Buenos días mis amigos,
weiter geht es mit der Reise, älter, weiser, knackiger. Meine liebe Freundin Alba, die den Norden Argentiniens viel bereist hat, hat mir eine tolle Liste mit Tipps geschickt, was ich alles anschauen kann. Am liebsten würde ich alles machen, aber das ist leider nicht möglich in dem Zeitrahmen, den ich mir gesetzt habe. Aber zumindest einen besonderen Ort möchte ich mir genau anschauen. Die Landschaft wird brauner, trockener, wir nähern uns immer mehr der Wüste. Mein Hostel ist gleich neben der Bus Station in San Juan. In der ersten Nacht habe ich das Zimmer ganz für mich allein.
Leider ist mein Ziel mal wieder nur mit einer Tour erreichbar, die diesmal ziemlich teuer ist. Ich war am Abend zuvor noch einkaufen, um mir wenigstens das Nicht-in-den-Preis-inkludierte-Mittagessen zu sparen. Im Nachhinein eine kluge Entscheidung, weil das Mittagessen so spät geplant ist, dass der ganze Tourbus vor sich hinhungern muss… außer mir, die regelmäßig vor sich hinknabbert. Das kann ich wirklich nur weiterempfehlen.
Wir fahren lange. Fast dreieinhalb Stunden sind wir unterwegs. Die Landschaft wird noch trockener und dann sehe ich sie: meine ersten Kakteen. Riesig groß, in allen möglichen Formen, manchmal nur alleine, manchmal mit zehn Wucherungen. Was für ein faszinierendes Gewächs und wunderschön, vor allem in der Menge. Eine ganz ungewohnte, neue Landschaft. Wir halten an einem Aussichtspunkt über ein Tal, wo wir die Landschaft kurz ein bisschen genießen können, doch schon bald geht es weiter, damit wir rechtzeitig dort sind.





„Dort“ ist heute der Nationalpark Ischigualasto oder besser bekannt: Valle de la luna (Tal des Mondes). Zuerst haben wir die Möglichkeit aufs Klo zu gehen und das angrenzende Museum zu besuchen, wo ich von etwas unerwartetem überrascht werde.


Und tatsächlich: Im Museum erfahre ich, dass diese Region eine DER paläontologischen Stätten ist, die ältesten Dinosaurierarten der Welt zu erforschen und zu besichtigen. Cool! Die Tour hat gerade ein gewaltiges Upgrade für mich bekommen. Nichts wie ins Museum, Dinos anschauen, was Neues lernen! Dino-Abenteuer-Bericht!!!
Ich komme herein und stehe zwei großen künstlichen Skeletten gegenüber.


Cooooool! Es ist immer wieder beeindruckend einem Tier gegenüberzustehen, dass so viel größer ist, als man selbst. Auch wenn es schon laange ausgestorben ist.
Ich begebe mich auf eine wissenschaftliche Reise weit zurück in das Zeitalter der Trials, als hier im Nationalpark die ersten Dinosaurierarten auftauchen und sich auf der ganzen Welt verbreiten. Zu dieser Zeit war der Park grün, feuchttropisch mit viel Wasser und hoher Pflanzen- und Tierdiversität. Vorherrschend sind dabei Urväter der Krokodile, Schildkröten, aber auch Säugetiere. Es ist die Zeit des Urkontinents Pangäa, umgeben von einem großen Urozean Pantalasa… vor 230 Millionen Jahren.
Es folgt die Jurazeit, in der sich die Dinosaurier zur vorherrschenden Rasse herausbilden, hauptsächlich Pflanzenfresser. Pangäa bricht langsam auseinander, die Pflanzenwelt ist weit entfernt von dem, was wir kennen: Keine Wälder, keine Blumen, nur halbhohe Gewächse. Es folgt die Kreidezeit, das goldene Zeitalter der Dinosaurier. Mittlerweile sind sie überall auf der Welt zu finden, immer noch hauptsächlich Pflanzenfresser. Das Andengebirge existiert noch nicht, das Klima ist feuchttropisch, der pazifische Ozean nah. Insekten entwickeln sich neben den Säugetieren, doch die Dinosaurier bleiben vorherrschend. Die südamerikanische Kontinentalplatte trennt sich weiter von Afrika, ebenso wie Indien und Madaskar. Am Ende desselben Zeitalters sind die meisten Dinosaurier in der nördlichen Hemisphäre verschwunden. Es folgen die Zeitalter der Vögel, der Säugetiere, die Aufspaltung der Kontinente in ihre heutigen Form und schließlich die Anfänge des Menschen. Der Park wird immer trockener und verwandelt sich schließlich in eine Wüste. Heute ist der Park eine der trockensten Regionen von Argentinien. Nichts erinnert mehr an die einstige Fülle von Pflanzen und Lebewesen. Es siedeln sich die Tiere an, die wir heute kennen: Guanacos, Maras, Nandus und Schildkröten. Durch die Bewegung der Naszca- und der südamerikanischen Kontinentalplatte entstehen die Anden.
Nachdem ich den groben Entwicklungsprozess verstehe, stellt mir das Museum Lebewesen vor, die eine jeweiliger jeweiligen Rasse vorgegangen sind, etwas, dass ich so noch nie verstanden habe. Man hat die Tiere nachgebildet, sodass der Besucher eine Vorstellung davon bekommt, wie sie ungefähr ausgesehen haben:



Das hier…


… ist Eodromaeus murphi, der Urahn der Fleischfresser. Ein kleiner Dinosaurier, kaum kniehoch, lebte vor 220 Millionen Jahren. Sein Nachfolger – der T-Rex – wandert vor 65 Millionen über die Erde. Von ihm stammen alle Vögel auf der Erde ab. Den Namen Murphi verdankt der Dino übrigens einem Voluntär, der das Skelett entdeckt hat… das stelle ich mir auch als eine tolle Situation vor. „Äh Chef, isch musst grade mal für kleine Voluntäre und isch glaub, isch hab einen Dino entdeckt, also freigepinkelt…“
Das hier…


… ist Eoraptor Lunensis, der Urvater der Giganten. Er ist der Vorfahr sämtlicher Pflanzenfresser und einer der ältesten Dinosaurier, die je auf der Erde gefunden wurden. Und schließlich dieses Tier hier:


Cráneos de Cinodontes genannt. Sieht ein bisschen aus wie ein Säbelzahntiger, hat aber Äonen vorher gelebt. Das ist der Vorfahr des Menschen. Ich finde, dass man das ganz deutlich an der Kopfform erkennt. Die Augen nach vorne gerichtet, der ganze Kopf wirkt wie eine Mischung aus Mensch und Tiger. Ich bin fasziniert, meinem Urahn gegenüber zu stehen… oder meiner Urahnin, in dem Fall. Sie sieht ziemlich cool und ganz schön gefährlich aus! Charakteristisch gesehen hatte sie wohl Eigenschaften vom Reptil, als auch vom Säugetier. Von ihr Stammen auch die ersten Säugetiere ab, die über 160 Millionen Jahre im Schatten der Dinosaurier leben.
Faszinierend oder? Ich hab viele spannende neue Sachen gelernt und bin jetzt schon froh, dass ich die Tour gemacht habe. Im Weitergehen sehe ich noch ein paar coole Skelette, die ich euch natürlich nicht vorenthalten will:


Und das war’s. Der Bus steht bereit, jetzt geht es in den Park selbst. Wir bilden eine Karawane aus Tourbussen und Autos. Man kann nicht alleine in den Park, es geht nur mit einer geführten Tour, selbst, wenn man im Privatfahrzeug ist. Das hätte ich trotzdem bevorzugt. Naja. Der Bus holpert die steinige Strecke hinunter in ein Tal, dass dem Ausdruck „tot“ nicht besser entsprechen könnte. Kahle Felsformationen, steinige Böden, nichts außer Dornenbüschen, Kakteen und stacheligen Sträuchern. Faszinierend, wie sich Pflanzen und Tiere hier durchkämpfen können. Wir sehen ein paar Guanacos, denen das fressen hier sicher nicht leicht fällt. Dagegen ist Pampa ja eine Oase. Dennoch wohnt dem Ort eine eigenartige Schönheit inne.
An unserem ersten Stopp wird klar, warum es „Valle de la luna“ heißt. Vom Aussichtspunkt aus haben wir einen fantastischen Überblick über die mondartigen Felsformationen. Das Tal selbst hat viele Namen. Die Namensgebung hängt auch damit zusammen, dass der Park in den frühen 70er Jahren zum Nationalpark erklärt wurde, wenige Jahre nach der Mondlandung und den ersten Bildern der Mondoberfläche.






Wir dürfen eine kurze Zeit die Aussicht genießen, dann geht es wieder in den Bus zum nächsten Ziel. Unterwegs mache ich wieder das, was mir eigentlich verhasst ist: Fotos aus dem Bus. Aber ich will euch wenigstens einen kleinen Eindruck vermitteln:




Etwa 10 Minuten stoppen wir wieder und folgen einem hölzernen Pfad zu einem weiteren Aussichtspunkt. Unterwegs fange ich die bizarren Formationen ein… eine sieht aus wie eine Sphinx, findet ihr nicht?








Als wir am Aussichtspunkt ankommen, bin ich verwirrt: Was ist das denn?


Der Guide erklärt, dass es über die Formation nur Theorien gibt. Die nahezu perfekten Kugeln haben einen Kern, so viel ist klar. Scheinbar bilden sie sich tief in der Erde, in einer flüssigen Schicht, wo sich der Kern aus Erde bildet. Dann wird der Erdbrocken durch die Bewegung der Kontinentalplatten in der Flüssigkeit hin und her gewogen, sodass sich die runde Form ergibt. Druck, Reibung, Bewegung schieben den Ball nach oben, bis er an der Oberfläche ankommt. Das ist die Theorie. Einige davon wurden künstlich dazugelegt, doch der Großteil wurde natürlich so vorgefunden. Irre! Sie nennen es „das Boule-feld“, weil es wirkt wie die Kugeln im „Boule“-Spiel. Laut Guide tauchen die Kugeln nicht nur hier, sondern überall auf der Welt auf, aber die Quantität hier ist schon auffallend.
Wir gehen zurück und ich schieße noch ein paar Bilder von der umliegenden Landschaft:




Nächster Stopp ist das „Submarino“, sowie zwei von den typischen Pilzformationen, für die der Park bekannt ist. Hier sind man an den Steinformen deutlich, dass das mal unter Wasser war. Es wirkt wir ein trockenes Riff.









Die beiden Riesenpilze sin in der Tat beeindruckend. Leider weiß ich nicht mehr genau, wie sie entstanden sind. Ursprünglich waren es drei, aber der dritte ist 2019 umgefallen.

Wir fahren in ein Infozentrum, wo ein Modell einer Ausgrabungsstätte dargestellt ist. Ein Mitarbeiter erklärt, wie genau es funktioniert, aber ehrlich gesagt verstehe ich ihn schlecht. Ich meine, das Skelett wird nur grob freigelegt, eingegipst, in ein Labor transportiert und dort vorsichtig aus dem Stein gebohrt. Könnte aber auch Quatsch sein.





Fehlt nur noch der letzte Stopp. DER berühmte Riesenpilz des Parkes. Wir fahren hin, schauen ihn an, machen Fotos und dann wird es Zeit zu fahren. Ist schon beeindruckend, aber ehrlich gesagt nicht mein Tageshighlight.




Wir steigen in den Bus und fahren wieder zurück. Während der Fahrt kommen wir nahe an einer riesigen roten Felswand vorbei, die ich nicht wirklich fotografieren kann, weil ich auf der anderen Seite sitze. Aber ein bisschen schon:


Wie eine große Klippe halten wir uns immer rechts davon, mir kommt es vor, als wären große Säulen in den Stein gehauen, die den Berg tragen, wie in einem Tempel oder einer Kirche, nur eben natürlich. Es ist sehr schön. Der gesamte Nationalpark ist es wirklich wert gesehen zu werden. Auf der anderen Seite der roten Wand liegt noch ein zweiter Nationalpark, der Talampaya-Park der Provinz La Rioja. Diese Wand bildet die Provinzgrenze. Ich habe mich bereits entschieden, dass der andere Park sicher auch sehr schön ist, aber ich sicherlich nicht zwei Mal diese Weite Strecke und die Tour auf mich nehme, nur um eine ähnliche Landschaft zu sehen. Einer reicht, meine Wahl fiel auf das Valle de la luna. Zurück im Besucherzentrum bekommt die Tour dann endlich ihr Mittagessen… um halb fünf. Ich entscheide mich, draußen in der Sonne zu bleiben und dort meine Sandwiches/Bananen zu essen. Dann laufe ich noch ein bisschen auf dem Gelände herum, mache Bilder vom Aussichtspunkt und entdecke ein verstecktes Denkmal oder vielleicht sogar ein Grab, das meine Aufmerksamkeit auf sich zieht:


Auf der Tafel steht: Hier ruht, lebend in der Zukunft der Künstler und Naturalist Robert L. Cei. Gebürtiger Italiener, im Herzen jedoch aus San Juan. Er liegt umgeben von den Schatten der Mächtigen des Mesozoikum in Ischigualasto, denen er Leben und Ausdruck verliehen hat. Sein Andenken wird heute in dieser atemberaubenden Landschaft mit den unergründlich mythischen Erinnerungen an das Valle de la Luna verbunden.“ Florenz, 4.09.1941 – San Juan 22-4-1981.
Klingt, als wäre das ein echter Liebhaber des Parkes gewesen. Ich finde es ein schönes Denkmal. Die Sonne steht bereits tief, als wir losfahren. Die Fahrt dauert ewig und ich beschließe, wenn irgendwie möglich, mich in Zukunft von diesen Touren fernzuhalten. Es passt nicht zu meiner Art zu reisen, es ist teuer, man hat nur kurz Zeit an den tollen Orten und dann noch die ewige Busfahrt. Es kommt wirklich besser und wahrscheinlich günstiger, ein Auto zu mieten. Diesmal war unser Guide auch nicht wirklich sympathisch, sodass sich wenigstens das gelohnt hätte. Der Park war zwar fantastisch, aber dafür hätte ich die Tour nicht gebraucht, das hätte ich im Auto auch alles erfahren.
Ich komme sehr spät, sehr müde zurück und finde Menschen in meinem Zimmer vor.
Auf dem Bett neben meinem sitzt eine rothaarige Amerikanerin, Sara. Wir unterhalten uns eine Zeit lang nett, dann koche ich mir was zu essen. Nach dem Essen sitze ich wieder mit ihr zusammen und wir sprechen über unsere zukünftigen Reisepläne. Ich erkläre, dass ich als nächstes in Norden will, um dort die kleinen Dörfer zu erkunden, von denen Alba mir erzählt hat. Sara würde das auch gerne und schlägt vor, dass wir gemeinsam ein Auto mieten. Wie ich heute entschieden habe, würde ich das gerne öfter machen, aber ich habe trotzdem Muffensausen. Ich bin zwar schon einiges gefahren, aber Argentinien scheint mir nochmal eine Nummer größer. Ich kenne die Straßen vom Roadtrip mit Alba, die schlechten Autos… ich sage, ich überlege es mir. Dann gehe ich früh schlafen, der Tag war lang.
Vielleicht träume ich ja von kleinen, alten Dinosauriern.
Liebste Grüße,
Eure Jana
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