Liebe Leser*innen!
Wir befinden uns im letzten Drittel meiner großen Reise. Auch wenn es schon so lange zurückliegt, bin ich entschlossen, auch diese Zeit noch aufzuschreiben, damit ich sie so gut wie möglich in Erinnerung behalte. Aber auch um euch noch teilhaben zu lassen an diesen spannenden Erfahrungen und um euch mitzunehmen in eine Welt, die so schwierig und gleichzeitig so wunderschön ist. Afrika hat mein Herz erobert, ihre Natur, aber vor allem ihre Menschen. Wenn ihr noch Lust und Muße habt, dann wünsch ich euch noch viel Spaß mit meinen Reisegeschichten.
Nach dem langen Flug von Nepal über den indischen Ozean bin ich Kapstadt gelandet. Es ist Mittag, die Sonne ist heiß und ich bin müde. Noch im Gebäude besorge ich mir eine SIM-Karte und ein wenig Bargeld: In Südafrika sind das Rand (2 Rand sind etwa 1 Euro). Dann beschäftige ich mich eine Weile damit, nach einer günstigen Gelegenheit zu suchen, um vom Flughafen in die Stadt zu kommen, was sich schwieriger herausstellt, als gedacht. Vielleicht war ich aber auch einfach zu müde, denn irgendwie hab ich mich total verlaufen und am Ende nehme ich das Angebot eines freundlich aussehenden Taxifahrers an, der mich in die Stadt bringt. Das Auto ist klimatisiert und ich lasse mich in den Sitz sinken, während die hügelige Steppenlandschaft an mir vorbeizieht. Südafrika… unglaublich, dass ich es bis hierher geschafft habe. Dass ich endlich auf dem afrikanischen Kontinent bin! Wie lange habe ich davon geträumt? Mit jedem Kilometer weiter, verschwindet das Drama von Asien und die Faszination steigt.
Etwa 20 min später setzt mich das Taxi vor meinem Hostel ab, dem Green Elephant Backpackers. Es war das günstigste der Stadt, aber die Preise in Südafrika sind plötzlich wieder saftig: Vorbei ist es mit dem asiatischen Niedrigpreis und dem ständigen Auswärtsessen: Ab jetzt wird wieder gekocht und gespart!
Das Haus ist ein älterer Baustil und wie ich finde, sehr charmant. In meinem Zimmer gibt es sechs Betten, zwei der Mädels leben dort stationär, was die vielen Koffer und Taschen erklärt. Am schönsten ist ein kleiner Balkon auf dem ein paar Sofas und Sessel stehen und auf dem ich viel Zeit verbringe. Nachdem ich mich eingerichtet habe, stehe ich eine Weile dort und lasse meinen Blick über die Stadt schweifen, spüre die Wärme und freue mich, dass mich entschieden habe, hierher zu kommen. Mein Bauchgefühl sagt mir, diese Kontinent hat Gutes mit mir im Sinne. Rückblickend betrachtet, hatte das Bauchgefühl wie immer recht.
Dann kommt die Müdigkeit und ich beschließe, den heutigen Tag nur mit ausruhen zu verbringen. Mein Bett hat einen kleinen, aber äußerst feinen Vorteil: Direkt vor mir ist ein kleines Fenster, von dem eine frische, kühle Brise einmal direkt über mich weht und wie ein perfekter, natürlicher Ventilator ist. Was für ein Glück! Ich verschlafe/verdöse den kompletten Nachmittag und die Anstrengungen der Reise hierher verschwinden langsam. Gegen 18 Uhr raffe ich mich noch einmal auf, um einkaufen zu gehen, damit ich etwas zu essen im Haus habe. Die Sonne ist schon fast untergegangen, sodass es angenehm warm und windig draußen ist. Es sind jedoch auch schon kaum noch Leute draußen unterwegs. Ich bin ein wenig auf der Hut, habe nur das nötigste bei mir und gehe schnell zum Supermarkt und schnell wieder zurück.
Der Supermarkt ist wie immer ein Kulturerlebnis, aber eines, dass sich wieder ein wenig nach Heimat anfühlt: Groß, es gibt alles, was das Herz begehrt, ein volles Kühlregal mit großer Auswahl… Und die Preise entsprechen dem Standard. Ich kaufe, was ich brauche und gehe zurück ins Hostel. In der Küche treffe ich einen Bewohner oder Mitarbeiter, mit dem ich mich nett unterhalte. Das soziale Klima hier ist allgemein sehr freundlich und herzlich, was meiner misstrauischen Seele wirklich gut tut. Ich esse noch eine Kleinigkeit an dem großen Tisch in der Küche und gehe dann bald wieder in mein Bett mit dem schönen frischen Luftzug, wo ich schnell wieder einschlafe.
Ich schlafe wirklich gut in diesem Hostel… bis ca. 3 Uhr nachts. Um diese Uhrzeit kommt jede Nacht eine der Frauen (eine sehr große, kräftige Frau) aus meinem Zimmer polternd herein, macht das Licht an, kramt rücksichtslos in ihren Sachen, zieht sich um und legt sich dann schlafen, während alle anderen wach sind. Die Tatsache, dass ich nach dem zweiten Mal schon eine Routine darin verspüre und danach auch wieder gut einschlafen kann, zeigt, dass meine Nerven, was diese Ruhestörungen betrifft wirklich belastbar geworden sind… leider durch gewaltsames Platttreten von rücksichtslosen Menschen. Nun ist es ein Vorteil.
Am nächsten Morgen bin ich richtig ausgeschlafen und fühle mich fit. Das passt gut, ich habe nämlich schon einen Ausflug geplant und spüre schon das Kribbeln in den Füßen. Nach einem guten Frühstück schnüre ich meine Wanderstiefel vom großen Rucksack und freue mich total darauf, sie endlich wieder zum Wandern zu benutzen! Bis alles vorbereitet ist, ist es kurz vor neun. Hier funktioniert wieder alles mit Uber-Taxis, und ich komme kurz darauf sicher und problemlos am Wanderparkplatz an.
Nachdem der Fahrer mich abgesetzt hat, spüre ich eine Leidenschaft aufflammen, die mir unterbewusst unglaublich gefehlt hat: Die Vorfreude auf einen Berg zu steigen, dabei alleine unterwegs zu sein und meine Kräfte zu testen… Gefühlt hatte ich das zuletzt in Südamerika, zumindest liegt es schon ewig zurück. Die Sonne scheint, der Weg ist leicht, die Natur ist typisch bergig und wunderschön und ich gehe mit federnden Schritten los. Mit jedem Meter verflüchtigt sich der Schatten, der noch in Nepal über meiner Seele lag. Die Strecke ist perfekt, relativ kurz und ein schöner Naturpfad, der auch ein paar Leitern und Kletterabschnitte hat, aber nichts, was nicht täglich hunderte Touristen davon abhalten würde, hier hoch zu klettern.







Kapstadt hat zwei berühmte Gipfel, die über die Stadt ragen und das Panorama unvergleichlich machen. Links von mir schiebt sich das beeindruckende Bergmassiv in die Höhe, dessen platter Gipfel mystisch in den Wolken hängt, wie es üblich ist: Der Tafelberg. Dort werde ich in den nächsten Tagen auch noch hinkommen.
Mein heutiges Ziel ist der kleinere, aber genauso schöne Hügel, an dessen Hängen die Stadt hineingewachsen ist: Der Löwenkopf. Und nach wunderschönen 50 min stehe ich auch schon oben und genieße die herrliche Aussicht.











Die Berge hier sind wieder ganz anders, als die, die ich bisher gesehen habe. Man sieht genau die verschiedenen Ebenen, in denen der Berg gewachsen war, beziehungsweise sieht es so aus, als würden diese langsam, herunterbröckeln. Als hätte man Platten aufeinandergelegt, die nach oben hin schmäler würden. Zwischen durch sind wieder grüne Flächen, bevor wieder eine neue „Steinterrasse“ herausragt. Ich beschließe, mich bei Gelegenheit mit der Geologie der südafrikanischen Berge zu beschäftigen. Aber dort oben suche ich mir erstmal einen ruhigen „Balkon“, eine Ecke für mich, wo ich die Schuhe ausziehe, und die Füße baumeln lasse, während ich auf die Blautöne des Ozeans, die weißen Strände, die Stadt und die Berge daneben in Ruhe betrachte und genieße. Später finde ich noch jemanden, der ein paar tolle Fotos von mir macht, auf einer Steinplattform am vorderen Teil des Berges. Dort sieht es aus, als würde man direkt über der Stadt schweben. Guter Punkt, wird aber auch gut genutzt.

Dann mache ich mich wieder auf den Weg nach unten. Scheinbar habe ich dafür ein gutes Zeitfenster erwischt, denn ich bin wirklich alleine und kann ganz in Ruhe spazieren, Fotos machen und mich an meiner Wanderung erfreuen… in Südafrika, in Kapstadt… wie cool, wie unglaublich ist es, hier zu sein!
Während ich das hier schreibe, schon längst zurück in Deutschland, fühlt es sich wieder an, als hätte ich die Wanderschuhe an den Füßen, die Käppi auf dem Kopf und die Sonne auf den Armen. Aufschreiben lohnt sich also, egal, wie viel Zeit vergeht!
Übrigens habe ich noch eine Entdeckung gemacht, bei der ich dachte, ich sehe nicht richtig! Ich stehe auf dem Lions Head in Südafrika und lese:

Baden-Württemberg?!?!?! Was ist das denn für eine großartige Werbung!!! Ich bin fassungslos (begeistert)!
Auf dem Wanderparkplatz angekommen, beschließe ich, dass ich Lust habe, weiter zu laufen. Also trete ich den Fußweg in die Stadt an und laufe bis zum Iziko Museum… was wohl wirklich noch eine ganze Stunde war… bin gerade selbst überrascht, aber gut, damals war ich einfach ein Kamel/Trampeltier!
Das Museum allerdings kann ich echt empfehlen. Es ist riesengroß, hat eine umfassende Ausstellung zur Flora und Fauna, aber am schönsten fand ich den Anfang, der die Geschichte der Menschheit von den allerersten Anfängen erzählt: Die Wiege der Menschheit liegt nämlich hier, in Südafrika. In der Nähe von Johannesburg liegen die ältesten Funde unserer Gattung und als ich hier im Museum einen Fußabdruck sehe, der über 100.000 Jahre alt ist, kriege ich Gänsehaut.

Ich meine natürlich meinen Wanderstiefel, was sonst 😉
Die Ausstellung erklärt einfach und sachlich die Entstehung der ersten Menschen, folgt den ersten Migrationen durch Afrika und schließlich der Ausbreitung nach Asien, Amerika und Europa. Es erklärt wie sich durch diese Wanderung und Umsiedlungen in andere Gebiete die Hautfarbe und das Äußere verändert hat, um sich der entsprechenden Umgebung anzupassen und die Umweltbedingungen dort besser zu ertragen und erklärt in schönen Worten, dass wir alle zur selben Gattung gehören: Menschen.
Ich finde diese Ausstellung deshalb so schön, weil das Rassismusproblem weltweit wieder deutlich ansteigt, wo es doch wissenschaftlich so offensichtlich ist, dass wir alle einen gemeinsamen Ursprung haben. Ich selbst kann nicht verstehen, wie man mit unserem heutigen modernen Wissen darüber, dunkelhäutige Menschen als weniger wert einstufen kann, als hellhäutige. Es ist ein Bild, das von Kolonialmächten erschaffen wurde, um ihren Einfall in diesen Kontinent und ihren Raub von dessen Gütern und Menschen zu rechtfertigen und dieser verbrecherische Mythos hält sich bis heute. Vor allem in Südafrika selbst.
Mich haben viele Leute gefragt, ob ich auf Reisen nicht Angst hätte. Meine Antwort ist stets `Nein, ich bin mit Vorsicht gereist, niemals mit Angst`. Mit einer Ausnahme und die war hier. Südafrika ist ein unglaublich kompliziertes Land, weil es eine so schlimme Geschichte hat. Apartheid ist auf dem Papier zwar vorbei seit Nelson Mandelas Befreiungsschlag… aber in der Gesellschaft ist es so präsent wie eh und je. Ich wurde seit Beginn meiner Ankunft gewarnt, nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr draußen unterwegs zu sein, stets meine Augen überall zu haben und nur mit einem sicheren Uber von A nach B zu fahren, mit dem meine Strecke online verfolgt wird. Ich kann nur in „sichere“ Bereiche der Stadt alleine fahren, andere Teile sind tabu. Es ist, als würde eine deutliche Grenze (örtlich und zeitlich) verlaufen, die die „weiße Welt“ von der „anderen Welt“ trennt und zwar strikt. Die Häuser hier liegen hinter hohen Mauern und Zäunen, sind elektronisch gesichert und kameraüberwacht. Es ist eine klare Abgrenzung, die überall in der Luft liegt, wohin ich auch gehe. Auf meiner ganzen Reisezeit, war ich mir meine Hautfarbe noch nie so bewusst, wie in diesem Land. Glücklicherweise ist es die, mit der man ein leichtes Leben hat.
Vor allem für Kinder finde ich es schön, wie die Ausstellung erklärt, dass es keine Rassen gibt, aber Rassismus uns das sehr wohl glauben lässt. So haben sie es zumindest einmal in einem Museum gelesen, bevor sie ihr ganzes späteres Leben trotzdem damit konfrontiert und ihr Wert an ihrer Hautfarbe gemessen werden.









Ich verbringe richtig viel Zeit in dem Museum, bis meine schmerzenden Füße mich wieder nach Hause beordern. Natürlich mit einem Uber. Dort habe ich erstmal richtig Hunger, denn bis auf eine „German Bakery“, die ich zwischen Lion’s Head und Museum entdeckt hatte und an der natürlich kein Weg vorbeiführte, hatte ich heute eindeutig zu wenig zu Beißen.
In der Küche koche/esse ich öfters mal zufällig mit dem Personal, die meistens den für ganz Afrika typischen Maisbrei essen. Dafür steht ein riesiger Topf auf dem Herd, an dem immer jemand steht und rührt, und sich dabei schon mit den anderen unterhält, die den Tisch decken. Dazu gibt es Hühnerfüße, also keine Hähnchenschenkel, sondern die Füße, die wir in Europa niemals zu Gesicht bekommen. Für die dunkelhäutige Bevölkerung der niedrigeren Klasse in Südafrika ist das ein gängiges Menü, sogar ein besonders gutes. Sie bieten mir an, ob ich probieren mag, aber ich verspüre wie bei den Käfern nicht das Bedürfnis, jede kulinarische Grenzerfahrung mit zu machen. Bin halt doch ein Kind meiner Gesellschaftsschicht.
Dann mache ich es mir eine Weile auf dem Balkon gemütlich und überlege dann, was ich heute Abend machen will. Es steht nämlich eine besondere Nacht bevor: Silvester!
Erinnerungen an Rio de Janeiro und die Copacabana suchen mich heim und auch wenn es okay für mich gewesen wäre, dieses Jahr einfach im Hostel zu bleiben und das neue Jahr hier zu begrüßen… Ich habe noch einen anderen Plan, der jedoch ein ziemlich riskantes Spiel ist. Bis zur letzten Minute bin ich hin und hergerissen und mache mich dann doch auf den Weg… zu einem spektakulären Silvesterausflug!
Den erzähle ich euch im nächsten Artikel!
Liebste Grüße
Eure Jana
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