Hallo liebe Mitleser*innen,
ich weiß, ich hab euch mit einem haarsträubenden Moment zurückgelassen. Es wird Zeit, dass ich meine Selbstgewissheit auch als Schwäche sehe, da sie manchmal über die Stränge schlägt. Man lernt sich auf Reisen eben immer ein bisschen besser kennen. Ich dachte, ich bin eine verantwortungsvolle Fahrerin… naja, ich schätze, ich bin es jetzt.
Das Auto schleudert weiter unkontrolliert hin und her, bis es sich scharf nach links um 180 Grad dreht. Es quietscht, es kracht und wir kommen im Straßengraben zu stehen.
Es ist interessant, was im Körper passiert. Während der Schleuderfahrt war mein Kopf noch ruhig, hat nach Lösungen gesucht. Sobald wir stehen und vermeintlich alle unversehrt sind, beginnt mein Herz wie wild zu pochen und der Schock fährt einem in die Glieder. Ich atme kurz durch und frage dann, ob alle in Ordnung sind. Allen anderen geht es ähnlich, aber alle bestätigen, alles okay.
Ich entschuldige mich aufrichtig. Das hätte ich wirklich voraussehen müssen und nie niemals tun dürfen. Wenn jemand anders fahren möchte, verstehe ich das, aber ich fühle mich okay und bereit, weiter zu fahren. Spätestens jetzt werde ich nur noch vorsichtig fahren, weil die schlechte Erfahrung gleich am Anfang passiert ist und eine große Lehre war. Die Gruppe nimmt es gut auf, akzeptiert meine Entschuldigung und vertraut mir, dass ich weiterfahre. Nachdem alle wieder okay sind, fahren wir vorsichtig weiter.
Wer ab jetzt Angst hat, sich mit mir in ein Auto zu setzen, das verstehe ich. Aber glaubt mir, diese Erfahrung hat mich gelehrt ein Leben lang vorsichtig zu fahren, vor allem, wenn nicht nur mein eigenes Leben auf dem Spiel steht. Ich hatte zuvor noch nie einen Unfall und ich will auch nie wieder einen haben. Natürlich kann man das nicht immer verhindern, aber man kann vorsichtig sein. Und das bin ich ab jetzt wieder deutlich mehr.
Bevor wir weiterfahren, müssen wir aus dem Graben raus, der in dem Fall eine leichte Anhöhe aus Schotter ist. Da unser Auto recht tief ist, bleiben wir da nochmal stecken und Chris und Katrine müssen anschieben. So klappt es dann und wir können die Fahrt fortsetzen. Vorsichtig.
Wir fahren stundenlang weiter, die Landschaft bleibt ähnlich. Nur in der Ferne sehen wir etwas Weißes: Die Salzwüste von Jujuy. Eigentlich wollten wir zum Hauptfotospot, aber da die Sonne schon am versinken ist, beschließen wir früher anzuhalten. Wir stoppen das Auto an einer verlassen wirkenden Häusersiedlung, doch beim Näherkommen entdecken wir ein paar Esel in der Nähe. Von anderen Menschen keine Spur. Wir laufen weit hinein, bis der Boden unter uns erst gräulich, dann vereinzelt weiß und dann weiß wird. Es ist nicht so perfekt, wie im Kern der Salzwüste, aber die Erfahrung ist trotzdem großartig.











Nach dem Sonnenuntergang verfärbt sich der Himmel in ein intensives lila, an dem die ersten Sterne und eine dünne Mondsichel zum Vorschein kommen. Es ist wunderschön.


Wir gehen zurück zum Auto und fahren weiter. Die Straße ist nur langsam befahrbar, die kleinen Bodenwellen schütteln uns nochmal eine ganze Stunde durch und schneller als 25 km/h kann ich beim besten Willen nicht fahren. Einmal steigen wir noch aus und bewundern einen spektakulären Sternenhimmel, der uns nochmal in Staunen versetzt.
Irgendwann endet die Schotterstrecke und wir biegen wieder auf eine Teerstraße. Zwischen uns und Purmamarca liegt allerdings noch ein ziemlich hoher Berg, der uns eine weitere Fahrtstunde und mich viel Konzentration kostet, da die Serpentinen recht eng sind und viele LKWs unterwegs sind. Bereits am Anfang fahren wir an einem Unfall vorbei, sodass ich noch vorsichtiger bin.
Gegen 10 Uhr abends rollen wir endlich in Purmamarca ein. Eines der berühmtesten kleinen Dörfer des Nordens. Dort wollen wir zu Abendessen und werden auch gleich spontan angesprochen, hier gäbe es Live-Musik, die Plätze werden gleich frei. Gleich stellt sich als eine halbe Stunde heraus, die Leute wollen anscheinend nicht gehen.
Ich bekomme es plötzlich mit ganz schönen Kreislaufproblemen zu tun. Klar, nach 8h Fahrt, zu wenig getrunken und über 2000 Höhenmeter im ständigen auf und ab fordern ihren Tribut. Ich beginne auf und abzulaufen, Wasser zu trinken, das hilft und schließlich werden unsere Plätze frei. Da geht es mir dann auch schon besser.
Wir sind wieder in einer Peña gelandet, aber viiel heimeliger als die in Salta. Vier Jungs singen und spielen mit Gitarren, Trommeln und Schellen und das ganze Restaurant grölt mit. Jeder Tisch wird einzeln begrüßt und willkommen geheißen, auch wir. Die Jungs sind toll, machen richtig Stimmung und können toll singen. Hätten die eine CD gehabt, die hätte ich gekauft! Ciao, Backstreet Boys!!


Auf der Karte steht Lama. Das will ich probieren. Außerdem noch viele andere nordisch lokale Gerichte mit Mais, Kartoffelpüree und natürlich Locro. Locro ist ein Eintopf aus verschiedenen Bohnen, Kartoffeln und Fleischstücken, der absolut herrlich schmeckt, aber das sollte ich erst später erfahren, erst Mal gibt es Lama… und es schmeckt superlecker. Ähnlich wie Rind, aber ein ganz dezenter Geschmack, ich bin begeistert! Alle anderen sind auch sehr zufrieden und wir schlagen uns die hungrigen Bäuche voll, immer wieder unterbrochen vom Mitklatschen oder Applaus für die Boygroup. Es ist noch ein einzelnes anderes Mädel aus Deutschland da, der statte ich nach dem Essen einen kleinen Besuch ab und unterhalte mich kurz mit ihr. Allerdings machen wir uns bald auf den Weg, wir müssen nochmal zwanzig Minuten in den nächsten Ort, dort ist unsere Unterkunft. Schade, an sich wären alle gerne länger geblieben, weil die Stimmung so super ist, aber wir sind eh schon halb tot und vor uns liegen anstrengende Tage.
Wir steigen also wieder ins Auto und fahren raus aus der Stadt… und bleiben stehen. Vor uns ist eine lange Autoreihe… wir haben unsere erste Straßenblockade erreicht. Ich steige aus und frage einen der anderen, wie lange sie schon warten. Die Männer erklären mir, die Blockade würde um halb eins öffnen… in einer Stunde. Ich seufze und verkünde den anderen die frohe Botschaft. Außerdem schreibe ich unserer Unterkunft, die vor einiger Zeit schon ungeduldig nach gefragt hatten, wo wir bleiben. Sie reagieren verständnisvoll auf meine Nachricht und schreiben mir eine Handynr., die ich anrufen soll, sobald wir dort sind.
Glücklicherweise löst sich die Blockade schon früher als gedacht, nämlich zehn Minuten später. Wir fahren langsam hinter den anderen Autos her und sehen zum ersten Mal einen Straßenprotest der indigenen Bevölkerung. In allen Farben weht die bunte Flagge der Indigenas an hölzernen Pfählen, wir fahren an Baumstämmen, Stacheldraht vorbei, an der Seite brennen viele Feuer, an denen sich viele Hände wärmen. Ich bewundere die Opferbereitschaft der Leute, so ein Protest ist verdammt kräftezehrend und die Menschen übernachten hier draußen in Zelten, es gibt kein Klo, nur sporadisches Essen.
Wir fahren weiter nach Maimara und finden unserer Unterkunft mit verschlossenen Türen vor. Ich rufe die Nummer an und eine Frau öffnet uns recht schnell, puh, das war Glück. Wir stellen das Auto ab, unser Gastwirtin begrüßt uns nett und reagiert verständnisvoll auf die Verspätung. Alle fallen ins Bett und schlafen schnell ein. Was für ein Start für unsere Reise… und das war erst der Anfang!
Liebste Grüße,
Eure Jana
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