Hallo liebe Leser*innen,
die letzten Meter in Chile verschlafe ich fast komplett. Wir kommen erst gegen halb acht an der bolivianischen Grenze an. Der Grenzübergang verläuft relativ reibungslos und kurz danach habe ich einen neuen Stempel in meinem Reisepass… und insgesamt 10 chilenische Stempel. Der Bus fährt weiter. Landschaftlich ändert sich erstmal nicht viel, wir bleiben im Wüstenklima und ziemlich hoch. Gegen Mittag erreichen wir dann Uyuni. Es ist meine erste Stadt in Bolivien und der Unterschied ist deutlich zu sehen. Die Straßen sind deutlich schlechter, viel mehr Sand, noch weniger Teer. Je näher wir ans Zentrum kommen, desto bunter und chaotischer geht es zu.
Bolivien hat den größten Anteil an indigener Bevölkerung in ganz Südamerika. Vor allem die Frauen stechen hier ins Auge, die die traditionelle Cholita-Kleidung tragen, große bunte Röcke, eine Bluse/Jacke und einen Hut. Fast alle haben ein großes Tuch in schreienden Pink-grün-rot Farben umgebunden, darin tragen sie auf dem Rücken alles Mögliche, von Einkäufen bis Kleinkindern. Wir steigen aus und stehen in den Abgasen der großen Straße von Uyuni. Menschen laufen und schreien durch die Gegend, uns fliegen sofort Angebote für Taxis oder Touren entgegen. Der Ort ist nicht groß, er dient hauptsächlich als Ausgangspunkt für die Touren in die berühmte Salzwüste von Bolivien. Unser Hostel ist nicht weit, deshalb werden wir laufen. Internet habe ich noch keines, wir folgen meiner Fotografie von Google Maps und kommen schließlich am Hostel an.
Es sieht ganz nett aus, recht rustikal, schöner Innenhof und hohe Wände. Der Rezeptionist ist allerdings eine Vollkatastrophe. Erst kommt er ewig nicht, dann hat er ständig die Kopfhörer in den Ohren und gefühlt weiß er nicht mal, auf welchem Planeten er ist. Aber er bringt uns zu unseren Zimmern, wo wir auspacken. Ich würde mich gerne hinlegen und ausruhen… aber es ist so kalt in dem Raum, dass man es kaum aushält. Selbst unter den fünf Decken ist es eisig, weil das Bett selbst so ausgekühlt ist, dass es ewig dauert, bis ich es aufgewärmt hätte. Heizung gibt es nicht. In ganz Bolivien wird es schwer, eine Heizung zu finden, egal wie kalt es ist. Ehrlicherweise verstehe ich nicht so ganz warum, aber das Land ist eben sehr arm und Heizungen/Leitungen sind teuer.
Also gehen wir lieber nach draußen, so lange die Sonne noch scheint und es wärmer ist.


Erster Stopp, Geld abheben, zweiter Stopp Handychip kaufen, dritter Stopp, Tour buchen. Wir hatten zuvor eine Broschüre gesehen, die Tour hat uns gefallen. Jetzt heißt es nur, die entsprechende Firma auch zu finden. Wir wissen ja schon, wo wir hinmüssen. Zurück auf der Hauptstraße spricht uns eine Frau für eine Tour an. Da wir sowieso vergleichen wollen, lassen wir uns zu ihrer Firma führen… und siehe da, genau die, die wir gesucht haben. Wir hören uns das Angebot an, das klingt doch super, Preis scheint auch in Ordnung zu sein, also buchen wir, am nächsten Tag geht es gleich los.
Als wir rausgehen, sind wir erleichtert. Wir hatten befürchtet, nicht gleich loszukönnen, weil wir so knapp dran sind, aber das scheint gar kein Problem zu sein. Ins Hotel wollen wir nicht zurück, also gehen wir in ein Restaurant neben an. Da ist es etwas wärmer und Hunger haben wir auch. Es dauert ewig, bis überhaupt mal jemand auftaucht und das Mädel sieht aus, als hätte sie einen Schlafanzug an. Auch die anderen Gäste sind überrascht, dass es offenbar so lange dauert. Aber okay, wir haben es ja nicht eilig. Wir bestellen und auch dann dauert es ewig, bis das Essen kommt… aber schmecken tut es ausgezeichnet. Richtig frisch und lecker. Auch die Milchshakes sind ein Traum und vor allem riesig… der Preis dafür ist ein Witz. Kaum 12 Euro für eine volle Mahlzeit mit Getränk.


Danach suchen wir uns ein Café und finden das vegane Llama-Café (Lama schreibt man eigentlich korrekt Spanisch mit Ll und spricht es J). Da ist es schön kuschelig warm… und komplett voll mit Europäern, kein einziger Einheimischer. Wen wundert’s? Wir setzen uns, bestellen Tee und entdecken, dass es Würfel gibt. Kurzentschlossen hol ich meinen Notizblock raus, zeichne Kniffel auf und so vertreiben wir uns auf eine echt schöne Art die Zeit.

Irgendwann müssen wir aber dann doch zurück, sind auch ziemlich müde. Zähne putzen, umziehen und ins Bett gehen wird zu einer Kälteprobe. Es hat minus 10 Grad. Wir bekommen noch zwei Decken mehr, aber das hilft nicht, das Bett ist eisig.

Ich zücke meinen Schlafsack, damit geht es dann. Mal wieder bin ich so dankbar für das Ding. Ale hat nur einen Hüttenschlafsack, der isoliert kaum, aber es ist so auch etwas besser als ohne irgendwas. Ich schlafe gut, aber meine blöde Blase will sich mitten in der Nacht leeren. Ich ringe lange mit mir, aber es hilft nicht, also wühle ich mich aus meinem mittlerweile warmen Nest, renne aufs Klo und wieder zurück, dann hab ich Ruhe. Am nächsten Tag müssen wir um 10 an der Firma sein. Wir frühstücken gegen acht, Ale muss noch was umpacken, sodass ich noch Zeit habe, um mich nach Stulpen für meine Beine umzusehen. Den Tipp hat mir die Frau gegeben, die hier die Nachtschicht übernimmt. Sie hat welche und ich dachte, das wäre keine schlechte Investition für so kalte Nächte. Ich finde Wollstulpen mit Mikrofaserinnenfutter… hm, vllt etwas übertrieben? Naja, wird schon passen.
Wir ziehen los, unsere großen Rucksäcke können wir in der Agentur abstellen. Dort packen wir für drei Tage unsere kleinen Rucksäcke und sind dann abfahrbereit. Mit uns fährt noch ein brasilianisches Paar, die wir ganz nett finden. Zuerst geht es zu einer Art Sammelpunkt, wo wir dann gleich wieder von den Brasilianern getrennt und in ein anderes Auto gebracht werden. Da sind ein paar junge Leute und natürlich auch eine Deutsche. Die erste Frage ist: „Und, wie viel habt ihr gezahlt?“ Wir nennen den Preis und erfahren, dass die anderen weniger gezahlt haben. Na super. Aber da es insgesamt immer noch okay ist, denken wir uns nichts weiter. Plötzlich werden wir nochmal umgesetzt und sind jetzt final mit einer polnischen Reisegruppe unterwegs. Eine kann ein bisschen Deutsch, zwei andere können ein bisschen Englisch, eine kann Spanisch und einer redet einfach ständig auf Italienisch mit uns und auch mit dem Fahrer, als ob es keine komplett andere Sprache wäre. Aber okay. Eigentlich bin ich ganz froh, die jungen Leute wirkten ein bisschen auf Party und Drogen gebürstet, waren mir auch nicht so sympathisch.
Dann geht es los. In einem Jeep mit 6 Leuten, wir sitzen eingequetscht ganz hinten, fahren wir raus aus der Stadt.
Der erste Stopp ist nur knapp außerhalb der Stadt: Der Eisenbahnfriedhof. Auf einem großen Areal im Sand stehen verlassen, verrostet und ausgeschlachtet riesige alte Dampflokomotiven, sowie Güterzuganhänger. Überall laufen die Touristen herum, klettern auf den Zügen herum machen Fotos, spazieren zwischen dem alten Stahl. Es sind die alten Züge, die Mineralien aus den Anden nach Chile transportiert haben, um im dortigen Hafen verschifft zu werden. Die Züge wurden aus den USA importiert, mit dem Schiff hierher verfrachtet … jetzt fährt auf der Strecke nur noch ein Zug, einmal täglich, der Rest verrostet hier seit 1960. Eigentlich eine Verschwendung, den Stahl hätte man sicher auch gut verwenden können. Aber gut, als Touristenattraktion macht es schon was her.









Daneben finde ich Futter für meine alte „Transformers“- Zuneigung, da haben sie ein paar von den laufenden Autos aufgestellt, sowie noch ein paar andere Skulpturen:







Es ist ganz nett. Trotz intensiver Sonne ist es kalt und windig, sodass wir froh sind, als es wieder ins Auto geht.
Etwa 20 min später halten wir an einer kleinen Salzfabrik im Ort Colchani. Zuerst geht es hintenrum zu einem Touri-Shop, wo wir etwas kaufen sollen. Ich schaue mal rum, liebäugle mit einem Poncho, kaufe aber nichts. Ale kauft sich einen schönen, weißen Pullover mit kleinen Lamas drauf. Soll sogar echte Alpakawolle drin sein. Na, ob das stimmt… Der Pulli ist trotzdem süß.
Dann bekommen wir eine kleine Führung durch die Salzmanufaktur. Schon draußen ist ein kleiner Salzhaufen, in dem alle mit den Schuhen scharren. Eine von den jungen Leuten im andern Auto legt sich hin und macht einen „Salzengel“ – Okay, wem’s gefällt.
Im Salzwerk erfahren wir, dass die Salzwüste von Uyuni eigentlich Salzwüste von Colchani heißen müsste, da das der nächste Ort ist und auch der, der mit dem Salz arbeitet. Insgesamt hat sie eine Fläche von 12 Quadratkilometern und selbst das Trinkwasser hier ist leicht salzig.Das Salz aus der Wüste wird nur als Speisesalz verwendet und in kleine Beuteln abgepackt. Die Manufaktur hier entnimmt nur auf wenigen Flächen Salz, dann wechseln sie den Standort… und das Salz wächst nach. Ich werde stutzig. Nachwachsendes Salz? Der Guide nickt, wenn sie zu der Stelle, an der sie gearbeitet haben, drei Wochen später zurückkehren, ist das Salz wieder gekommen. Interessant… aber da ist doch was faul?! Ich frage mich, ob das vielleicht eine Zeit lang „nachwächst“, aber irgendwann ein gewisser Vorrat ausgeschöpft ist, wie bei Petroleum vorkommen… das kann mir niemand beantworten.




Wenn das Salz trocken wird ist es so hart wie Zement, deshalb ist die komplette Scheune auch aus Salzbausteine gebaut. Dem Speisesalz wird präpariertes Jod hinzugefügt, das soll Krankheiten vorbeugen wie Halskrebs oder Rheuma. Kennt man ja von Deutschland, dass man Jodsalz kaufen kann.
Das Salz aus der Wüste hier wird nur in Bolivien verkauft. Die Tüten messen ungefähr ein Kilo, in der Manufaktur hier ist das nie so genau. Hier ist alles Handarbeit, in den Salzvorkommen bei Ororu ist es mechanisiert. Selbst die Tüten hier werden mit einem heißen Eisen verschlossen. Die Marke heißt „Juanito“.
Neben dem Salz gibt es noch zahlreiche andere Mineralien, vor allem Lithium, was von chinesischen Firmen abgebaut wird. Allerdings müssen 70 Prozent sämtlicher Profite in Bolivien bleiben. Das finde ich mal eine tolle Regelung, die gibt es aber erst seit ca. 30 Jahren. 64 Prozent aller Lithiumbatterien haben ihren Ursprung hier.
Danach geht es weiter und wir halten nochmal auf einem großen Platz mit vielen Souvenirshops. Ja, ich versteh ja, dass man die Leute unterstützen will, aber so langsam würden wir doch gerne los. Geht es dann auch. Hallelujah.
Und dann wird alles weiß:

Liebste Grüße,
Eure Jana
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