Hallo meine liebsten Leser*innen,
In dieser Nacht klappt das mit dem Schlafen wieder besser, ich wache erst früh wieder auf und bald darauf kommen wir in El Cocuy an, einem kleinen Dorf tief in den Anden. Michael, meine alte Bekanntschaft aus Buenos Aires hat mir empfohlen, dass man dort ganz gut wandern kann… also schau ich mir das mal an. Unterwegs schreibe ich mit der Wirtin meines Hostels, die selbst auch ein Tourguide ist… und mir klappt die Kinnlade auf, als ich den Preis lese. Der teilt sich natürlich noch auf unter den Leuten, wenn es mehr werden, aber momentan bin es nur ich. Das kann ich beim besten Willen nicht zahlen.
Außerdem muss ich gerade wirklich aufs Geld aufpassen. Ich war in letzter Zeit ein bisschen zu ausgabefreudig, vor allem im Bezug auf Restaurantbesuche und mein Budget ist dezent ins Minus gerutscht. Für ein Volontariat fehlt mir die Zeit, also muss ich unterwegs sparen und kann nicht jeden Spaß mitmachen… diesen hier zum Beispiel.
Der Preis setzt sich aus Transportkosten und Kosten für den Guide zusammen, der ist Pflicht für die Wanderung, die nicht gerade einfach ist. Es geht auf fast 5000 Meter in die schneebedeckten Anden hinauf. Der Park kostet auch noch Eintritt, sodass ich alles in allem mit den Kosten fürs Hostal auf über 100 Dollar komme… zu viel für einen Tag.
Ich komme in El Cocuy also schon an, um gleich wieder zu fahren. Aber jetzt, wo ich hier bin, schau ich mich natürlich um, die Reise war auch schon wieder sehr lang, meine Füße verlangen nach oben gelegt zu werden. Ich gehe ins Hostel, Marta, die Wirtin, mit der ich geschrieben hatte, ist heute auf dem Weg zum Gipfel mit einer anderen Gruppe, sie kommt erst am Nachmittag zurück. Aber ich kann schon in mein Zimmer. Dort mache ich eine kurze Pause, gehe dann ins Dorf, um einzukaufen, und mich ein bisschen umzusehen.
Der Ort ist wunderschön… und erinnert ans bayrische Voralpenland. Die Häuser sind weiß, mit hellblauen Holzfensterfassaden, die Gassen schmal, die Leute sind hauptsächlich Bauern.







Hier sehe ich auch, dass diese Ponchos, die die Touris in allen Farben und Formen kaufen, hier auch tatsächlich getragen werden… aber in schlichten braun, grau oder schwarz, ohne Klimbim. Das typische Bild eines Bauern hier sind ein Hut, ein Hemd darüber der Poncho, Jeans und Gummistiefel. Hier ist mir mal einer ins Bild gelaufen.

Es ist ruhig, außer den paar Wandertouristen kommt kaum jemand hier her, es ist wirklich weit weg von der Zivilisation. Dadurch, dass ich die Wanderung jetzt nicht mache, ärgere ich mich fast ein bisschen, dass ich das nicht vorher geklärt hab. Mach ich halt sonst auch nicht, der Nachteil von spontanem Reisen, aber mit dem Ort hier hab ich mich ziemlich ins Aus geschossen.
Und trotzdem bin ich froh hier zu sein und dieses süße, traditionelle Dorf mit seinen Bauern, und schönen grünen Bergen zu sehen. Ich beschließe auf einen der umliegenden Hügel zu wandern, ein kleiner Aussichtspunkt übers Tal, dass ich zumindest ein bisschen unterwegs war. Zurück im Hostel sind dann plötzlich noch zwei neue Leute und fragen, ob ich nicht doch mit will, zu dritt wäre es günstiger… ich gerate ins Schwanken und beschließe, es mir auf meiner Wanderung jetzt zu überlegen.
Ich schnalle die Wanderstiefel an und stapfe los. Der Weg führt raus aus dem Dorf, zwischen Kuhweiden hindurch… es ist echt wie Oberbayern und ich fühl mich richtig heimisch.




Dann geht es nach oben durch ein paar Plantagen von Baumtomaten… da fühle ich mich wieder weit weg von zuhause. Oben an der Straße bin ich kurz verwirrt, wo der Weg jetzt entlang führt und gehe dann einfach querfeldein nach oben, was zwar steil ist, aber nicht weit, der Aussichtspunkt ist direkt über mir. Und dann bin ich da!







Der Wind pfeift, wie verrückt, aber ich bin natürlich vorbereitet und packe mein Mate-Set aus. Ah, schön. Ich bleibe eine ganze Weile, denke über viel nach, vor allem, ob ich die Wanderung nicht doch noch machen soll… und entscheide mich dann endgültig dagegen. Ich bin nicht im Training, die anderen wirken deutlich sportlicher, es ist eine harte Wanderung und vor allem die Höhe würde mich höchstwahrscheinlich nach der Hälfte der Strecke aufgeben lassen… und was hätten wir alle dann davon? Das ist es letztendlich, was die Entscheidung fällt und ich fühle mich gut damit. Tja, Berggipfel haben mir schon immer gut beim Entscheidung treffen geholfen.

Ich packe wieder zusammen, so langsam ist der Wind doch zu kalt und gehe über eine Kuhweide wieder nach unten.
Warum ich den Titel kolumbisches Bayern genannt habe? Es sind halt die klassischen Indizien:




Während ich laufe, fühle ich mich toll, freue mich hier zu sein, freue mich, reisen zu können und bin allgemein bester Laune. Im Hostel gebe ich den Jungs Bescheid und auch Marta, die kurz darauf zurückkommt und die freundlich verständnisvoll reagiert. Dann gehe ich duschen, lade ein paar hundert Bilder hoch/rüber/runter und gehe dann schlafen.
Mein Bus raus aus El Cocuy geht schon früh um 7:30 Uhr. Der Bus, in den ich steige, ist der Bus der lokalen Leute. Der Bus ist rustikal, die Leute neugierig, es läuft laut kolumbianische Musik, der Wind fliegt mir ins Gesicht, die Landschaft ist ein Traum. So muss es sein.
Und während ich so aus dem Fenster sehe, mache ich eine Beobachtung, von der ich nicht zu Träumen gewagt hätte. Direkt neben mir in einem Baum sitzt ein scharlachroter Papagei. Ich kann es kaum fassen. Keine zwei Sekunden später ist der Bus dran vorbeigefahren. Einen Moment denke ich nach, ob ich es mir eingebildet habe. Was für ein Moment! Und so ein rot hab ich wirklich selten in der Natur gesehen!
Ich fahre lange in den nächstgrößeren Ort, wo ich direkt umverfrachtet werde in die nächste Verbindung und in die nächste und in die nächste. Ich verbringe die nächsten 24 Stunden in verschiedenen Bussen… der Preis für El Cocuy, das so weit weg von allem war und der Preis für die wenige Zeit, die ich in Kolumbien habe. Aber mit mehrfachem Umsteigen ist es eigentlich ganz okay. Und als ich aussteige… bin ich in der Karibik.
Liebste Grüße,
Eure Jana
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