Die Nacht wird unangenehm. Für mich noch weniger, als für Ale, aber es ist wirklich irre kalt und auch mein Schlafsack kann nicht mehr alles abfangen. Wir kommen irgendwie durch die Nacht, aber viel Schlaf haben wir nicht abbekommen. Die Dusche am Morgen fällt aus… wenn man das Wasser aufdrehen will fällt einem der Drehknauf in die Hand, da kommt nichts raus. Wieder ist es erst der Tee, der uns halbwegs aufwärmt. Wir sitzen übrigens beim Essen immer mit den jungen Leuten zusammen, die sich doch als halbwegs akzeptabel herausstellen, vor allem die Deutsche wirkt ganz nett. Sie und eine Schwedin haben ein Auslandssemester in Lima studiert und kehren bald zurück, das ist einer ihrer letzten Ausflüge. Der Typ kommt aus den Niederlanden, auch nur auf einem Kurzausflug hier. Das Frühstück ist zwar sättigend, aber lecker ist was anderes. Trockenes Toastbrot, Marmelade oder Dulce de Leche… immer nur süße Frühstücke, die gehen mir langsam echt auf den Sack. Ab und an ist das ganz nett, aber ich bin echt eher der herzhafte Typ… der muss hier leiden.
Ich versuche viel Tee zu trinken, weil ich momentan mal wieder so richtig schlecht Wasser trinke. Der Tag ist zu Ende und meine Literflasche immer noch halb voll. Die Salzwüste ist natürlich ein super Ort dafür. Gegen acht Uhr geht es los. Unser erster Stopp ist in einem nahegelegenen Ort, wo es einen Kiosk und eine kleine Quinoa-Ausstellung gibt. Während der Großteil der Reisegruppen sich mit Snacks eindeckt, erklärt uns der Guide, dass es hier 30 verschiedene Quinoa-Sorten gibt. Ein paar davon sind hier ausgestellt, zum Beispiel der gelbe, der rote, der rosane, der weiße oder der schwarze.





Ich frage, wie der hier wächst, wo es doch so wenig regnet. Nelson erklärt, der Quinoa braucht nur die Regensaison von Januar-März, die restliche Trockenzeit hält er dann aus und wächst sogar hier, in der Wüste auf ca. 4000 Metern Höhe. Faszinierend.
Danach fahren wir wieder raus ins Nirgendwo, halten nochmal an der Zugstrecke nach Chile für ein paar Fotos.



Viel von der Tour ist schlichtweg Fotospots abfahren, aber mei, gehört dazu. Und wer hätte es gedacht, am schlimmsten sind tatsächlich die Nonnen, die absolut immer und überall 1000 Fotos brauchen. Naja, wenn’s Spaß macht.
Der nächste Halt ist der Aussichtspunkt für den Vulkan Ollagüe, auf 4200 Meter Höhe. Weit in der Ferne sieht man eine Rauchwolke aus dem Berg aufsteigen. Wir haben wieder ein bisschen Zeit, was mich freut, ich nutze jede Gelegenheit, um mir die Beine zu vertreten. So langsam tun mir schon die Knie weh, weil wir hinten so eingequetscht sitzen und nie die Beine ausstrecken können.








Später finden wir einen Ort, wo der Wind nicht hinpfeift und man sich ungestört ein paar Sonnenstrahlen zum Aufwärmen holen kann. Ein seltenes Vergnügen… das Wüstenklima ist schon echt hart. Der Wind ist eisig, die Sonne trotzdem krass. Mit dem Wind fliegen feine Sandkörner durch die Luft, die einem die Augen tränen lassen. Trotzdem, es hat eine eigene Schönheit, aber mein Lieblingsklima wird es nicht.
Dafür lässt mir etwas anderes die Augen Tränen: Vor Empörung:

Ist das euer beschissener Ernst? Ein Strichmännchen für den Mann und eine fast nackte Frau mit Stöckelschuhen, rotem Höschen und Riesenbrüsten als Vertreterin für die Weiblichkeit? Ich bin absolut fassungslos und will mir überhaupt nicht vorstellen, was es heißt, in diesem Land eine Frau zu sein. Man ist Sexsymbol oder nichts. Schrecklich.
Wir kaufen ein paar Kekse für die Fahrt, Quinoa-Kekse, hmm, die schmecken bestimmt… mh okay, war vielleicht ein Fehlkauf, aber sie machen wenigstens satt.
Dann beginnt unser Lagunen-Marathon. Den Namen der ersten hab ich wieder vergessen. Der Guide lässt uns am Anfang eines kleinen Spazierwegs an der Lagune entlang raus und holt uns am anderen Ende ab. Zur Erklärung, wir sind immer mit den beiden Jeeps unterwegs, wir sind getrennt, aber theoretisch eine Gruppe. Ale und ich beginnen zu spazieren. Das Ufer ist salzig weiß und gelb-grün bewachsen, die Lagune eisblau… mit rosa Punkten.





Für Ale ist es das erste Mal, dass sie Flamingos in freier Wildbahn sieht, sie findet es genauso toll wie ich. Sogar eine Vicuñaherde ist in der Ferne zu sehen, wie sie sich dem Wasser nähert.
Dann sehe ich etwas nicht so tolles: Es gibt eine Wegmarkierung, zum Ufer, die man nicht übertreten soll. Mal ganz abgesehen davon, dass ich Deutsche bin, ich finde man sollte den Tieren genug Respekt geben und ihnen ihr Gebiet zugestehen. Damit sind Ale und ich alleine, der Rest rennt so nahe wie möglich ans Ufer, um ein tolles Foto zu machen. Der Niederländer macht sich an die Verfolgung der Vicuñaherde, sodass die am Ende nicht trinken und in die andere Richtung davonlaufen. Sowas geht mir ziemlich auf die Eierstöcke. Dezent genervt steige ich wieder ins Auto.
Die nächste Lagune ist die Laguna Hedionda – „die stinkende Lagune“. Wir steigen aus und – Boah, kacke, das stinkt echt übel. Der Grund dafür ist klar, die Lagune ist mehr rosa als hellblau, vor lauter Flamingos.






Diesmal ist es noch schlimmer. Die Polen rennen zum Ufer, übertreten die Linie und laufen noch 20 Meter weiter, sodass die nächsten Flamingos alle wegfliegen. Ich werde sauer! Trotzdem sage ich nichts. Wir sitzen noch eineinhalb Tage im Auto und solche Sozialgefüge sind empfindlich. Wenn ich jetzt einen Krieg anfange, wird der Rest der Tour sehr unangenehm. Also koche ich nur innerlich.
Passenderweise essen wir an der stinkenden Lagune, damit man auch richtig Appetit hat. Es gibt Flamingo – Haha, witzig Nelson! Aber das Hühnchen ist auch gut. Ich habe fast aufgegessen, als einer der Polen anfängt die hinter uns sitzenden Vögel zu füttern. Und wieder bin ich fassungslos. Jeder Guide in jedem Nationalpark erklärt einem, die Tiere bitte nicht zu füttern, es ist nicht ihre natürliche Ernährung und kann böse Folgen haben. Aber wir sind offensichtlich mit den dümmsten Touris der Welt unterwegs. Ich esse auf, schnappe mir meinen Nachtisch-Apfel und verlasse den Tisch.
Mag übertrieben sein, aber ich bin so sauer, dass ich nicht in der Nähe der Leute bleiben kann. Mir ist Tierwohl und der Respekt vor tierischem Freiraum einfach wichtig und sowas bringt mich einfach auf die Palme. Ich setze mich zur Lagune und bin ein bisschen verzweifelt. Ich hab jetzt schon keine Lust mehr, mit dieser Gruppe weiterzureisen und die Tour wird allein dadurch schon deutlich schlechter. Ich gehe ein bisschen spazieren, versuche die Lagune und ihre pinken Bewohner ein bisschen für mich zu genießen, das hilft. Später gehe ich wieder zu Ale, die ich uncoolerweise einfach allein hab sitzen lassen, aber sie hat Verständnis. Wenigstens habe ich sie, sonst wäre es echt scheiße. Wir beschließen, es uns einfach schön zu machen und die Polen zu ignorieren.
Als es weitergeht verändert sich die Landschaft um uns herum so langsam zu einer rötlich sandigen Wüste.
Der nächste Stopp ist wieder eine Art Kaktusinsel. Das Klo kostet hier übrigens überall ca. 5 Bolivianos. Dann kriegt man Klopapier und kann dann auf eine mehr oder weniger gute Toilette gehen. Unser Guide erklärt uns die schöne Alternative: „Baño de Incas“ – Pinkeln wie die Incas, einfach in die Natur. Dabei ist es doch überall verboten zu pinkeln, wie man auf dem sexistischen Schild beim Vulkan gesehen hat. Ich hab übrigens auch bessere Alternativen gesehen, das dort war das schlimmste. Kurzentschlossen gehen wir also hinter einen Stein und benutzen das Naturklo, deutlich besser und günstiger, das werden wir ins Zukunft öfter machen.




Auf der Insel gibt es Viscachas, das sind große Wüstenchinchillas. Was ist ein Chinchilla, eine Mischung aus Feldhase und Eichhörnchen. Eines sitzt auf einem Felsen, ganz nah, natürlich umrundet von Touris und Handykameras. Ich will gerade näher ran und aus (vernünftiger!) Entfernung ein Bild machen, als ein Vollidiot auf die bescheuerte Idee kommt, das Tier streicheln zu wollen. Bevor er es berührt, hüpft es weg.
Bei den Polen muss ich ein Sozialgleichgewicht halten, bei ihm nicht. Ich pflaume ihn an, was für ein Depp er ist. Er macht einen blöden Spruch und will es mit einem Apfelstück wieder anlocken, da pflaume ich ihn gleich nochmal an, was für ein Volldepp er ist. Er lässt es bleiben, sichtlich genervt von meiner Spießerbelehrung und ich mache ein schlechtes Foto aus weiter Ferne von dem Viscacha:

Es ist nicht zu fassen, wie respektlos die Menschen sein können. Eigentlich ist es offensichtlich, aber ich hatte immer noch die Hoffnung, dass Leute, die extra an solche besonderen Orte fahren, wo es besondere Natur gibt, diese auch wertschätzen und respektieren. Falsch gedacht.
Mittlerweile sind wir richtig in der Wüste. Wir machen noch einen Stopp, von dem aus man die farbigen Berge – die ich aus Nordargentinien schon kenne – sehen kann. Es ist wieder eine Augenweide.



Der Guide spricht von der „Dalí“-Wüste, in Anlehnung an den Künstler Salvador Dalí. Das liegt daran, das einige der Steinformationen im Sand aus der Entfernung aussehen, wie viele der Kunstwerke von Dalí. Kann ich nicht bestätigen, kenn mich da nicht aus, aber es ist definitiv schön.
Während der langen Zwischenfahrt dösen die Polen oft weg. Verstehe ich, ist auch anstrengend, die viele Fahrerei, die vielen Eindrücke. Glücklicherweise hat Nelson einen coolen Musikmix aus den 80ern – 90ern, sodass Ale und ich auf unseren Billo-Plätzen voll abgehen, vor allem als die Backstreetboys anfangen. So haben wir doch noch unseren Spaß. Aber zwischendurch zieht es uns dann auch die Augen zu. Die Strecke ist fast durchgehend ein reines Abenteuer, über Stock und über Stein, durch Flüsse, über Geröll… sowas hab ich noch nicht erlebt, aber Nelson meistert alles mit Tiefenentspannung. Er kennt hier jeden Stein.
Letzter Stopp ist nahe bei den Steinformationen in der Wüste, wo der berühmte „Arbol de Piedra“ steht, ein Steinbaum. Baum, Pilz, ähnlich wie in San Juan, aber gut, machen wir mal ein Foto… also… darf ich kurz… nur einen Moment… BOAH ALTER?! Die Polen waren schneller da und einer nach dem anderen rennt zu dem Moment um zig Fotos von sich zu machen (am schlimmsten sind immer noch die Nonnen) und keiner wartet eine Sekunde, dass ich ein Bild ohne irgendjemandem von dem Scheißstein machen kann. Wir beschließen es einfach zu lassen, und lieber die Zeit zu nutzen, um uns die schmerzenden Beine zu vertreten. Die anderen Steinformationen sind auch schön.





Am Ende kehren wir nochmal dorthin zurück und ich kann doch noch ein Foto ohne Menschen machen.

Unterdessen stehen die Polen schon genervt am Auto. Da wir hinten sitzen, müssen wir als erstes einsteigen, da sie immer als erstes überall hinrennen, schnell zig Fotos machen und dann gleich wieder weiter wollen, müssen sie halt warten. Ich würde die Orte nämlich gern auch ein bisschen genießen.
Wir fahren weiter zur Laguna Colorada, eines der Haupthighlights neben der Salzwüste. Der Aussichtspunkt liegt auf einem Hügel über der Lagune, die rosarot im Sonnenlicht glitzert.




Das ist echt schön. Die kleinen Tierchen, die die Flamingos fressen färben die Lagune rot, aber auch viele Algen. Ich frage unseren Guide nach dem Salzgehalt der Lagunen und er bestätigt meine Theorie. Das Wasser hier ist Süßwasser, es kommt vom Regen und vom Eis in den Bergen. Der salzige Boden macht es leicht salzig, aber die Tiere können problemlos davon trinken.
Wir fahren zum zweiten Hotel, das deutlich weniger komfortabel ist, als das erste. Schwer vorstellbar? Als erstes sollen wir uns ein Zimmer mit den anderen teilen, wogegen wir beide protestieren. Uns wurde vor der Fahrt versprochen, wir beide haben unsere Ruhe zu zweit und das fordern wir auch ein. Genervt weist man uns ein Zimmer mit sechs Betten zu, in dem nur wir beide schlafen und wir werden ermahnt, nur ein Bett zu benutzen.
Es ist wieder irre kalt, wir bitten darum, dass man den Ofen anschürt, aber die Hausherrin meint mürrisch, dafür ist es noch zu früh. Nach einer Ewigkeit bekommen wir dann Teewasser, aber als wir um Nachschub bitten, verneint sie. Die Polen bekommen irgendwann etwas, offenbar sind sie besser im penetrant sein. Das sollte eigentlich geteilt werden, da denken die gar nicht dran. Dann gibt es Essen. Die Suppe ist superlecker und vor allem schön warm, danach gibt es Pasta, die ist auch okay, aber schon nicht mehr wirklich warm.
Während des Essens erzählen Ale und ich, dass uns so kalt war, da antwortet die andere Deutsche, mit dem Schlafsack geht es bei ihr. Achso, ihr habt richtige Schlafsäcke dabei – Nee, nee, die haben wir von der Agentur bekommen….
…. Bitte was?
Ja, es ist wirklich so. Alle anderen, die hier mit uns reisen, haben von ihrer Agentur dicke Schlafsäcke bekommen. Und wir nicht. Davon war NIE die Rede. Auch, dass man Klopapier mitnehmen sollte, ist uns neu, ich hatte halt zufällig noch was dabei, aber mein Vorrat geht langsam zu Ende.
Wir sind fassungslos. Die anderen haben Mitleid, davon werden wir leider auch nicht warm. Es soll heute Nacht -11 Grad haben und irgendwie müssen wir es überleben.
Am Ende bitten wir nochmal um heißes Wasser, weil es wirklich kalt ist, das kriegen wir dann zwar, aber sie hat unsere Tassen schon weggeräumt und will sie jetzt nicht mehr rausrücken, weil sie keine Lust hat zu spülen. Also, ich verstehe ja, dass das für jemanden allein viel Arbeit ist, aber das ist doch der Job von einem Hotel oder irre ich mich da?! Am Ende sagt Nelson, wir sollen die Tassen einfach nehmen und rausgehen. Wir jungen spielen Karten, die Polen und die Nonnen haben ihre Schnapsflasche rausgeholt und wärmen sich so auf. Der Ofen heizt kaum. Es ist ähnlich, wie in Patagonien: Mit so wenig Service wie möglich, so viel Geld wie möglich machen wollen.
Ich will nochmal raus, um die Sterne anzuschauen. Die jungen Leute kommen alle mit, aber wir halten es alle nur kurz aus… und leider ist der Vollmond immer noch zu hell, man sieht kaum was. Leider Pech mit dem legendären Wüstenhimmel.
Diesmal gibt es das Angebot einer Dusche: Aber es gibt nur eine Temperaturstufe: kochend heiß. Der Niederländer will es trotzdem versuchen, ihm ist die Dusche wichtig, weil er am folgenden Tag 24 Stunden Busfahrt vor sich hat. Alle anderen wählen lieber die Stinkoption. Unfassbar.
Danach heißt es leider: Zeit für’s Bett.
L-L-L-L-L-LIebst-t-te G-Grüße,

No responses yet