Nach einer gut durchgeschlafenen Nacht sieht die Welt schon wieder anders aus. Katrine hat eine kleine Wanderung geplant und ich fühle mich heute fit genug, sie zu begleiten. Chris ebenso. Wir frühstücken eine Kleinigkeit und fahren dann VOR der Blockade auf einen kleinen Parkplatz, wo wir das Auto zurücklassen. In Tilcara gibt es wieder die Tortas Fritas und wir gönnen uns jeder noch eins, bevor es losgeht. Der Weg führt uns zunächst durch die Stadt nach oben. Wir kommen an einer schönen alten Brücke vorbei, machen ein paar Fotos und stellen dann fest, dass das rustikale Ding offensichtlich noch gut genutzt wird, weil uns einige Autos weghupen.

Danach folgen wir einer Kiesstraße nach oben, bis irgendwann ein Pfad abzweigt, der in die Berge führt. Ich lasse mich etwas zurückfallen, habe eh schon erklärt, dass ich nicht die schnellste bin. Außerdem kann ich das Erlebnis so ein bisschen für mich genießen… denn es ist herrlich. Der Weg ist nicht zu anstrengend, aber die Aussicht ein Traum, die Luft ist kühl und frisch, perfekt zum Wandern. Der ganze Stress, die Nervosität und die Action der letzten Tage verschwinden im Angesicht der traumhaften Natur, die uns umgibt und für die wir das alles letztendlich auf uns nehmen.







Wir bleiben größtenteils im Schatten, die Sonne hier oben hätte das Erlebnis sehr schnell deutlich anstrengender gemacht. Nach etwa einer knappen Stunde erreichen wir schon den Ausgangspunkt unseres eigentlichen Ziels. Die… also eine (es gibt wirklich viele davon) „Garganta del Diablo“ (Teufelsschlund). Eine riesige Schlucht, bei deren Anblick einem schwindlig wird, unten fließt ein kleiner Fluss.





Vom Aussichtspunkt aus kann man eine Treppe hinuntersteigen, die zuerst an einer Art Wasserwerk vorbeiführt.





Dort kommt man aber nicht viel weiter, deshalb gehen wir bald in die andere Richtung, den Fluss entlang. Hier ist es relativ flach, steinig und wir müssen den kleinen Wasserstrom mehrfach überqueren… aber es ist so schön, dass ich die Kamera kaum weglegen kann, auch wenn es 100-Mal dasselbe Bild ist. Die Sonne strahlt von oben die Gräser an, die senkrecht an der Schlucht wachsen und fällt auf das Wasser, wo sich das Licht in glitzernden Strahlen bricht. Die Idylle ist zu perfekt, der Ort hat etwas Magisches.






Auch den Fluss immer wieder zu überqueren macht unglaublich Spaß. Es geht um eine Ecke, um noch eine Ecke, noch mehr und dann stehen wir vor unserem Ziel:





Es ist herrlich. Und es gibt starke Hinweise, dass Argentinier hier waren:

Matereste…
Wir machen Fotos, setzen uns, genießen den Anblick, essen, trinken Mate, unterhalten uns. Allerdings wird es ohne Bewegung bald frisch im Schatten und so nahe am kühlen Nass, sodass wir uns doch wieder auf den Rückweg begeben. Nicht ohne nochmal richtig den Weg über den Fluss zu genießen. Vor allem diese bunten Steine, die vielen Mineralienfarben aus den Anden, davon kriege ich nicht genug.





Wieder oben am Aussichtspunkt stelle ich fest, dass das Überleben hier oben, vor allem für die Tierwelt echt hart sein muss. Es gibt nichts außer Pflanzen, die irre lange Stacheln haben oder andere Abwehrmechanismen: Tödlich, um selbst nicht getötet zu werden. Eine absolut feindliche Umgebung. Und trotzdem schaffen es die Vicuñas, Füchse, Schlangen und Insekten trotzdem irgendwie, sich hier durchzuschlagen. Davor hab ich Respekt.



Wir treten den Rückweg an, sprechen nicht viel, sind alle gefangen im Zauber der Wanderung und in unseren eigenen Gedanken. Zurück in der Stadt drehen wir noch eine Runde über den Markt und ich entscheide mich doch noch dafür, den herzförmigen Rhodochrosit-Anhänger zu kaufen. Jetzt habe ich auch einen argentinischen Nationalstein. Hier noch ein paar Stadteindrücke:







Bevor wir zurückfahren, kaufen wir noch ein paar Empanadas ein, auch für Anne, die den Tag entspannt im Haus verbringen wollte. Als wir ankommen, ist sie gar nicht da, sondern gerade am Fluss spazieren. Hier trennt sich alles auf. Ich ziehe mich für ein Nickerchen und dann zum Schreiben zurück, Anne kommt lange nicht von ihrem Spaziergang zurück, Chris und Katrine unterhalten sich noch ein bisschen, legen sich dann auch nochmal hin. Alle wollen einfach entspannen.
Zum Sonnenuntergang treffen wir uns wieder auf dem nahegelegenen Hügel, auf dem man so eine gute Sicht hat. Einer nach dem anderen kommt aus seiner Höhle dorthin gekrochen und wir sitzen einfach da, Chris fotografiert/schreibt, Anne zeichnet, Katrine und ich gucken nur. Langsam versinkt die Sonne und färbt die eh schon roten Berge noch röter, dann wird es langsam dunkel.



Katrine und ich fahren nochmal in die Stadt, ich habe die Ehre, sie zu einem besonderen Ereignis begleiten zu dürfen: Sie bekommt ein neues Tattoo. Dafür fahren wir in ein Hostel, wo die Tattookünstlerin arbeitet, die uns beiden total sympathisch ist. Wir sprechen über die Motivvorstellung, die Bedeutung, den Stil… und dann geht es los. Die Tätowiererin zeichnet eine lange feine, sich windende Linie über Katrines Arm und Schulterbereich und beginnt dann vorsichtig zu stechen. Währenddessen unterhalten wir uns über Gott und die Welt. Die Tätowiererin und ihre Freundin sind sehr an meinen Reisegeschichten interessiert und wie das Reiseleben an sich so für mich ist. Ich hab Spaß daran zu berichten und auch Katrine beteiligt sich mit ihren Erfahrungen am Gespräch. Es ist eine richtig schöne, tiefgründige Unterhaltung unter Mädels, die alle irgendwie gleichgesinnt sind. Trotzdem wird es für Katrine bald schwer, den Schmerz auszublenden, egal, welche Ablenkungsversuche wir starten. Drei Stunden lang muss sie sich der Tortur aussetzen, drei Mal geht die Tätowiererin über die empfindliche Unterseite ihres Arms… doch das Endergebnis sieht fantastisch aus. Aus Respekt für Katrine gibt es hier natürlich kein Foto. Es ist eben eine lange Linie, mal dicker, mal schmaler, aber insgesamt fein gestochen, die sich über Arm und Schulter windet in unebenen, unkontrollierten Bewegungen… wie das Leben selbst. Wir alle sind begeistert, nur Katrine ist recht fertig.
Wir fahren wieder zurück, Chris und Anne haben schon gekocht, um Katrine zu schonen, zeige ich ihnen die Bilder, die ich gemacht habe, auch sie finden das Kunstwerk super. Während wir essen sprechen wir über unsere besten und schlimmsten Momente. Es ist interessant, was jeder für sich nennt und was plötzlich wieder auf den Tisch kommt, was andere schon vergessen hatten. Es ist ein netter Abend. Trotzdem ziehe ich mich bald zurück, ich bin schon wieder total erschlagen. Unser letzter gemeinsamer Tag geht zu Ende, am nächsten spaltet sich die Gruppe auf. Ein komisches Gefühl…
Liebste Grüße
Eure Jana
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