Hallo liebe Leser*innen!
Ich stelle fest, dass ich kein Bettdecke habe. Naja, denke ich, wird schon gehen, bin ja im Dschungel, da ist es warm… tja, heute nicht. Ich beginne schnell zu frieren und decke mich mit T-Shirt und Handtuch zu, die ich noch im Bett liegen hatte… hilft aber kaum. Wieder kriege ich kaum Schlaf ab, so langsam wird das unangenehm. Am Morgen – davor hatte Keagan schon gewarnt – tropft Wasser von dem Blechdach… durch das Moskitonetz in mein Gesicht. Das ist nicht schön, macht aber auch keinen Unterschied mehr, nur als es auf mein Handy tropft finde ich es uncool. Mein natürlicher Rhythmus macht mich um 6 Uhr ganz wach und ich beschließe, aufzustehen und zu schreiben. Gute Entscheidung. Für eine halbe Stunde habe ich den vorderen Bereich für mich und kann einen wundervollen Morgen genießen, sogar mit ein bisschen Sonnenaufgangsorange über dem dampfigen Nebel, der vom Fluss aufsteigt. Die Vögel zwitschern, die Grillen zirpen… es ist die pure Entspannung, direkt neben der Natur zu leben.

Nach und nach kommen die anderen und halten mich vom Schreiben ab, dann gibt es leckeres Frühstück mit Rührei und Gemüse, frischem Obst (Banane,Ananas,Orange) und gebratenem Toast.

Dann Stiefel anziehen, nochmal mit Mückenspray einsprühen und los.
Maurice will gerade seine Stiefel anziehen, da erinnert ihn Vera, vorher reinzugucken, ob was drin ist. Er zieht den Stiefel aus, schüttelt ihn… und es fällt allen ernstes ein kleiner brauner Frosch heraus. Alle lachen und Maurice nach dem Schock auch.
Adriano erklärt uns kurz, was im Garten wächst: Wassermelone, Papaya, Chili, Aloe Vera, Mais und noch ein paar andere Sachen. Echt cool.





Wir fahren alle mit einem Boot los, das diesmal wirklich nicht mehr als eine Nussschale ist. Bootrand und Wasseroberfläche trennen keine zehn Zentimeter und es ist sehr wackelig. Aber sobald der Motor uns hinten anschiebt, geht’s ganz gut. Wir fahren über den Fluss, die Sonne scheint und alle beobachten die Umgebung mit den Vögeln, den Schmetterlingen und den riesigen Bäumen, auf denen selbst auch wieder Pflanzen wachsen.



Maurice spricht gerade davon, dass er gerne Papageien sehen würde, da fliegen doch tatsächlich drei über uns hinweg. Viel zu hoch und zu schnell, um Fotos zu machen, aber es ist trotzdem großartig. Wir animieren Maurice über einen Jaguar zu sprechen, das klappt leider nicht.
Nur für die, die noch dran glauben: Es ist nahezu unmöglich einen Jaguar zu sehen. Dafür müsste man sich schon tagelang in den Wald legen und nichts anderes zu tun als abzuwarten… und selbst dann ist es unwahrscheinlich. Auch die Anaconda ist eine seltene Sichtung. Adriano macht das seit über 10 Jahren… er hat vier Mal eine gesehen.
Das Boot setzt uns ein Stück entfernt ab, dann geht es wieder rein in den Wald. Adriano hat diesmal Früchte mitgebracht und wir nähern uns wieder der Stelle, an der wir gestern die Affen getroffen haben. Und tatsächlich, schon bald deutet er nach oben und wir sehen unsere Freunde wieder. Maurice hält ein Stück Orange hoch und schon kommen sie nach unten geklettert und nehmen ihm das Stück aus der Hand.




Es handelt sich um ein Männchen und drei Weibchen, eine davon hat ein Baby. Ihr darf ich etwas geben. Sie kommt her, holt sich das Stück, setzt sich neben mich und frisst. Das kleine Baby klammert sich dabei fest an ihre Brust… es ist so schön zu beobachten. Ihre braunen Augen sind so… menschlich:




Adriano meint, dass es okay ist sie zu berühren, sodass ihr ein bisschen über die Schulter streiche… sie zuckt nicht zurück, ihr Fell ist ganz weich. Aber nur kurz, ich will sie nicht zu lange stören. Die Affen fressen ganz in Ruhe mit uns und steigen dann wieder in die Bäume. Adriano erklärt, sie füttern jetzt nur noch Orangen. Früher haben sie sie auch mit anderen Früchten, Brot oder Gebäck gefüttert, aber das hat den Tieren aufgrund des hohen Zucker- und Chemiegehalts nicht gut getan. Mit den Orangen helfen sie den kleinen Affengruppen, weil es nicht so viele gibt und ihnen die Vitamine gut tun. Wir sind verzaubert von der schönen Begegnung und gehen weiter in den Wald.
Adriano erklärt uns wieder verschiedene Baumarten, unter anderem den größten Baum im Amazonas: Der Ceiba-Baum. Wird bis zu 75 Meter hoch, einer ist 450 Jahre alt. Er erklärt, die Samen dieser Bäume werden von Insekten gefressen, sodass sie sich nicht übermäßig ausbreiten. Die Natur hatte das vollkommen im Griff… bis der Mensch eingegriffen hat und viele der Ceiba-Bäume gefällt hat. Jetzt gibt es nur noch wenige. Später lese ich noch, dass der Ceiba-Baum heilig war für Maya, Azteken und andere indigene Kulturen. Er war die Verbindung zwischen dieser Welt zu anderen Welten über und unter ihm.



Er erklärt uns wieder verschiedene Medizinbäume, die unter anderem in der Krebsbehandlung eingesetzt werden, zum Beispiel Katzenkralle oder Dr. Caspi-Baum. Und auch Bäume, die man vom Hörensagen kennt, aber es trotzdem großartig ist, wenn man sie sieht: Mangroven zum Beispiel:

Heute haben wir das große Affenglück: Wir sehen noch Eichhörchen-Affen, ganz kleine, ebenfalls rötliches Fell. Und die kleinste Art, die hier in der Gegend ist: Tamarin-Affen – kleine schwarze Affen. Die bleiben zwar schön auf Abstand, aber sie rennen auch nicht sofort weg, es ist, als akzeptieren sie Touristen und teilen ihre Welt mit uns. Solange es sich eben in Grenzen hält.
Leider gibt es natürlich nicht viele Fotos von den kleinen Affen, sie sind so weit weg und so schnell, wie mit den meisten Tieren kann man das nicht einfangen. Dafür habe ich viele Videos machen können, auf denen man zumindest ein bisschen was sieht, die findet ihr auf den sozialen Medien, hier kann ich keine Videos einstellen.
Wir laufen an einem Baum vorbei, der gefällt wurde… und nachdem Adriano uns so viel über die Heilkraft und Besonderheit der Pflanzen erzählt hat, wirkt es ein bisschen wie ein Massaker, diesen gefällten Baum zu sehen. Liegt vielleicht auch an der rötlichen Farbe des Holzes.



In einem kleinen, stehenden Bach versucht Adriano Aale anzulocken, klappt leider nicht. Schade. Wir laufen weiter zu einem kleinen Hof, von dessen Baum er rote Früchte pflückt, die ein bisschen aussehen wie Äpfel. Einige schmecken sehr sauer, aber einige auch richtig schön süß und fruchtig.

Hier picken einige Hühner herum. Komisch, wir haben gefragt, warum wir am Camp keine Hühner haben und sie meinten, die würden die Tiere im Wald fressen… also, die Tiere die Hühner. Vielleicht haben sie hier eine besondere Sicherheitsmaßnahme.
Wir gehen noch ein Stück weiter. Das Laufen im Wald ist schön, aber anstrengend. Vor allem gegen Mittag wird die Luft so dicht und stickig, dass man tief atmen muss. Es ist irre heiß, aber es ist im Wald besser als außerhalb im Sonnenlicht. Wir sehen einen riesigen blauen Schmetterling vorbeifliegen… den blauen Monarchen.
Schließlich erreichen wir unseren Endpunkt, wo das Boot auf uns wartet. Erleichtert setzen wir uns, auch wenn das Boot immer unbequem wird nach einiger Zeit. Dort schauen wir, ob wir noch ein paar coole Vögel sehen. Manchmal ja, manchmal nein. Die Diversität ist so groß und Adriano kann uns sicher alles erklären, aber irgendwann ist das Hirn nicht mehr aufnahmefähig. Wir sehen noch einen Falken, der im Volksmund „Madre Vieja“ – alte Mutter heißt. Der ist ziemlich beeindruckend. Es gibt viele Vögel, die längliche, spitze Schnäbel haben und ganz anders aussehen, als alles was man kennt. Und es gibt die kleinen Meisen und Spatzen, nur in bunter. Es ist das pure Leben, alle wächst und gedeiht, das optimal Ökosystem. Ich persönlich finde, dass es auch wahnsinnig gut riecht, trotz des braunen Fluss‘, der total eklig wirkt, aber so ist es nicht.
Wir kommen an, ziehen die Stiefel aus und setzen uns, das Essen kommt auch gleich. Natürlich, wie immer, sehr lecker. Danach reihen wir uns für die Dusche ein, die echt gut tut, auch wenn man sich danach eh gleich wieder mit allem einschmieren muss. Ich nutze die Gelegenheit, um mich nochmal zu einer Siesta hinzulegen. Ausgerechnet heute kommen neue Leute an und sind zwei große Familien zum Essen zu Gast. Es ist irre laut und geht zu wie in einem Bienenstock. Ich bin so froh, im Bett zu liegen, aber an Schlafen ist nicht zu denken. Der Regen setzt wieder ein und hämmert aufs Dach… und trotzdem ist es wie ein Wachkoma. Ich kriege alles um mich herum mit, aber der Regen beruhigt mich irgendwie, sodass ich trotzdem viel Ruhe und Energie abkriege. Nach meiner Siesta stellen sich die neuen Leute vor. Noch mehr Deutsche natürlich: Jonas und Reem, ist Ägypterin, lehrt aber Deutsch und spricht fließend, beide sehr sehr nett.
Das andere Paar das ankommt, finde ich nicht so super. Sie ist Peruanerin, lebt aber in New York, er kommt wohl aus der Türkei… und ist Influencer. Muss ich noch mehr sagen? Offenbar sind beide bereits betrunken, haben auf der Fahrt dosenweise Champagner getrunken, laut Musik gehört und ich sehe sie aus dem Augenwinkel in der Küche rumknutschen. Ich kann es nicht fassen, dass ich bis in den Amazonas fahre, um pure Natur und Wald zu haben, und trotzdem solche Leute hierherkommen. Was haben die sich dabei gedacht?
Naja, für den ersten Ausflug sind wir noch befreit, weil die beiden so besoffen waren, dass sie direkt eingeschlafen sind. Trotzdem finde ich es anfangs doof, dass wir jetzt mehr Leute sind. Wir drei waren eine schöne kleine Gruppe. Aber schon bald stellt sich heraus, dass es mit Reem und Jonas super funktioniert, also alles gut. Heute fahren wir mit dem Boot raus aus unserem kleinen Nebenarm zurück auf den Ucayali Fluss, um dort den Sonnenuntergang anzuschauen. Auf der Kreuzung sehen wir wieder ein paar Flussdelfine, aber natürlich wieder kein gutes Foto, die sind einfach zu schnell. Das Boot setzt uns auf dem Strand ab, von dort sehen wir die Sonne sinken. Trotz der vielen Wolken ist das Spektakel wunderschön. Die Vögel fliegen über uns hinweg, große Weiße, kleine Schwarze, und um uns herum immer der Wald. Das Klima ist perfekt, ein sanfte Brise weht uns um die Nase, aber es ist angenehm warm. Nicht mal die Moskitos stechen uns zu Tode, es ist ein perfekter Abend.






Wir unterhalten uns nett am Strand, und kurz bevor es ganz schwarz ist, steigen wir wieder ins Boot. Adriano schaltet seine Stirnlampe an und auf dem Rückweg suchen wir nach Tieren der Nacht… aber ehrlicherweise achte ich gar nicht darauf. Denn über uns ist ein so spektakulärer Sternenhimmel, dass ich mich gar nicht davon losreißen kann. Die Milchstraße ist deutlich zu sehen und ein zwei Mal suche ich mit meiner Sternbildapp nach ein paar Sternbildern… mein Südkreuz wandert immer weiter Richtung Horizont… bald bin ich wieder in der nördlichen Hemisphere und es wird für eine ganze Weile verschwinden… das finde ich schade. Aber nur kurz, denn es ist viel zu schön, um schlecht gelaunt zu sein. Tiere sehen wir sowieso kaum welche, sodass ich einfach nur das magische Glitzern über mir beobachte. Ich sehe auch wieder die dunklen Flecken in der Milchstraße und wünschte, ich hätte doch eine gute Kamera, um diesem Moment einzufangen.
Wir kommen am Steg an und damit ist der Tag wieder fast vorbei. Ich bin immer noch begeistert von allem hier, es ist viel schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Ich liebe es auch im Camp zu leben, trotz der Viecher, der rudimentären Ausstattung, aber wir sind so nahe an der Natur, näher wäre nur im Zelt im Wald zu schlafen.
Der Typ der ungeliebten Neuankömmlinge schläft noch in der Hängematte, sie ist schon wach. Wir setzen uns um den Tisch und unterhalten uns ein bisschen, das geht soweit ganz gut. Jonas zeigt ein paar Magiertricks, die alle tolle finden. Bald gibt es Essen, Pasta, großartig. Ich will dann bald ins Bett, um meinen Schlaf nachzuholen, jetzt, wo ich eine Decke habe.
Da fragt die Frau allen ernstes, ob jemand Lust auf Disco hat, sie hat einen Lautsprecher. Passiv aggressiv gebe ich zurück, dass das das Letzte ist, was ich jetzt will und auch alle anderen lassen durchklingen, dass sie das nicht cool fänden. Sie hakt noch nach, sicher, sie hätte Lust. Ich setze nochmal nach und erkläre, dass hier um halb zehn sowieso alles aus ist, kein Strom. Man merkt, sie ist nicht zufrieden, aber ihr ist offenbar klar, dass ich ihr ins Gesicht springen würde, wenn sie das Thema nochmal anspricht, also gibt sie Ruhe. Maurice, Vera und ich gehen ins Bett, fertig von dem Tag. Ich lese noch ein bisschen und irgendwann geht der Strom aus… während noch jemand in der Dusche ist. Ich tippe auf den Typen, der den ganzen Tag gesoffen und gepennt hat. Man hört ein lautes „Fuck“ und dann kehrt irgendwann doch noch Ruhe ein. Die Sinfonie des Waldes beginnt und wiegt mich bald in den Schlaf.
Aber so ganz ruhig bin ich nicht. Ich spüre instinktiv mit der Ankunft der Partypeople ist meine schöne Zeit hier vorbei.
Liebste Grüße,
Eure Jana
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