo wir gleichzeitig die größere Gruppe treffen, mit der wir die nächsten beiden Tage zusammen fahren. So habe ich beides, Privattour und Gruppenerfahrung… und bin sehr froh, nicht mit den 18-Jährigen zu fahren. Ich lerne schnell Leute kennen, natürlich auch wieder einige Deutsche, Schweizer, die aber sehr nett sind und schon tolle Reiseerfahrungen gemacht haben.
Wir bekommen typisch vietnamesische Küche, heißt, der komplette Tisch wird mit vielen kleinen Tellern und verschiedenen Gerichten ( Gemüse, Fleisch, Tofu und natürlich Reis) zu gestellt. Jeder schnappt sich Happen von überall, es schmeckt köstlich! Dazu gibt es zur Freude der meisten „Happy Water“ (Schnaps). Tisch für Tisch gehen die vietnamesischen Trinksprüche los: Ein Guide schreit vor, der Tisch brüllt grob nach, was er hört und am Ende trinken alle grölend. Ich mache mit Wasser mit, ist nicht ganz meins, aber der Tradition halber, kann man das schon mal machen. Danach geht der Karaoke-Abend los. Hierzu muss erwähnt werden, dass Karaoke groß ist in Vietnam. Jeder liebt es, jedes Restaurant, jeder Homestay (Familienhostel für Rollerfahrer oder normale Reisende), alle haben Karaoke, alle singen schief und laut und lieben es. Ist eine super Gemeinschaftsaktion… aber so gar nicht mein Geschmack, sodass ich mich bald zurückziehe.





Am Anfang gab es ein paar Unstimmigkeiten mit der Wirtin, offenbar kam meine Buchung recht spät und wurde hier nicht registriert. Schlussendlich wird mir eine „Abstellkammer“ zur Verfügung gestellt in der das Notfallbett ist… ein Zimmer für mich allein. Ich bin sooo dankbar!! Nicht, dass ich dort nicht auch geschlafen hätte, aber die Gemeinschaftszimmer sind große Räume voll mit 20-30 Matratzen Seite an Seite… das ist schon sehr kuschelig.
Und mit diesem Mal, als ich auf die steinharte Matratze falle, ist mir endgültig klar, dass das hier normal ist und ich meinem ersten Hostel in Hanoi Unrecht getan habe. Ich wusste es einfach nicht besser. Es ist aber gar nicht so unbequem, wie man anfangs denkt. Oder mein von Mittelamerika geschundener Rücken hat schon schlimmeres erlebt. Letztlich ist alles Horizontale gut.
Das Frühstück ist wie das Abendessen ein Mix aus verschiedensten Kleingerichten und wieder sehr lecker. Es wird immer ein klassisch vietnamesischer Kräutertee serviert, der zwar recht bitter ist, mir aber ganz gut schmeckt… und mich entfernt an Mate erinnert, was mich in Argentinien-Erinnerungen schwelgen lässt.
Dann müssen wir ein bisschen warten, bis alle Roller fertig sind und jeder Guide seinen Gast gefunden hat. Ich mache währenddessen Dehnübungen für mein Gesäß und die Beine, um der langen Rollerfahrt vorzubeugen. Es hilft ein bisschen, aber am Ende des Tages bin ich wieder fast O-beinig!
Trotzdem war es wieder spektakulär.
Vor allem die Reisterrassen, die in die Berge gebaut sind und zwar so akkurat und perfekt… es ist wie Kunst, nur über Kilometer und in Bergen in viel Handarbeit errichtet… Wahnsinn!









Unterwegs fahren wir durch die Dörfer und bekommen dort am Rande das Leben mit. Die Leute sind größtenteils arme Bauern. Wir sehen oft alte Frauen oder junge Kinder riesige Gras oder Heubündel zu Fuß den Berg hoch schleppen… und so manche alte Frau, die in derselben Körperhaltung die Dorfstraße entlang läuft… ohne Bündel… Ihr Rücken ist von einem lebenlangen Schleppen deformiert. Die Kleidung der Frauen fällt ins Auge. Man trägt einen Knielangen, bunten Rock, eine Bluse, bunte Jacke und oft den typisch Kegelförmigen Strohhut, der vor der Sonne schützt. Entfernt erinnert es an die bolivianischen Cholitas, aber auch wieder auf eine völlig andere Art.
Die Kinder am Straßenrand winken uns zu, als wir vorbeifahren… und einige strecken einem dann völlig unvermittelt den Mittelfinger entgegen. Das schockt mich ein bisschen… aber auch hier haben die Touristen viel Schaden angerichtet. Die Leute haben kaum etwas und bekommen täglich die Abgase von hunderten Touristenrollern entgegengepustet, die sie dabei filmen, wie sie ihr hartes Leben bestreiten, in einer Gegend, die sie durch viel Arbeit so wirtlich wie möglich gemacht haben. Ja die Landschaft ist schön… aber das Leben ist hart, keine Frage!
Wir halten an einem Aussichtspunkt, wo die lokalen Leute schön herausgeputzt sind und Kinder mit Blumenkränzen/-sträußen anbieten, sich für ein paar Dong fotografieren zu lassen. Ich nehme das Angebot an. Und mache einen kleinen Schnappschuss. Es fühlt sich ein bisschen seltsam an, ein bisschen unecht… Und auch zu echt gleichzeitig.


Immer wieder sind am Straßenrand große Planen ausgebreitet, auf denen Maiskörner, Reis oder ähnliches in der Sonne trocknen. In einem Ort fällt mein Blick zum ersten Mal auf die seltsamste Kuh, die ich je gesehen habe: Zuerst bin ich mir nicht sicher, ob ich nicht ein sehr großes Schwein gesehen habe, aber als ich eine zweite sehe, habe ich Gewissheit. Mein Guide erklärt mir, dass ist eine typisch südostasiatische Büffelrasse. Massige Hörner, schwarze Haut, die statt Fell nur dicke Borsten hat, ähnlich wie ein Schwein. Meistens sieht man das Tier in den wasserbedeckten Reisfeldern stehen… oder liegen.
Streckenweise ist die Straße so staubig, dass man uns ein sehr ungeliebtes Accessoires zur Verfügung stellt.

Wir fahren ins Tal und besteigen einen kleinen Bus, der uns zu einem Boot bringt. Wir machen eine kleine Flusstour. Da ich unter dem Motorradhelm weder meinen Hut noch ein Käppi mitgenommen habe, binde ich mich kurzerhand ein T-Shirt um den Kopf, um der heftigen Sonnenstrahlung zu entgehen. Das erfüllt seinen Zweck, alle lachen (ich inklusive) und ich behalte einen kühlen Kopf.

Die Flussfahrt ist gewaltig. Das grünliche Wasser befördert uns durch die tolle Berglandschaft und durch einen atemberaubenden Canyon.








Danach geht es wieder auf den Roller, aber die Landschaft bleibt fabelhaft. Luang erzählt mir während der Fahrt die Geschichte der Straße hier… sie wird auch … Blut- oder Knochenstraße? Bin mir nicht mehr ganz sicher – genannt. Weil so viele Arbeiter während des Baus gestorben sind und ihre Körper oft einfach unter der Straße begraben wurden. Gruselige Sagen sprechen davon, dass man die Seelen nachts hören kann, wenn der Wind durch die Berge pfeift. Ich schaudere und gedenke einen Moment im Stillen den Menschen, die dafür gestorben sind, dass ich heute hier entlang fahren kann.
An den Aussichtspunkten gibt eigentlich immer Essen/Getränke. Die anderen empfehlen mir einen Kokusnuss-Kaffee. Ich bin zuerst skeptisch, aber bald begeistert von der Idee. Einfach Kokusmilch statt normaler Milch… Genial und sooo lecker!!!
Zwei meiner neuen Bekannten haben eine Drohne dabei. Das war allein schon für diese Rollerfahrt eine fantastische Investition, ihre Aufnahmen sind großartig! Emma steuert die Drohne los, macht erst eine kleine Gruppenaufnahme und fliegt dann in die Berglandschaft, um ein tolles 360 Grad Video zu drehen. Währenddessen fällt unsere Aufmerksamkeit auf das, was hinter uns passiert: Ein Roller stoppt, zwei lokale Männer, die kurz etwas nachjustieren… auf dem „Rücksitz“ des Rollers in einem winzigen Käfig wird ein Schwein transportiert. Noch eine traurige Wahrheit über das Land: Alles was auch nur irgendwie möglich ist, wird gemacht, egal wie unkomfortabel… für Mensch und für Tier sowieso.



Am nächsten Abend bekomme ich wieder ein privates Zimmer, dank Luangs Einsatz. Soo toll von ihm. Das Essen ist wie immer toll, wie immer gibt es Happy Water und Karaoke im Anschluss. Ein paar süße Hundebabys ziehen am nächsten Morgen die Aufmerksamkeit aller auf sich.


Dann geht es in den letzten Tag. Wir stoppen an wunderschönen Wasserfällen…














Und vielen anderen schönen Aussichtspunkten… und dann ist es Zeit für den Rückweg in die Stadt. Es war wirklich eine unglaublich schöne Tour. Und auch wenn mein Arsch drei Kreuze macht, als ich das letzte Mal vom Roller absteige, mein Herz hängt fest in den wunderschönen Bergen Nordvietnams. Ich bedanke mich tausendfach bei Luang und gebe ihm das Trinkgeld, das er dankbar entgegen nimmt.
Nach einer Dusche suche ich mir ein kleines Restaurant für ein Abendessen und verabschiede mich dann bald von den neugewonnen Freunden von unterwegs. Der nächste Bus wartet schon. Es war richtig schön!




Liebste Grüße,
Eure Jana
One response
Wie wunderschön! Und am ersten Tag auch noch eine Privattour, absolut perfekt 😍
Die Berge mit den kurivigen Straßen klingen nach einem Motorrad Paradies, das macht bestimmt irre viel Spaß! ☺️
Auch macht es immer super Spaß von deinen Abenteuern zu lesen, man kann sich das super vorstellen und sich einfühlen. Ich freu mich auf deine nächsten Reisetage Erzählungen und wünsche dir noch mehr so fantastisch Erlebnisse! 🤗