Ich wache am nächsten Morgen und lese eine WhatsApp Nachricht von Sara: Sie kommt nicht mit. Sie fühlt sich krank, erkältet und muss dringend ein Problem mit der Fluggesellschaft klären, die ihr Tablet gefunden hat… es wird ihr zu viel jetzt auf eine ungewisse Reise zu gehen. Ich verstehe ihre Gründe, aber es ist trotzdem ein kleiner Schlag. Sie war mein harter Kern. Plötzlich fallen Automiete und die Verantwortung dafür auf mich und ich werde das Zugpferd. Aber deswegen absagen kommt nicht infrage.

Ich packe meine Sachen für den Checkout, frühstücke und treffe dann Chris. Er ist definitiv noch dabei und ich bin ehrlicherweise dankbar dafür. Wir sprechen nochmal über die geplante Strecke: Wir fahren über einen Umweg nach Purmamarca, um die Straßenblockaden vor San Salvador de Jujuy zu umgehen. Schlafen in der Nähe, sehen uns alles an, fahren dann nach Tilcara und Humahuaca, schlafen dort. Katrine möchte gerne nach Iruya, ein Bergdorf im Norden, von dem aus man eine spektakuläre Zwei-Tages-Wanderung machen kann. Damit steckt sie uns alle an, sodass wir das mit auf den Plan nehmen.

Während wir uns unterhalten, spricht uns ein Mädel an. Sie ist ebenfalls Amerikanerin und hat mitbekommen, dass wir eine Strecke in den Norden planen. Ich rieche schon woher der Wind weht und bin selbst nicht abgeneigt, da wir einen Platz frei haben. Wir reden kurz hin und her, sie hätte theoretisch noch eine andere Fahrgelegenheit, doch am Ende entscheidet sie, dass sie gerne mitkommen würde.  Wir nehmen noch die Salzwüste von Jujuy auf unseren Plan. Somit sind wir wieder vier (Anne, Katrine, Chris und ich) und  es wird Zeit loszugehen und das Auto abzuholen. Wir satteln unsere Rucksäcke auf, laufen zur Autovermietung und nehmen das Auto entgegen.

Ich checke das Auto auf Kratzer (hat schon  einige), ob das Licht funktioniert, ob es einen USB-Anschluss gibt. Die Frau zeigt uns noch den Ersatzreifen, einen zweiten lehnen wir ab, wir haben viel Gepäck bei vier Leuten. Am Ende übergibt sie uns den Schlüssel und wir steigen ein.

Ich setze mich auf den Fahrersitz und atme durch. Eigentlich wollte ich während meiner Reise nicht Autofahren, Südamerika ist nicht für sein tolles Verkehrssystem bekannt. Aber gut, hier sitze ich nun, jetzt heißt es, Ruhe bewahren, Augen auf und durch. Ich starte den Wagen und reihe mich in den Verkehr ein… innerhalb von zehn Minuten gewöhne ich mich an das Auto, meine Anspannung fällt ab und der Spaßfaktor steigt. Voll cool hier, jeder macht einfach was er will, passt auf sein Umfeld auf und dann klappt das schon. Regeln, Linien und Ampeln sind sekundär, man muss halt Auto fahren können und ein halbwegs wachsames Auge haben. Hab ich. Wir fahren zum Terminal, um Katrine abzuholen, die soeben von Cafayate angekommen sein müsste. Wir finden einen Parkplatz, ich steige aus und laufe hinein, um sie zu suchen. Dabei hole ich noch ein paar Croissants (Medialunas) vom Bäcker, als Einstiegsmahlzeit für unsere gemeinsame Reise: Vier Fremde in einem Auto für 6 Tage. Naja, nicht ganz fremd, Katrine kenne ich ja schon ein bisschen. Und ich freue mich auch sehr, als ich sie in der Menschenmenge entdecke.

Wir fallen uns in die Arme und gehen dann zum Auto. Kurze Vorstellungsrunde, dann geht es weiter, raus aus der Stadt. Die Stimmung ist gut, alle lernen sich so ein bisschen kennen, während es um uns herum langsam ländlicher wird. Die Straße führt uns zwischen die ersten Berge, auf denen Kakteen wachsen und zwischen denen die Flüsse fließen. Die Straße ist okay, zwischendurch gibt es immer wieder ungeteerte Strecken. Aber die Landschaft ist ein Traum.

Die Straße führt immer tiefer in die Berger und uns schließlich immer höher hinauf bis wir die 4000 hm Marke überschreiten und hinauf ins Altiplano der Anden kommen. Altiplano bedeutet genau das, was wir sehen: Die Landschaft ist so weit das Auge reicht fast flach, nur „kleinere Hügel“  säumen den Horizont. Aber man ist eben über 4000 Meter über dem Meeresspiegel. Soweit geht es allen gut, keine Anzeichen von Höhenkrankheit. Wir erreichen San Antonio de los Cobres und legen dort einen Stopp ein. Alle haben Hunger und wir sitzen seit Stunden im Auto. Wir finden einen kleinen Imbiss und essen natürlich Empanadas. Der Norden Argentiniens ist berühmt dafür, besonders gute Empanadas zu machen, das wollen wir ausnutzen. Und tatsächlich, sie schmecken köstlich.

Nachdem wir das Restaurant verlassen, spüre ich ein bisschen die Höhe. Leichte Kopfschmerzen, leichte Übelkeit… aber nichts Gravierendes. Freut mich, gibt Leute, die die Höhe gar nicht vertragen und dann schnell wieder in tiefere Gelage müssen. Glücklicherweise ist keiner von uns davon betroffen. Ich fühle mich auch noch fit genug weiter zu fahren. Wir verlassen San Antonio und damit auch die geteerten Straßen, unter unseren Reifen ist nur Schotter. Nach dem Essen ist die Stimmung wieder oben. Die Straße ist lang und gerade, es fährt sich gut, ich fühle mich sicher…

… und dann passiert das, was mir von Zeit zu Zeit eben passiert: Die Grenze zwischen Selbstsicherheit und Übermut verschwimmt und ich tue etwas, was ich nie hätte tun dürfen. Die Konsequenzen waren absolut vorhersehbar. Wie manchmal auch bei der Teerstraße (Wenn weit und breit nichts in Sicht ist), drehe ich das Lenkrad leicht links und rechts, damit wir eine Schlangenlinie fahren. Auf einer Teerstraße kein Problem… hier selbstverständlich schon. Binnen Sekunden verliere ich die Kontrolle über die Steuerung, kann nichts mehr tun… Panik macht sich breit und das Auto schliddert unkontrolliert über die Straße…

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