Liebe Leser*innen,

Was das für ein Artikelname sein soll? Lasst euch überraschen, viel Spaß beim Lesen!

Die Nacht wird, wie erwartet, kurz. Vorm Fliegen bin und bleibe ich immer ein bisschen unruhig, außerdem hört man die lauten Flugzeuge über das Hotel rauschen. Der Wecker klingelt früh. Wir stehen auf, packen unsere restlichen Sachen zusammen. Ich gebe Ale doch noch mein Bolivien T-Shirt mit, das ich im Paket vergessen hatte. Wieder etwas weniger Gewicht. Als ich den Rucksack hochhebe, ist es Balsam für meine Schultern. Gefühlt nur noch halb so schwer… obwohl nur ein Kilo weg ist… Naja, und ich die Wanderschuhe anhabe.

Wir checken aus und verabschieden uns von unseren äußerst netten Gastgebern, die uns das Taxi zum Flughafen rufen. Der Verkehr ist wie immer eine Vollkatastrophe, aber wir kommen trotzdem nach etwa 20 min an. Einchecken müssen wir an unterschiedlichen Türen, der Flughafen trennt zwischen nationalen und internationalen Flügen, aber später kommen wir nochmal im Essensbereich zusammen. Einchecken klappt bei mir ohne Probleme. Ganz im Allgemeinen habe ich das seltsame Gefühl, dass alles gut werden wird. Komisch, da muss was faul sein.

Ale und ich setzen uns oben in den Essensbereich und verspeisen den Muffin, den wir Tags zuvor nicht mehr geschafft haben. Wir reden ganz normal, doch je näher der Abflug rückt, desto mehr wendet sich das Gespräch den vergangenen Wochen zu. Was waren deine Highlights, deine Downlights… Ehrlicherweise war es viel von beidem. Wir hatten einige echt tolle Momente und spannende Abenteuer erlebt… aber auch viel Scheiße. Aber so ist es eben. Das ganze Leben ist wie diese Reise.

Dann ist es Zeit für den Abschied. Wir umarmen uns, bedanken uns für die gemeinsame Zeit, wünschen uns alles Gute für die kommende Zeit und eine gute Reise. Dann stellen wir uns an unseren jeweiligen Schlangen an und gehen von nun an wieder getrennte Wege.

Das ist ein seltsames Gefühl. Plötzlich wieder alleine weiter zu müssen. Nicht mehr alles besprechen, kommentieren zu können, schlechte Witze zu erzählen. Mit ihrem Besuch hat mir meine liebe Freundin so viel gegeben, genau dann, als ich es am meisten gebraucht habe. Dafür werde ich immer dankbar sein. Ohne dich, Ale, hätte ich meine Reise in Bolivien wahrscheinlich abgebrochen. Danke für alles! Ich hab dich lieb!!!

Aber neben dem Stich des Abschieds ist da noch was: Die Vorfreude auf Iquitos. Ich bin echt schon so aufgeregt, im positiven Sinn, endlich in den tiefsten Dschungel zu kommen. Raus aus diesem ewigen Wüstenklima, Sand und Stein so weit das Auge reicht. Ich will grün!!

Ich gehe also wieder alleine durch den Security-Check, der mir immer Bammel bereitet. Was, wenn ich doch was falsches eingepackt oder mal wieder was übersehen habe. Aber es läuft alles glatt.

Dann setze ich mich in den Wartebereich und fange endlich eines der neuen Bücher an, die ich mir auf dem E-Reader gekauft habe. So vergeht die Zeit relativ schnell und eine Stunde, nachdem Ale schon in der Luft ist, hebe auch ich ab. Der Flug verläuft gut, einmal haben wir einen Zwischenstopp (trotz insgesamt nur 2:20 h Flugzeit). Zuerst sehe ich meine geliebten Anden unter mir vorbeiziehen, bunt und farbenfroh, wie immer:

Ich sehe dunkelblaue Lagunen, doch irgendwann verschwindet alles in den Wolken. Als wir wieder nach unten kommen, so weit das Auge reicht: grün. Und Wald. Und eine große, braune Schlange… der Rio Amazonas. Wir landen in Iquitos.

Da ich kein weiteres Gepäck habe, steige ich einfach aus und laufe zum Hauptgebäude. Sofort empfängt mich das heiße, feuchte Klima des Urwalds… und ich liebe es. Es fühlt sich an wie eine Kuscheldecke, die mich von allen Seiten umarmt, mein Gott, habe ich die Kälte satt. Ich renne durch den Flughafen und nehme gleich ein Taxiangebot an. Der junge Mann ist sehr nett und stellt sich als Javier vor. Natürlich sprechen mich auch noch andere an, obwohl es offensichtlich ist, dass ich bereits bedient bin. Wir fahren in die Stadtmitte und ich erkläre, dass ich eine Agentur für eine Urwaldexkursion suche. Natürlich kennt Javier gleich jemanden, der mir ein super Angebot machen kann. Naja, warum nicht? Ich muss ja nichts zusagen, kann es mir einfach nur anhören.

Wir steigen am Plaza de Armas aus und er führt mich zwei Straßen weiter in das Büro von Jairo, der mich freundlich und auf deutsch begrüßt. Ah, viele deutsche Touristen, also? Er nickt. Wir setzen uns, ich erkläre ihm, dass ich gerne eine 5 Tages-Tour machen möchte, am besten ab morgen. Er nickt, perfekt, er hat eine Gruppe, die morgen startet, 5 Tage geht in Ordnung. Er erklärt mir die Tour, ich höre angetan zu. Was mir an ihm gefällt, ist eine gewisse Authentizität. Er meint, wir werden keine angemalten Indianer sehen, denn das ist nicht die Realität. Wenn ich (und der Rest der Gruppe) es möchten, können wir in eines der Fischerdörfer schauen und dort den Alltag sehen. Aber die bemalten, tanzenden „Eingeborenen“ sind eine Touristenattraktion, das hat wenig mit Realität zu tun. Da ich genau diesen Eindruck aus Uros und Cusco bereits hatte, geb ich ihm einen Pluspunkt für Ehrlichkeit. Wir reden über den Preis und am Ende sage ich zu.

Was? Gar nicht verglichen? Nein. Der Preis lag deutlich unter meinen Vorstellungen und er hat sich trotzdem runterhandeln lassen, ich bin zufrieden… und vor allem habe ich heute noch mehr vor. Wir tauschen Nummern aus, ich zahle, bedanke mich bei ihm und verlasse dann mit Javier wieder das Büro.

Spoiler: Es war kein guter Deal, wie ich viel später erfahre. Ich geb’s auf, man verlangt echt das dreifache von mir, um mindestens mit dem doppelten wegzukommen, was soll ich denn noch machen?

Am Taxi will mein „guter Freund“ Javier dann plötzlich 50 Sol für seine Fahrt. Aha, so schnell dreht sich das Blatt. Ich gebe ihm dreißig, immer noch zu viel, aber er hat mir eine „gute“ Tour vermitteln, also lassen wir’s mal gut sein. Man darf echt nie seine Mauer fallen lassen.

Der Plaza de Armas ist eigentlich ganz nett. Und von der Flusspromenade hat man einen tollen Blick auf das umliegende Grün. Hier sieht man zwar einen Fluss, aber es ist nur eine Abzweigung, die einen anderen Namen hat. Der Amazonas liegt weiter nördlich. Während ich durch die Stadt laufe werde ich dauernd angehupt. Pro Minute fahren etwa 30 Moto-Taxis an einem vorbei, alle hupen, ob man nicht mitfahren will oder weil ihnen mein Arsch gefällt, was auch immer… Was ist lästig und fängt mit M an?…

Da ich noch etwas Zeit habe, mache ich einen Abstecher ins Museo de Indigenas del Amazonas. Unterwegs quatscht mich jemand an und will mir eine Flusstour verkaufen, ist schon das zweite Mal. Er begleitet mich bis ins Museum, wo er dann schließlich aufgibt…Eine wirklich tolle Ausstellung mit vielen guten Erklärungen zu den verschiedenen Stämmen, ihren Traditionen, ihren Geschichten. Ich versuche, so viel wie möglich aufzunehmen, aber nach etwa einer Stunde schaltet mein Kopf einfach ab. Wenigstens durfte man Fotos machen.

Ich erzähle euch nicht das komplette Museum, aber einen Aspekt finde ich wichtig: Bis heute gibt es über hundert „freiwillig isolierte“ Gesellschaften, die tief im Wald leben und dort nicht gestört werden wollen. Ihre Geschichte mit Außenkontakt ist so von negativen Erfahrungen geprägt, dass sie lieber für sich bleiben wollen. Negativ im Sinne von, sie wurden ausgeraubt, bekämpft, getötet, vergewaltigt oder von fremdartigen Krankheiten befallen, die fast den kompletten Stamm ausgerottet haben. Die Menschen dort haben nicht die Abwehrkräfte, wie wir sie haben, eine kleine Erkältung kann die halbe Bevölkerung umbringen. Es gibt Vereinbarungen mit Regierung, die dementsprechend versuchen, Nationalreservate zu bilden, um diesen Gesellschaften ihr Leben in Ruhe zu ermöglichen. Trotzdem kam es mehrfach zu Zwischenfällen, wo es entweder bei Eindringlingen oder bei der Gesellschaft zu Todesfällen kam, teilweise auf recht grausame Art. Für mich war es wichtig und interessant, zu verstehen, warum es diese Gruppen gibt, warum sie ihr Leben so wählen und warum sie so aggressiv auf Eindringlinge reagieren. Das sind keine wilden Menschenfresser sondern Kulturen, die sich und ihre Gemeinschaft schützen wollen, aus guten Gründen. Und deshalb sollte man ihnen auch das gewähren, was sie wollen: In Ruhe gelassen zu werden.

Als ich im oberen Stockwerk bin, höre ich plötzlich ein Geräusch, dass ich zuerst gar nicht identifizieren kann, aber dann erkenne ich: Es ist Regen… es regnet! Und zwar nicht wenig. Am liebsten würde ich sofort nach draußen rennen und mich begießen lassen… Das ist der erste Regen seit über zwei Monaten, ich hab das so vermisst. Allerdings entscheide ich mich, erst noch ein paar Infotafeln zu lesen und bis ich draußen bin, hat es schon aufgehört. Trotzdem ist es schön, nasse Straßen und tröpfelnde Rinnsale zu sehen. Und es bleibt nicht der letzte Regen.

Nach dem Museumsbesuch habe ich Hunger. Meine Suche nach einem Moskitospray scheitert in drei Apotheken, sie haben nur schwaches oder gar keins mehr. Unfassbar, mitten hier im Dschungel haben sie nur das niedrigdosierte Mückenspray.

Die Suche nach einem vernünftigen Restaurant dauert gefühlt ewig. Google ist so unzuverlässig und führt mich dreimal an ein geschlossenes Restaurant, dass ich sauer werde… aber schlimmer sind – ihr könnt es euch denken – die Moto-Taxis. Egal wie sehr ich mich wegdrehe, ich werde immer angehupt und auf der Hauptstraße sind es 100 von 100. Manche parken direkt vor mir, hupen mir ins Gesicht, dreimal, viermal, fünfmal, bis ich sie anschreie und weggehen muss, weil sonst nichts hilft. Selbst wenn ich nicht mitfahre, vielleicht haben sie ja Glück und ich pack beim sechsten Mal hupen meine Brüste aus. Es ist richtig schlimm. Gibt’s ein Männerspray mit Deet-Wert 100 in der Apotheke?

Am Ende rette ich mich in eine asiatisches Fastfood-Restaurant, total genervt, frustriert und hungrig.

Der gibt mir eine viel zu große Portion, aber immerhin bin ich danach erstmal satt. Dann wähle ich ein glückliches Moto-Taxi aus, dass mich zu meinem Hotel bringen darf. Die Fahrt selbst ist wieder ganz lustig. Der Fahrer setzt mich ab, ich gehe hinein und melde mich an, dort hat niemand etwas von meiner Reservierung gehört. Wieso auch? Nach einer Weile finden sie dann doch noch etwas, es dauert aber kurz, bis mein Zimmer fertig ist. Ich nicke, ich muss eh noch zu einer Apotheke. Da gerade der Hausherr mit dem Roller vor der Tür steht, bieten sie an, dass er mich kurz zum nächsten Plaza fahren kann, dort gibt es genug Apotheken. Oh man, ist schon ein Stück her, seit ich zuletzt auf so einem Ding saß. Naja, ich steige trotzdem auf und wir fahren los. Eigentlich ganz nett. In der Apotheke finde ich wenigstens ein Gel mit einem Deet-Wert von 15… 30 oder mehr sind eigentlich vorgeschrieben, aber was soll ich machen, das ist die 5. Apotheke in der ich nachfrage. Echt unglaublich. Also wer in den Dschungel will, Mückenspray in Deutschland kaufen, im Dschungel gibt es das nicht.

Wir fahren zurück, ich gehe noch kurz im Shop nebenan einkaufen und kann dann in mein Zimmer einchecken… ein Zimmer und ein großes Bett für mich allein… das hatte ich lange nicht mehr. Auch wenn es total laut ist und der Ventilator die Hitze nur so halb vertreiben kann, ist es für mich Luxus. Ich hau mich auf’s Bett und beende den Tag. Noch einmal Zivilisation genießen, ab morgen geht es dann in den Wald. Juhu!

Liebste Grüße,

Eure Jana

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