Ich wache früh auf. Katrine ist auch schon dabei, sich anzuziehen, ich tue es ihr nach. Beide verlassen wir das Haus zu dem Hügel, auf dem wir gestern den Sonnenuntergang beobachtet haben, nur um jetzt die Sonne aufgehen zu sehen. Chris und Anne sind auch schon da. Wir beobachten das Spektakel, alle sind noch ein bisschen müde und mundfaul. Allerdings haben wir nicht lange Zeit, Check-out ist schon um 10. Ich gehe als erste zurück, weil ich viel zu packen habe, beginne dann aber schon mit Frühstück machen, sodass die anderen bald essen können. Das wird auch gern aufgenommen. Alle essen, alle packen, dann wird es Zeit für den Abschied von unserem schönen kleinen Rückzugsort.
Wir fahren noch einmal nach Tilcara vor die Blockade und setzen Chris und Katrine dort ab. Beide wollen sich auf den Weg nach Iruya machen, sie haben genug Zeit, die Wanderung auch so noch zu machen. Es wird Zeit für den ersten Abschied. Wir fallen uns alle in die Arme, bedanken uns für alles…
… dieser Trip war alles andere als ein einfacher Genuss. Wir alle mussten leiden, aushalten, geben, aber diese Gruppe war es, mit der wir es geschafft haben. Wir haben uns aneinander festgehalten, wenn einer gestolpert ist haben die drei anderen ihm/ihr wieder aufgeholfen. Die Zeit war so intensiv, wir alle haben so viel gelernt, mussten so viel lernen. Zu sagen, es wäre ein unglaublich schöner Ausflug gewesen, wäre schlichtweg gelogen. Es war verdammt hart. Aber wenn man mit den richtigen Leuten unterwegs ist, überlebt man alles.
Wir winken Chris und Katrine nach, dann steigen Anne und ich ins Auto und fahren in die andere Richtung davon. Ich hatte Sorge, dass ich eine Angst vorm Fahren entwickelt habe, aber dem ist nicht so. Im Gegenteil, es fühlt sich gut an, wieder am Steuer zu sitzen. Und jetzt sitze ich da mit Anne… mit der ich während des ganzen Trips eigentlich relativ wenig zu tun hatte. Von allen war sie mir am fremdesten… Zeit das zu ändern.
Unser Ziel ist wieder Purmamarca, diesmal bei Tageslicht. Wir stellen unser Auto vor dem kleinen Dorf ab und laufen hinein. Beide wollen wir nur ein bisschen durch die Straßen schlendern, die Atmosphäre auf uns wirken lassen. Das Dorf ist wirklich schön:









Ich bin wie immer stark an Schmuck interessiert, gehe von Stand zu Stand, Anne sucht nach einem gehäkelt Lama für ihre Nichte, die bald auf die Welt kommt. Einer der Schmuckhändler besitzt die Dreistigkeit mir ins Gesicht zu sagen, dass meine Kette ein minderwertiger Stein ist, nur damit ich ihm noch eine andere abkaufe. Ab dem Moment höre ich auf, mich umzuschauen, denn ich liebe meinen Anhänger und jetzt erst recht!!!
Die Märkte hier sind wirklich großartig. Es gibt so viel wunderschöne Handwerkskunst mit bunten Farben und Mustern, Keramik, Schmuck, Musikinstrumente, Matebecher, Holzarbeiten, Bilder… man möchte säckeweise Sachen mit nach Hause schleppen und es kostet uns viel Überwindung, nicht zu viel zu kaufen. Beide bleiben wir bei den wunderschönen Strickpullovern hängen, mit eingestrickten Lama-Motiven oder anderen indigenen Mustern, die einfach zu schön sind. Klar, Massenware, nicht handgemacht, alle Touris haben diese Pullover/Jacken/Ponchos… aber ich sag mal so, sowas bekommt man nur in Südamerika und somit hat es doch seinen Reiz. Wir wühlen uns durch, lassen es am Ende aber doch bleiben.
Anne hat im Internet einen kleinen Aufstieg zu einem Aussichtspunkt entdeckt, den klettern wir nach oben und haben so einen schönen Ausblick aufs Dorf… und vor allem auf die Berge, die dahinterliegen. Ähnlich wie das/der Hornocal ist Purmamarca für seine bunten Berge bekannt. Es ist wirklich unglaublich. Ein riesiger roter Felsen macht den Anfang, doch der Farbmix mit Rosa, Gelb, Orange zieht sich bis tief ins Gebirge dahinter.




Wir genießen es einen Moment und gehen dann zurück zum Auto. Es soll einen Weg um den großen roten Felsen herumgeben, aber der scheint gerade gesperrt zu sein/ erneuert zu werden, wir haben keine Chance. Langsam wird es Zeit, in die Nähe der Blockade zu fahren, sodass wir gegen drei weiterkommen. Während wir in der Blockade warten, geht Anne ein bisschen spazieren, ich schreibe Notizen für den Blog. Nachdem wir die Blockade passiert haben, kommen wir langsam ins Gespräch, reden über dies und das, erst oberflächlich, dann auch tiefer… und ich lerne einen ganz neuen, tollen Menschen kennen. Jetzt bin ich richtig froh, dass wir noch ein bisschen Zeit zu zweit haben. Ihre Geschichten sind interessant und wir unterhalten uns gut. Außerdem bemerken wir, wie sich die Natur um uns herum in kürzester Zeit verändert. Von der Kakteen-Wüste in Purmamarca kommen wir langsam in eine immer grüner werdende Zone. Wir fahren bergab und bergab, an Vulkanen vorbei, an Flüssen und kleinen Seen. Dennoch sind wir überrascht, das hätten wir einfach gar nicht erwartet.
Unser Ziel ist für heute tatsächlich das „gefährliche“ San Salvador de Jujuy, der Ausgangspunkt für die Proteste und Blockaden, der Ort, den wir zuerst großräumig umfahren haben. Allerdings nicht direkt im Ort, Anne hat uns in einer kleinen Siedlung außerhalb eine schöne kleine Unterkunft herausgesucht. Aber auch die lassen wir zunächst links liegen und fahren ins Gebirge, wo das Internet eine schöne Lagune mit Wasserfall vermutet. Wir fahren in Richtung der Thermen, natürlicher, heißer Quellen, über denen jetzt natürlich ein großer Komplex steht. Daneben führt eine Straße in die Berge zu einem Aussichtspunkt, an dem wir kurz hängen bleiben… es ist nämlich ein echt schöner Ausblick auf eine Vegetation, die ich kaum noch kenne. Alles ist grün, es gibt viele Bäume und der Fluss zieht sich idyllisch durch das Tal.




Auf einer Infotafel lesen wir, dass die kleine Provinz Jujuy tatsächlich vier Klimazonen einschließt: Valles(Täler), Quebrada (Schlucht), Yungas (Dschungel), Puna (Hochland). Wir beschließen, hier nochmal zum Sonnenuntergang und am nächsten Tag zum Sonnenaufgang hinzukommen. Dann fahren wir noch ein Stück weiter, kommen aber bei keiner Lagune an. Wir kreuzen viele Kühe und Pferde auf der Straße, einige Wasserrinnsale und bleiben irgendwann an einer Weide stehen wo wir kurz aussteigen und uns die Beine vertreten. Keine Lagune in Sicht. Aber trotzdem schöne Natur, fast wie in Deutschland.







Naja, das war auch schön, dann treten wir jetzt den Rückweg an. Einmal stoppen wir noch beim Aussichtspunkt und fahren dann zurück, checken in unsere Unterkunft ein und fahren dann in die Stadt, um dort zu Abend zu essen. Die Herausforderung ist nicht, über eine Straßenblockade zu kommen, sondern einen Parkplatz zu finden. Nachdem uns das gelingt, finden wir bald ein Restaurant, setzen uns, bestellen und bald kommt das Essen. Anne will mein Lama probieren, ich ihren Locro, beides schmeckt toll… doch Anne verschluckt sich. Zuerst wirkt es noch harmlos, doch schon bald merke ich, dass es schlimmer zu sein scheint. Ich schicke sie ins Bad in der Hoffnung, dass es dort nach kurzem Spuckprozess besser ist, doch sie kommt nicht zurück. Zwei Minuten später stehe ich auf und gehe ins Bad, wo ich sie röchelnd vorfinde. Sie kann zwar atmen, aber irgendetwas steckt ihr in der Kehle und das will nicht raus. Wir probieren den Heimlich-Griff (den ich nicht kann, aber DRINGEND lernen muss), klappt nicht. Sie bittet mich im Internet nachzulesen, doch das hilft uns auch nicht. Ich biete an, einen Notarzt zu holen, doch sie winkt ab, wir rufen jemanden an, den sie kennt. Ihr Bekannter empfiehlt uns über eine schlechte Whatsapp-Verbindung, dass ich in ihren Rachen schaue/greife, um das störende Stück so zu entfernen. Ich nicke und wir starten das Projekt. Sobald mein Finger ihre Zunge berührt, dreht sich Anne weg und muss sich übergeben… und damit löst sich die Blockade. Alle atmen durch, vor allem Anne. Sie bleibt noch eine Weile, während ich den Kellnern erkläre, was passiert ist und ob sie uns das Essen einpacken können. Sie nicken verständnisvoll, räumen alles ab, ich zahle und wir schleichen uns aus dem Restaurant, nicht ohne ein paar besorgte Nachfragen, die ich dankbar beantworte, alles ist gut. Anne ist total fertig. Wir gehen einkaufen, ihr Bekannter hat Eiscreme empfohlen, um den Hals abzuschwellen. Wir kaufen uns beide eine Dose, ein bisschen was zu Essen für die Fahrt morgen und dann geht es ab nach Hause. Wir setzen uns aufs Sofa, löffeln unser Eis, Anne geht es bald besser. Trotzdem geht es früh ins Bett. Die Strapazen wollen kein Ende nehmen. Aber es ist nur noch ein Tag, dann ist dieser Trip vorbei.
Liebste Grüße,
Eure Jana
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