Die nächste Station auf der Reise wäre theoretisch Cerro Castillo. Dort gibt es einen Nationalpark mit einer Wanderroute auf den gleichnamigen Berg. Allerdings ist der Eintritt so teuer, das Maria und ich uns dagegen entscheiden und lieber gleich in die nächste Stadt fahren: Coyhaique. Colten und Bernoir haben den gleichen Plan, deshalb beschließen wir uns dort wieder gemeinsam nach einer Unterkunft umzusehen. Die Fahrt ist wie schon beim letzten Mal spektakulär und auch der Gipfel in Cerro Castillo sieht großartig aus.


Auch der Sonnenuntergang, der die Berge und den Himmel rot färbt ist eine eindrucksvolles Spektakel. Außerdem fahren wir an Wäldern vorbei, die komplett grün sind, aber plötzlich tauchen drei Streifen gelbgefärbte Bäume auf, die sich den ganzen Berg hinaufziehen, was ich mir absolut nicht erklären kann.
Warum es davon keine Fotos gibt? Weil Bilder aus dem Bus immer kacke sind. Ihr müsst es euch schlichtweg vorstellen.
Wir kommen abends in Coyhaique an (nach diesem Artikel schaffe ich es hoffentlich wenigstens einmal, den Namen Coyhaique auf Anhieb richtig zu schreiben). Leider bin ich mit lauter Langbeinern unterwegs und habe Mühe, hinterher zu rennen. Wir gehen in die Stadt auf der Suche nach einer Unterkunft. Mein Internetguthaben hat sich leider verflüchtigt und alle anderen haben noch keine funktionierende Karte für Chile, deshalb sind wir aufs analoge Suchen angewiesen. Wir laufen in Richtung Innenstadt, werden aber nicht wirklich fündig. Wir fragen und stehen schließlich vor einem kleinen Haus, als eine ältere Dame öffnet. Sie sagt uns zuerst den Preis, als wir unschlüssig sind, geht sie nochmal runter und bittet uns nach oben, wir können es uns ja mal anschauen. Wir wuchten also mit den Rucksäcken nach oben. Die Zimmer sind an sich nett, aber es ist wieder sehr kalt. Ich frage, ob es eine Heizung in Zimmer und oder Bad gibt. Sie lacht auf und antwortet fast ein bisschen schnippisch: Natürlich nicht, wir sind in Patagonien, hier ist es eben kalt. Ich verkneife mir genauso schnippisch zu antworten, dass man nach 100 Jahren in der Kälte ja vielleicht mal eine vernünftige Heizung einbauen könnte. Für Maria und mich ist schon klar, dass wir hier nicht bleiben wollen, für die Jungs entscheidet es sich, als die Frau erklärt, es gibt keine Küche. Bernoir erklärt ihr, wir sehen uns nochmal um, vielleicht kommen wir später zurück. Sofort verhärtet sich ihr Ausdruck, fast beleidigt erklärt sie, eine wirtschaftlichere Lösung werden wir nicht finden und sie wird das Haus jetzt verlassen, wir brauchen später also gar nicht zurückzukommen. In Anbetracht des bereitstehenden Abendessens in der Küche, eine offensichtliche Lüge, aber wir haben eh nicht vor zurückzukommen.
Ich beginne mich eine bisschen zu wundern. Die Frau war vom Typ her genauso, wie unsere erste Wirtin. Machen wir irgendwas falsch? Warum schlägt uns hier diese Härte entgegen?
Während wir weitersuchen, funktioniert wie durch ein Wunder mein Internet wieder… vielleicht musste es sich nur auf die Gegend kalibrieren, keine Ahnung, jedenfalls geht es wieder. Ich schlage einige Optionen vor und uns wird schnell klar, dass Maria und ich etwas andere Vorstellungen haben, als die Jungs. Uns ist es wichtig, mal eine Nacht nicht zu frieren, ihnen ist es wichtiger Geld zu sparen. Verstehe ich vollkommen, ich versuche auch im teuren Chile so sparsam wie möglich zu sein, aber es ist schon spät, dunkel, der Tag war lang und hart, ich bin müde und lechze nach ein bisschen Komfort. Wir beschließen uns zu trennen. Ich verabschiede mich von den Jungs, war eine wirklich schöne Zeit und gute Kameradschaft durch diese ersten Tage in Chile. Allerdings hat Maria schon ein bisschen Recht: Während wir beide uns eine etwas hochwertigere Unterkunft suchen, beschließen die beiden, erstmal ein Bier zu trinken und sich dann mit dem dortigen WLAN eine preiswerte Unterkunft zu suchen: Wir investieren in Komfort, sie in Bier… am Ende haben wir wahrscheinlich gleich viel ausgegeben: Männerlogik!
Nach einem weiteren zwanzigminütigen Marsch kommen Maria und ich an unserem Hotel an. Wir bekommen ein Zimmer mit einem großen Doppelbett, uns macht es nichts in einem Bett zu schlafen. Wir haben ein eigenes Bad, aus der Dusche komm laufend heißes Wasser und mit der Heizung ist es schön kuschelig warm. Wir genießen diese Dinge, als wären sie der größte Luxus der Welt. Manchmal ist es so einfach, glücklich zu sein. Auch der Empfang ist diesmal deutlich freundlicher und wärmer: Ist eben ein Hotel und wir sind in der Stadt.
Ich nehme eine lange, heiße Dusche und kuschle mich bald ins Bett. Marias Rhythmus ist immer weit hinter meinem, aber das ist ihre Zeit für sich selbst, wir spielen uns da schnell ein.
Wir funktionieren insgesamt ganz gut, dafür das wir sehr unterschiedliche Reisestile haben. Mir macht es nichts aus, mal drei Tage nicht zu duschen, wenn es eben nicht geht oder mir schlichtweg zu kalt ist. Maria duscht Minimum zweimal am Tag. Ich habe es längst aufgegeben, mich um mein äußeres zu kümmern, vor allem in Chile laufe ich rum, wie ein Neandertaler, Maria schminkt sich für Wanderungen, wie zu einem Ball. Auch ich wähle normalerweise eher die günstigere Variante, als die bequemere, ich gebe in dem Fall eher ihren Bedürfnissen nach, genieße sie dann aber nicht weniger. Nichts ist besser oder schlechter, es ist schlichtweg sehr unterschiedlich, aber ich bin immer wieder überrascht, in wie vielen Dingen wir gleicher Meinung sind, was wir gleich empfinden und wir denken was die Organisation betrifft meistens exakt gleich. Das einzige was mich manchmal wirklich stört, ist dass ihre Laune sehr schnell unterirdisch schlecht wird, wenn etwas nicht funktioniert. Und das gefällt mir gar nicht, weil sich ihre schlechte Laune auf mich überträgt… und ich hatte in den letzten Jahren weiß Gott genug schlechte Laune in meinem Leben, das will ich nicht für diese Reise. Klar ist das in und wieder unvermeidlich, ihr wisst am besten, wie oft ich während dieser Reise schon im Strahl gekotzt habe. Aber eben aus eigenem Impuls, nicht weil jemand anders es auf mich überträgt. Das und ein saftiger Sauberheitsfimmel, der auf einer Backpackingreise wirklich sehr ungelegen kommt. Auch hier bin ich das komplette Gegenteil.
Und trotzdem: Ich bin sehr froh, auf dieser Reise nicht alleine zu sein. Und zu großen Teilen verstehen wir uns wirklich sehr gut und haben genau die gleichen Reiseziele/Vorstellungen und können über absolut alles reden.
Wir schlafen eine erholsame Nacht in einem bequemen Bett und einem warmen Zimmer. Das Frühstück ist inkludiert, sodass wir es uns am nächsten Morgen beim Essen gut gehen lassen und uns dann in aller Ruhe eine neue Unterkunft suchen. Die ist auch gleich um die Ecke, ein schönes Hostel und deutlich näher in unserer Preisklasse. Wir sind in zehn Laufminuten dort, stellen unsere Sachen ab und machen uns dann auf, den Tag in der Stadt zu verbringen. Die Sonne scheint, ein seltenes Phänomen für Chile um diese Jahreszeit. Es ist herbstlich kalt, aber die Stadt gefällt uns gut. Wir kommen am Monument des Schäfers vorbei, ein Monumet für die klassische Landarbeit in Chile, die dort seit Urzeiten vorherrscht, damals wie heute, und ein Symbol für Patagonien selbst ist: Der Schäfer mit seinem Hund und seinem Pferd, bei der täglichen Arbeit.



Wir laufen den kleinen Park weiter entlang, fangen Eindrücke ein…



…und stoßen dabei auf einen seltsamen Baum, der aussieht wie eine Kiefer, aber keine ist:




Ich denke an meinen Vater, der diese Baumart in Deutschland super als Weihnachtsbaum verkaufen könnte… fürchte nur, der Import wird zu teuer, Papa.
Wir kommen am Stadtfriedhof vorbei und beschließen, einen Blick reinzuwerfen. Ähnlich wie in Argentinien gibt es kleine Häuser/Tempel für die reicheren und kleinere Gräber am Boden für die „Normalbevölkerung“. Uns fällt auf, dass es überraschend hell, bunt und sehr liebevoll gestaltet ist. Zwar sind die Blumen alle aus Plastik, aber es sind nicht nur Blumen, auf kleine Windräder und alle mögliche Dekoration bis hin zu Kuscheltieren, die liebevoll neben den Gedenksteinen liegen. Es ist ein Ort, an dem man gerne kommt, um Oma/Opa, Mama/Papa zu besuchen. Es ist alles andere, als eine düstere Erinnerung an den Tod.






Mal abgesehen davon liegt der Friedhof wunderschön, mit einer großartigen Aussicht auf die umliegenden Berge.

Es gefällt uns richtig gut… ja, okay, das klingt jetzt komisch. Aber wir setzen uns auf eine Bank in der Sonne, genießen die Ruhe und die Wärme… und mir fällt plötzlich auf, dass wir ja total das typisch chilenische Essen verpassen, wenn wir nie ins Restaurant gehen. Maria versteht sofort, was ich meine, erzählt mir aber, dass sie von einer Bekannten erfahren hat, dass es ein einfaches typisch chilenisches Gericht gibt, dass man wie einen Döner auf die Hand bekommt: Completos! Die könnten wir ja mal suchen. Ich stimme zu, das wäre schön. Mit dem Gedanken an Essen, Genuss, Leben… verlassen wir den Friedhof.
Wir kommen noch an einem kleinen Aussichtspunkt vorbei, mit schönem Ausblick:


Dann gehen wir in die Innenstadt. Das Stadtzentrum ist ein fünfeckiger Platz, auf dem es einen Handwerksmarkt gibt. Maria und ich schauen uns in Ruhe alles an, werden aber nicht fündig: Wir interessieren uns für den Nationalstein Chiles: Lapislazuli. Zwar gibt es ein paar Schmuckstücke und ich entdecke auch einen sehr schönen Stein, aber ich bin eher an einem Ring interessiert, als an einer Kette. Dafür unterhalte ich mich ein wenig mit dem Verkäufer über den Abbau und die Verarbeitung der Steine. Er erklärt mir, dass es spezielle Schürfrechte gibt und die entsprechenden Stellen nicht für alle zugänglich sind. die Steine muss man sehr vorsichtig in die richtige Form bringen und man benutzt dafür Werkzeuge mit Diamantbeschichtung, die ständig mit eine Wasserspritze gekühlt werden müssen, damit es nicht zu heiß wird. Wahrscheinlich lachen sich jetzt einige von euch kaputt, weil ich das so stümperhaft erkläre, aber zu meinem eigenen Missfallen bin ich leider nicht so werkzeugerfahren. Ich meine mich zu erinnern, das mein Schwager etwas ähnliches benutzt hat, um in die Fliesen in meinem ehemaligen Bad in München zu bohren, kann das sein? Naja, jedenfalls muss man vorsichtig sein, um die gewünschte Form zu erhalten und damit der Stein nicht bricht.
Maria ist schon vor einiger Zeit in einer Drogerie verschwunden, um ein paar Sachen zu suchen. Ich will mich gerade auf den Weg dorthin machen, als ich mitten in eine Schulparade laufe, mit einer Trommelgruppe als Vorreiter. Vielleicht haben einige von euch schon das Video auf Instagram gesehen. Die Klassen sind in Farben aufgeteilt: Rot, Gelb, Blau, Grün, die Kostüme sind teilweise völlig sinnlos, Hauptsache bunt. Ich bin entzückt und folge der Parade auf den Platz, wo sich eine Menschenmenge um sie versammelt hat. Eine Weile beobachte ich das bunte Treiben, dann mache ich mich wieder auf die Suche nach Maria, finde sie immer noch in der Drogerie. Ich sehe mich ein bisschen um und bin überrascht, als ich einige bekannte Marken entdecke und viel davon deutsch. Das kommt in Argentinien gar nicht so häufig vor, die sind mit dem Import fremdländischer Marken etwas eigen.
Wieder in den Straßen unterwegs stoßen wir plötzlich auf einen Heiligenschrein. Also, eine Imbissbude, um genau zu sein. Und es gibt: Completos.
Was ist das eigentlich genau? Meine Lieblingskollegin aus München wird sich sicher erinnern, genau wie ich, als ich diese Köstlichkeit wiedererkenne. Man könnte es schlichtweg als einen Hotdog bezeichnen. Man könnte aber auch etwas Kulturverständnis zeigen und nicht alles nach amerikanischem Bullshit klassifizieren. Dementsprechend wäre ein Bratwurstsemmel auch nichts anderes als ein Hotdog. Es ist ein längliches Brötchen mit einer Wurst (oder Champignons als vegetarische Variante) auf die man sämtliche Zutaten/ Saucen packen kann, die man möchte. Eine große Liste neben den verschiedenen Größen (15, 30 oder 60 cm), macht uns die Auswahl verdammt schwer. Nach einer gefühlten halben Stunde haben wir uns entschieden und können endlich bestellen. Mein Gott ist das lecker!! Wir beschließen am nächsten Tag gleich wieder zu kommen.
Den Abend verbringen wir entspannt im Hostel und planen den morgigen Tag. Zwei Mädels empfehlen uns den nahegelegenen Nationalpark Rio Simson, soll sehr schön sein und man kommt mit dem Bus einfach hin. Sie geben uns den Tipp, ein paar Straßen weiter in den Bus einzusteigen, ist gar nicht schwer. Ich suche den Ort in Google Maps und werde fündig, da kann man offensichtlich tatsächlich gut einsteigen. So entschließen wir uns, am nächsten Tag dorthin zu fahren… nicht wissend, auf was für ein Desaster wir uns einlassen.
Liebste Grüße
Eure Jana
2 Responses
Hey Jana,
natürlich erinnere ich mich – und hab sofort das Bild eines köstlichen Mittagsessens vor Augen, serviert von den freundlichen Herren der Zwoa Hund.
Ich hab also eine ziemlich genaue Vorstellung davon bekommen, was Completos sind, und leider sofort Hunger bekommen ( man sollte sowas nicht kurz vorm Schlafengehen lesen). Aber in Sachen individuelle Auswahl bei der Zusammenstellung, scheinen die Completos den Hotdogs überlegen zu sein. Nicht gerade günstig, wenn man sich schlecht entscheiden kann, aber genial, wenn man alle Varianten ausprobieren kann und so jeden Tag ein neues Geschmackserlebnis hat.
In diesem Sinne: Guten Appetit!
Liebe Grüße Christine
Hey meine Liebe 🙂
An diesem Stand ja, aber oft gibt es wie bei den Zwoa Hund nur zwei-drei Variationen und man wählt aus. Die „deutsche“ Variante ist übrigens mit „Tschukrut“… ich hab’s lieber gelassen 😀
LG Jana