Hallo zusammen, da sind wir wieder, weiter geht’s!
Der Bus nach Perito Moreno Stadt ist recht bequem und ich kriege verhältnismäßig viel Schlaf ab. Allerdings verrät mir am frühen Morgen ein Blick auf mein Navi, dass wir in einer ganz anderen Richtung unterwegs sind, schon nach Osten an Perito Moreno vorbei. Sofort beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Trotzdem warte ich noch kurz ab, um eine Theorie bestätigt zu bekommen, die sich kurz darauf auch bestätigt. Wir fahren zuerst nach Los Antiguos, einem Ort, eine halbe Stunde von Perito Moreno entfernt, näher an der chilenischen Grenze. Dafür muss man kurz vor der Stadt abbiegen, der Bus kehrt dann um, fährt nach Perito Moreno und von dort aus nach Norden, nach Bariloche. Bescheuert, wenn ihr mich fragt. Es sagt auch kein Mensch, wo wir gerade sind, normalerweise nuschelt ein Busbegleiter eine leise Ortsbezeichnung, aber wenn man in diesem Bus nicht ständig aufs Navi im Handy guckt, verpasst man schnell mal seine Station. Ach, Argentinien… manchmal bist du schon anstrengend. Ich liebe dich trotzdem.
In Perito Moreno mache ich mich gleich auf den Weg ins Hostel. Dieses wurde mir von meinem guten Freund Michael empfohlen, der durch meinen Tipp auf das naheliegende Highlight aufmerksam wurde. So wäscht eine Hand die andere. Der Betreiber bietet auch Touren an, leider nicht in dem Zeitfenster, in dem ich hinmöchte. Ich schaffe es trotzdem mir noch was zu organisieren. Im Hostel wackeln meine Nasenhaare: Die da ist eine Deutsche. Und ja, mein Instinkt hat wieder recht. Ich lerne Maria kennen, sie kommt aus Bad Aibling, hat lange in München gelebt und jetzt in der Schweiz. Außer ihr ist noch eine Chinesin und ein Koreaner hier, keiner spricht Spanisch. Mauro, der Hostelbetreiber ist sichtlich erleichtert, als ihn auf Spanisch anrede. Es ist ein nettes, kleines Hostel, familiär, bequem, ich fühle mich gleich wohl.
Am nächsten Tag werde ich um neun von Fernando abgeholt, meinem Tourguide. Er und Mauro kennen sich natürlich, beide sind aus dem Ort. Fernando und ich fahren ein weiteres Hotel an und holen den Rest unserer Gruppe: Drei ältere, gut beleibte Damen, für die ich gleich mal meinen Platz auf dem Beifahrersitz aufgebe. Wir steigen in den Jeep und los geht’s: Fernando fährt, Inez auf der Beifahrerseite und ich sitze hinten eingequetscht zwischen Claudia und Elisa und grinse. Das kann nur ein guter Tag werden.
Alle sind begeistert von meinem Spanisch und meiner Reise, aber dann übernimmt bald Fernando und erklärt uns die Gegend. Rund um Perito Moreno gibt es diverse Landschaften zu sehen und einiges zu entdecken, vor allem für Geologie-Liebhaber. Also für mich. Auf der einen Seite ist die altbekannte Pampa, auf der anderen Seite das andine Hochgebirge, doch hier treffen die drei Kontinentalplatten (Südamerika, Nazca, Antarctica) zusammen und bilden eine riesige Canyons. Vor Millionen von Jahren formen die Vulkane die Gegend und erschaffen eine zerklüftete Übergangslandschaft, verstecken viele Salze und Mineralien in den Bergen und machen es zu einem wahren Touristenhighlight. Ich bereue sofort, nicht mehr Zeit für die Gegend eingeplant zu haben. Aber gut, ich werde nie alles schaffen können, immerhin weiß ich jetzt Bescheid. Und ihr auch!!!!
Fernando erklärt uns alles genau, zeigt auf verschiedene Berge in der Nähe und Ferne, benennt alles genau… ich kriege es leider nicht mehr ganz hin. Aber ich erfahre etwas sehr interessantes über die Tierwelt: Pumas fressen keine Menschen, nur Deutsche!!! Ha-ha, sehr witzig, Fernando. Die drei Damen müssen trotzdem lachen. Nein, Spaß beiseite, der Kondor, der größte der Vögel hier, wird tatsächlich über fünfundachtzig Jahre alt. Krass oder?
Natürlich haben wir auch diesmal kein Puma-Glück, ich bin mir sicher, dass ich mal wieder keinen zu Gesicht kriege. Bei den seltenen Tiersichtungen ist das Glück einfach nicht auf meiner Seite. Ich erfahre allerdings auch, dass der Puma nicht nur zum Fressen tötet, sondern auch aus Spaß. Das ist ein großes Problem für die Farmer hier, da das Tier offiziell unter Schutz steht, aber neben einem gefressenen Schaf noch 19 halbtotgebissene hinterlässt, die kurz danach auch verenden. Naja, hier draußen hat jeder Farmer sein Gewehr und das Gesetz ist weit weg in Buenos Aires.
Es gibt auch eine Tour, die die komplette Gegend abklappert und verschiedenste Landschaftsformationen genau erklärt, aber das ist nicht unser Ziel. Unser Ziel liegt tief in den Canyons versteckt. Wir kommen an der Ausgangsstation an, bezahlen den Eintritt und setzen einen Helm auf, dann beginnt die Führung. Es geht leicht bergab und bergauf, kaum weit, aber die drei beleibten Damen, die wir dabei haben kommen ganz schön ins Hecheln. Wieder bin ich froh, meine Reise jetzt in Jugend und guter Gesundheit zu machen, in vierzig Jahren wird mir dieser Weg auch zu schaffen machen. Aber wir haben ja keine Eile. Nach kurzer Zeit ist es dann so weit wir sind da. Oh, da schlägt mein Historiker-Herz ganz wild.
Das hier sind die berühmten Handabdrücke vor der Cueva de los Manos. Die ersten Bewohner Patagoniens haben diese Abdrücke hinterlassen, die ältesten (okkerfarbenen) sind 9300 Jahre alt.


Der Guide erklärt uns, dass die Menschen die Abdrücke in verschiedenen Lebensphasen hinterlassen haben. Es gibt Kinderhände, Erwachsenenhände und auf dem Foto – etwa mittig – sieht man eine Hand mit eingekrümmten Fingern, Altersathritis:

Die Hände sind negativ Abdrücke: Heißt konkret man macht die Farbe auf den Handrücken und die Finger und bläst sie dann gegen den Stein, sodass ein Farbumriss um die Hand entsteht. Die Farbe selbst wurde aus Erde, Steinen, teilweise pulverisierten Tierknochen zusammengemischt, deshalb ist sie beständig und auch nach neuntausend Jahren noch zu sehen.


Der Guide fragt die Gruppe, warum wir hier etwa 80 Prozent linke Hände sehen. Blöde Frage, denke ich und klugscheiße direkt die Antwort: Weil der Großteil der Leute Rechtshänder ist und mit Rechts natürlich die Farbe auf die Hand auftragen muss, da bleibt nur die Linke als Motiv. Demütig nehme ich die bewundernden Ausrufe über meine Weisheit entgegen.
Während wir an den hunderten von Handabdrücken vorbeilaufen, frage ich mich, welche arme Praktikantensau zählen musste, wie viele linke und rechte Hände an der Wand sind…
Neben den Händen gibt es auch Zeichnungen aus dem Alltag der Leute. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Guanacos, die Nahrungs- und Versorgungsquelle schlechthin. Alles vom Tier wurde für das alltägliche Leben verwendet, das Fleisch, das Fett, das Fell, die Knochen, die Sehnen, die Klauen. Man sieht Jagddarstellungen, fünf Jäger waren für ein Guanaco notwendig. Die Jagdwaffe war eine Steinspitze, verbunden mit einem Seil die gezielt in Richtung des Tieres geworfen wurde, um ihm so Stichwunden beizufügen und es langsam zu schwächen.
Neben den Guanacos gibt es noch andere Zeichnungen von Tieren, Gürteltiere, Rehe, etc. Zwischen den Händen findet sich auch mal die Klaue eines Choique (kleiner Straußenvogel von der Halbinsel Valdez). Bei genauem Hinsehen findet ihr’s hier und oben auf den Fotos.








Außerdem eine lange Zickzacklinie (vermutlich die Bergkette) und ein Mondzyklus. Wir kommen auch an der tatsächlichen Höhle vorbei, in der die Ureinwohner gelebt haben:


Zuerst entdeckt wurde die Höhle von einheimischen Gauchos, erst danach kam der ein oder anderer Forscher vorbei, bis einer damit berühmt geworden ist. Leider hab ich den Namen wieder vergessen. Auf der anderen Seite bietet sich uns eine spektakuläre Aussicht über den Canyon.







Am Ende des kleinen Pfades ist noch ein kleiner Aussichtspunkt, dann machen wir uns auf den Rückweg. Während die mittlerweile nur noch zwei Damen ihre Zeit brauchen,(nein, die dritte ist nicht abgestürzt, sie ist bereits früher umgekehrt), habe ich Zeit für Fotos… und lasse mich auch selbst nochmal ablichten, nur so als Beweis.


Zurück am Ausgangspunkt gibt es Mittagessen, dann fahren weiter, um ein bisschen durch die Canyons zu spazieren. Also mehr als ein bisschen ist bei meinen drei sympathischen Begleiterinnen auch nicht drin. Claudia bringt mir auf der Fahrt argentinische Schimpfwörter und Flüche bei, Fernando erzählt von seinem Leben, seiner Familie und dass er als nächstes gern eine europäische Freundin hätte, dabei grinst er nach hinten. Ich nutze einen neuen argentinischen Fluch und alle lachen. Leider hab ich’s mittlerweile wieder vergessen, wie es genau geht. Fernando fährt uns in den Canyon, wo wir kurz ein bisschen herumlaufen können.





Im Tal liegt ein Salzfluss, dem man sich nur vorsichtig nähern kann, weil der Untergrund dort sehr weich ist. Ein Auto würde sofort versinken. Ich frage, ob ich näher hin kann, Fernando gibt den Weg frei und bemerkt, er zieht mich nicht raus, wenn ich versinke. Die Gruppenenergie ist super 😉

Wir fahren noch ein Stück weiter und steigen diesmal in der Nähe eines rosafarbenen Hügels aus. Fernando erklärt, die Farbe entsteht durch das hohe Mineralvorkommen. Meistens ist es Eisen, das rosane ist besonders alt. Ich bin fasziniert und frage ob ich hochklettern darf. Wieder gibt er grinsend den Weg frei: Adelante! (Auf geht’s) Ich kraxle hoch und mache ein paar Fotos aus der Nähe. So was habe ich noch nie zuvor gesehen.






Noch ein Stück weiter entfernt liegt die „tierra de los colores“. Dort sieht man die Abstufungen der verschiedenen und/oder verschieden alten Eisenvorkommen ganz genau. Klar, das braun-rost-rot kennen wir von oxidiertem Eisen, dann wird es wohl gelb und nach ein paar Millionen Jahren rosa. So schön…



Danach treten wir den Rückweg an. Was für ein farbenfroher, eindrucksvoller Tag.
Am Abend sitze ich mit den anderen Hostelbewohnern am Tisch und wir unterhalten uns. Die andere Deutsche heißt Maria und plant, ebenso wie ich, die berühmte „Carreterra Austral“ in Chile für eine Weile zu erkunden. Wir beschließen, uns zusammen zu tun, da diese einmalige Straße dafür bekannt ist, nicht die einfachste Strecke zu sein, vor allem in der Nebensaison. Vor uns liegt ein anstrengender Weg, aber auch ein atemberaubend schöner…mitten drin in den patagonischen Anden. Ein anderes Abenteuer für ein anderes Mal 🙂
Liebste Grüße
Jana
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Hi 🙂
Wow die Landschaft ist traumhaft schön, die bunten Steine, die Aussicht, mega! Es ist super faszinierend wie das Eisen dafür verantwortlich ist, dass die Landschaft so bunt einfärbt ist.
Das beste sind aber die ganzen Handabdrücke an den Wänden! Wie viele Leben da stattgefunden haben, wie viele Geschichten es wohl gibt 🙂
Hab letztens eine Star Wars Visions Folge gesehen, wo genau das mit dabei war! Mit den Wissen, dass sie sich wahrscheinlich von den Handabdrücke vor der Cueva de los Manos haben inspirieren lassen, gefällt mir die Folge um einiges mehr 😀