Hallo meine Lieben,

hier kommt der Bericht über meine Führung durch Ecuadors süßestes Exportgut: Kakaobohnen und Schokolade.

Estalin stellt sich mir vor, er ist Teil der Familie, die die Hacienda hier betreibt. Außer der Plantage hier haben sie noch zwei weitere größere Flächen. Seit fast 30 Jahren gibt es den Betrieb hier. Kakao wird seit über 300 Jahren hier angebaut und verkauft.

Wir gehen ein bisschen spazieren, während Estalin mir die Geschichte und die Eigenschaften des Kakaos erklärt. Es waren die Europäer, die den Kakao für sich entdeckt und den Markt dafür geschaffen haben. Das weiß ich ja schon aus Bariloche. Die Ecuadorianer stürzten sich auf die neue Industrie und erzielen bis heute gute Erfolge. Nur 2 Prozent der Erträge bleiben im Land, der Rest wird exportiert. Wir gehen zu den Bäumen und Estalin pflückt eine Frucht vom Baum.

So müssen sie aussehen, wenn sie reif sind. Die dunkelroten sind noch nicht reif, und auch viel schwerer zu öffnen. Die gelb-rote klopft er einmal kräftig gegen den Baumstamm und sofort bricht sie sauber auf, damit man sie leicht öffnen kann.

Die Kerne kann man schon essen, er bietet mir einen an. Ich beiße rein… und schmecke einen köstlichen Saft, der absolut perfekt wäre als … naja, als Saft halt. Ein bisschen säuerlich, aber auch süß, fruchtig und aromatisch… warum gibt es das nicht. Estalin grinst, gibt es, aber nur sehr wenig… der Hauptzweck der Pflanze ist eben ein anderer.

Anders als viele andere Pflanzen trägt der Kakaobaum das ganze Jahr über Früchte. Es beginnt mit einer kleinen Blütenknospe, die sich in eine kleine Bohne verwandelt und dann zur reifen Frucht heranwächst.

Nach vier Monaten ist sie reif und ca. alle 14 Tage wird abgeerntet. Ein Baum trägt ca. 50 Früchte pro Jahr, wenn er in optimalen Bedingungen steht. Der Kakao ist nämlich ziemlich wählerisch: Er braucht ein konstantes feuchtwarmes Klima, nicht zu kalt, nicht zu heiß und auch die Höhe ist entscheidend. Während wir spazieren, kommen wir an einem Feld vorbei, das nur 30 cm tiefer liegt… aber dort kann man keine Kakaobäume pflanzen. Hier bauen sie zusätzlich Reis an. Wenn es dem Baum nicht gut geht, hat er keine Blüten. Fängt er sich wieder, wachsen hunderttausende neue Blüten am Stamm. Aber natürlich werden nicht alle davon Kakaobohnen, ist also auch nicht gut, weil es zu viele sind. Wie die Tomaten muss man den Kakao auch zurückschneiden. Zu viele Nebenäste verdecken den Lichteinfall und der Baum konzentriert sich so nicht genug auf die Frucht.

Ich höre fasziniert zu. Estalin ist wirklich ein Experte, er beantwortet alle meine Fragen geduldig. Wie im Großteil von Lateinamerika teilt sich das Jahr hier in die Trocken- und in die Regenzeit. Allerdings während in Deutschland die Bauern eifrig den Regen erwarten… ist man hier froh, wenn die Regenzeit vorbei ist. Liegt  schlichtweg daran, dass man nicht kontrollieren kann, wann es wie viel regnet. Die Kontrolle der Wasserzufuhr ist aber natürlich wichtig, damit der Baum optimale Bedingungen hat und der Kakao gut wird. Deshalb wartet man diese drei Monate ungeduldig ab und bewässert die restlichen neun künstlich, dafür gibt es ein Pumpensystem. Wasser gibt es in dieser Klimazone mehr als genug. Das Grundwasser ist hoch, oder man holt es vom Fluss neben an oder es kommt aus den Bergen… von Wassermangel, kein Anzeichen.

Estalin zeigt mir die zweite Sorte Kakao, die sie hier anbauen: Der gelbe Kakao.

Die Sorte ist hier einheimisch, der rote ist eine Kreuzung aus verschiedenen Bohnen von den verschiedenen Kakaoregionen. Damit hat man die optimale Bohne geschaffen, resistent, aromatisch und stark. Die macht hier auch 90 Prozent der Plantage aus. Dazwischen wachsen alle möglichen anderen Pflanzen, auch Vanille. Oder Pfeffer.

 Monokultur funktioniert hier nicht wirklich, der Baum braucht eine natürliche Diversität an Pflanzen, damit er sich wohl fühlt.

Wir spazieren zur Farm, wo auf dem Hof ausgebreitet die Bohnen – also ab jetzt die Kerne der Kakaofrucht – liegen, damit sie in der Sonne trocknen. Estalin knackt mir eine auf und zeigt mir das Innere:

Da ist noch viel Flüssigkeit drin, die brauchen noch. Er erkennt das am Gefühl: Die Bohne muss richtig krokant sein, 0 Prozent Flüssigkeit ist das Ziel, dann ist sie fertig zur Weiterverarbeitung. Dafür muss sie 40 Stunden in der Sonne trocknen… aber da es mal mehr, mal weniger Sonnenstunden gibt, erkennt er Experte es eher am Gefühl, ob sie fertig sind oder nicht. Übertrocknen geht nicht, aber wenn nur noch ein bisschen Feuchtigkeit zurückbleibt, bilden sich Pilze und die Ernte ist verloren. Noch hat die Bohne null Geruch und einen sehr bitteren Geschmack.

Wir gehen weiter zur „Schokoladenküche“:

Estalin holt ein paar Bohnen, und röstet sie langsam über dem Gasofen, bis sie schwarzbräunlich sind. Dann ziehen wir den gerösteten Bohnen die Haut ab (wie bei Mandeln) und danach ist es Zeit für die Mühle:

Das Endprodukt ist die 100-prozentige Schokolade… die echt nicht gut schmeckt. Viel zu bitter und ein saueres Aroma im Nachgeschmack. Deshalb wird später Zucker, Milch oder diverse andere Produkte hinzugefügt, um eine Schokolade zu bekommen, wie wir sie kennen. Estalin holt ein paar Körner Rohrzucker hervor, streut ihn über die Kakaomasse und schon schmeckt es nach Schokolade… und nach was für einer guten.

Danach bringt eine Frau Milch vorbei und Estalin kocht uns eine heiße Schokolade, die wirklich super schmeckt. Das Aroma ist einfach unglaublich. Und da steht noch eine Mini-karaffe mit einer zähen Flüssigkeit… der Saft aus der Kakaofrucht, den ich so lecker fand.

Estalin meinte ja, dass es ein bisschen davon gibt. Der Saft schmeckt großartig. Leider mischt Estalin es danach mit einem Schnaps… immer noch ein guter Cocktail, aber der Alkohol verdirbt es mir in dem Fall. Ist eh nicht viel, also alles okay.

Ich frage nach der Mango, die im Namen der Hacienda steckt und Estalin zeigt auf die Bäume hinter mir. Leider ist grade keine Mangosaison. Mist!

Estalin fragt, ob ich noch etwas Zeit habe, dann können wir zu einer der anderen Plantagen fahren, die die Familie noch hat. Ich nicke, klar. Wir fahren mit dem Motorrad, was sich bei dem Weg und seinen Löchern als kleines Abenteuer herausstellt. Es ist in dem Fall nämlich besser, durch die großen Löcher zu fahren, auf dem restlichen Weg wird man komplett durchgeschüttelt. Unterwegs zeigt Estalin auf die umliegenden Felder und erklärt mir, das ist Reis, das ist Zuckerrohr, das ist Reis, das ist Kakao, das ist Reis… ich glaube es kommt raus, was es hier vor allem gibt. Für das Zuckerrohr ist gerade Erntezeit und wir fahren an großen Maschinen und Transportern vorbei, die das gehechselte Zuckerrohr verfahren. Das muss übrigens, sobald es groß genug gewachsen werden, auf dem Feld noch verbrannt werden und die krossen Reste des Rohrs werden dann mit einer Art Ernte-Maschine aufgesammelt und auf einen LkW geblasen. Voll interessant!

Auf vielen Feldern steht Wasser, so erklärt mir Estalin, bereitet man das Feld für die Reisanpflanzung vor, dafür braucht es nämlich viel Wasser. Wir fahren fast 15 Minuten, dann biegen ab und stehen kurz darauf vor der neuen Plantage. Dort sitzt Estalins Bruder, Carlos bei einer kleinen Pause und ich werde von zwei Hunden begrüßt. Estalin und ich tauchen tief ein in die Plantage, die etwas höher liegt als die andere (auf 34 statt 15m über dem Meeresspiegel) und außerdem ein bisschen am Berghang angepflanzt wurde. Hier haben sie neben dem Kakao noch viieles mehr: Kochbananen, Papaya, Kurkuma, sogar Kaffee und noch ein paar andere Sachen… Wahnsinn, das alles „im eigenen Garten“ zu haben. Wir ernten ein paar Kochbananen, zwei Papayas und etwas Kurkuma.

Während wir durch die Plantage laufen, werde ich leider trotz Spray übel von den Mücken zusammengestochen. Vor allem am Popo, da hatte ich auf die Hose gehofft, aber Pustekuchen. Das ist ziemlich unangenehm und ich bin froh, als wir wieder aufs Motorrad steigen. Ich versuche irgendwie die Tasche auf meinem Bein und mich selbst am Motorrad festzuhalten, als es wieder auf den holprigen Rückweg geht. Klappt aber ganz gut.

Zurück auf der Farm ist meine Tour vorerst beendet und ich habe noch ein bisschen Zeit bis zum Abendessen. Ich bedanke mich bei Estalin und gehe in mein kleines Häuschen. Dort begutachte ich zuerst meine Stiche… mein Popo ist echt übel zugerichtet. Na hoffentlich war da keine Malaria-Mücke dabei. Nach einer Dusche fühle ich mich besser und kurz darauf gibt es Abendessen. Ich esse mit Ninfa zu Abend, die mir gebratene Kochbanane mit Käse serviert! Endlich esse ich das, was mir Ale so empfohlen hat und auch noch am perfekten Ort dafür. Es schmeckt herrlich. Ninfa und ich unterhalten uns hervorragend. Sie schreibt auch und hat dasselbe Problem wie ich: Viele Ideen, wenig Disziplin sich hinzusetzen und zu schreiben. Naja, sie hat aber nebenbei den Tourismus der Farm zu managen und ein zweijähriges Kind, das fehlt meiner Ausrede noch. Wir reden über lateinamerikanische Autoren, über Schreibstile… man merkt, das passt!

Sie erzählt mir, dass sie neun Geschwister sind… die ganze Familie sind insgesamt 40… na das beantwortet meine Frage, wie eine Familie eine so riesige Farm bewirtschaften kann. Ist halt eine sehr große Familie. Und alle haben verschiedene Aufgabenbereiche. Ninfa erklärt mir, dass sie im Moment viele neue Projekte haben mit neuen Plantagen, die auch im ganzen Land verteilt sind. Außerdem soll hier mehr Platz für Besucher entstehen, momentan ist es nur das kleine Haus, in dem ich wohne. Aber nicht zu viel. Es ist ihr wichtig, das die Magie des Ortes nicht dem Tourismus zum Opfer fällt. Wie sie über diesen Ort und ihre Heimat spricht, gefällt mir sehr. Sie erzählt, dass alles zusammengehört, die Leute hier, der Kakao, der Regenwald, mit allem was dazugehört. Deshalb wächst der Kakao auch nur hier, überall sonst würde er an Heimweh sterben. Sie schreibt auch über magische Begegnungen, die ihre Familie mit dem Wald oder mit den Tieren hatte. Hier ist die Welt noch in Ordnung… wenn die Moskitos nicht wären.

Estalin kommt nach dem Essen dazu, Ninfa verabschiedet sich daraufhin bald und ich unterhalte mich noch lange mit Estalin über den Kakao und die Landwirtschaft der Gegend hier, über Landwirtschaft in Deutschland und über die zukünftigen Probleme des Klimawandels. So ein gutes Gespräch hatte ich schon lange nicht mehr. Aber bald werde ich dann doch müde und verabschiede mich. Was für eine spannende Begegnung.

Ich schlafe super gut und zum Frühstück habe ich wieder Ninfa als Unterhaltung, auch ihr zweijähriger Sohn besucht uns. Danach darf ich noch meine eigene Schokoladentafel herstellen und zwar mit dem jüngsten Bruder der Familie, 22 Jahre alt: Yamil. Er zeigt mir die elektrische Mühle, in der die schöne flüssige Schokolade hin und her bewegt wird.

Wir entnehmen ein bisschen und probieren… die Schokolade hat jetzt 65 Prozent Kakaoanteil und schmeckt superlecker! Die nehme ich gerne für meine Tafel. Dafür muss sie nochmal kurz in die Mikrowelle, die optimale Temperatur sind zwischen 40 und 45 Grad. Danach wird sie in die Form gegossen uns darf 5 Minuten im Kühlschrank aushärten. Yamil erklärt, dass sich der Geschmack beim Aushärten verändert, weil sich die Molekularstruktur ändert. Wir probieren ein bisschen was von einer fertigen Tafel und tatsächlich schmeckt es anders… und mir fällt auf, dass die Schokolade im Nachgeschmack ein bisschen an die Säure des Safts der rohen Kakaofrucht hat. Yamil nickt, stimmt. Während des Trocknungsprozess saugen die Kerne einen Teil der Säure auf und das schmeckt man dann wieder.

Auch Yamil hat unglaublich viel Fachwissen. Er und Ninfa haben Tourismus studiert und sind für diese „Abteilung“ der Farm zuständig. Estalin zum Beispiel ist der Experte des Kakaos, Yamil hat großen Respekt vor seinem Bruder, der für ihn der intelligenteste Mensch ist, den er kennt… stimmt schon, Estalin ist wirklich besonders. Und so haben alle ihren Bereich, der ihnen gefällt und den sie gerne voran bringen.

Er erklärt, vor 30 Jahren wurden hauptsächlich Bohnen aus Ecuador exportiert. Heute ist es die fertige Schokoladentafel, weil die Bohnen, die aus Afrika exportiert werden, deutlich billiger sind. Dafür sind die Arbeitsbedingungen dort unmenschlich. In Ecuador hingegen gibt es heute fast nur noch lokale Firmen, die der Staat beaufsichtigt und die so auch einem vernünftigen Arbeitsgesetz unterliegen und die Bauern einen fairen Ertrag erhalten. Wir sprechen viel über Qualität und Quantität und ich erfahre, dass der Großvater die Farm hier entdeckt/gegründet hat. Fünf Minuten später ist meine Schokolade fertig, die wird gleich gut eingepackt. Ich unterhalte mich noch etwas länger mit Yamil, dann wird es Zeit für den Aufbruch. Ich verabschiede und bedanke mich für alles, es war wirklich ein fantastischer Ausflug und so lehrreich. Hoffentlich werden alle ihre Projekte ein Erfolg. Ich verlasse die Hacienda Cacao y Mango wieder auf einem Motorrad, der mich in der Stadt absetzt.

Dort finde ich erst einen lokalen Bus, der mich nach Puerto Inca zurückbringt und da werde ich dann in einen Bus nach Cuenca weitervermittelt. Die Fahrt ist wieder ziemlich anstrengend, auf der Farm habe ich erfahren, dass man auf der Strecke mal wieder die 4000er Höhenmeter Marke knackt. Kein Wunder, dass ich danach immer so platt bin. In Cuenca regnet es wieder und ich laufe zurück zum Hostel, wo ich eine Kleinigkeit esse, bevor ich wieder in die Stadt ziehe, wo es ein paar Organisatorische Dinge zu erledigen gibt. Leider verpasse ich das Zeitfenster für die Kirche, aber auf den Turm kann man noch hoch. Das nutze ich aus, vor allem weil der Himmel gerade aufreißt und die Sonne zum Vorschein kommt.

Dann setze ich mich in ein Café und versuche, meine Handyfotos auf einen USB zu ziehen, das ist nämlich nach fast 12000 Fotos fast voll. Mein kleiner PC gibt sein Bestes und immerhin ein paar kann ich bewegen, bevor der Akku aufgibt.

Die restlichen Stunden verbringe ich im Hostel, um 12 Uhr nachts geht mein Bus. Auf zu Ecuadors nächstem Schatz!

Liebste Grüße,

Eure Jana

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