Ich komme gegen 17 Uhr im Hostel an und wittere prompt mindestens vier Deutsche. Mein Verdacht bestätigt sich. Hier wimmelt es von deutschen Backpackern. In meinem Zimmer ist auch einer, Sven. Aber ich gebe zu, es ist nett, zwischendurch mal wieder die Heimatsprache zu hören. Allerdings kenne ich gefühlt innerhalb von fünf Minuten das halbe Hostel, Gruppen bilden sich hier in null komma nix. Man tauscht sich aus, wer reißt wohin, seit wann, wie lange, wie läuft’s, was war cool, was war doof… bis zu dem Moment, wo es sich anfühlt, als wäre das, was man gerade macht, so gar nichts besonderes mehr. Machen ja alle. Und sie sind alle hier. Trotzdem hilft es mir, wenn mir Leute erzählen, wie es ihnen beim alleine reisen so geht, weil ich für mich darauf keine eindeutig Antwort habe. Immerhin bin ich erst knapp vier Wochen unterwegs… andere kommen mit 3,6, oder 12 Monaten Erfahrung in dieses Hostel. Aber tatsächlich sind es genau diese Orte, die das alleine reisen so attraktiv machen. Man ist ja quasi nie lange alleine. Im Hostel hat man immer in kürzester Zeit mehrere Freunde „auf Miete“ sozusagen und wenn es weiter geht, verabschiedet man sich und es geht weiter. Super Konzept.

Auf dem Weg durch den Innenhof werde ich von einem Fremden aufgehalten. Er erklärt, er kennt mich aus Montevideo, hat mich dort zwei mal gesehen… und ich ihn doch auch, wir hatten schließlich Augenkontakt.

Junge, wenn du wüsstest, mit wie vielen Männern ich pro Tag Augenkontakt hatte…?!

Spontan erinnere ich mich und setze mich kurz. Gleich danach kommen eine Niederländerin und ein Neuseeländer dazu. Sehr nette Runde. Die Niederländerin, Natasha, erzählt, ihr wurde gestern in Buenos Aires das Handy gestohlen. Na, da freue ich mich ja gleich noch mehr auf die Millionenstadt. Hoffentlich hat sie die Quote für uns alle übernommen, sodass es uns jetzt nicht passiert. Die Leute hier teilen sich ziemlich genau in zwei Gruppen: Die von Montevideo kommen und die nach Montevideo gehen.

Die anderen wollen noch raus, allerdings bringt mich heute niemand mehr dazu, irgendwo hinzugehen. Ich bin unglaublich müde. Leider habe ich auf dem Sofa innerhalb kürzester Zeit 6 Mückenbisse, sodass ich mich ins Bett verkrieche. Dort angekommen, schaffe ich es nicht mal mehr noch zum Zähneputzen aufzustehen, so platt bin ich.

Am nächsten Tag sammelt sich eine neue Gruppe, Natasha ist auch wieder dabei, die beiden anderen sind weitergereist. Ich lerne zwei andere Deutsche kennen, Niklas und Michael. Wir beschließen zusammen die Stadt zu erkunden. Natasha und die drei Deutschen.

Colonia del Sacramento ist die älteste Stadt Uruguays. Gegründet im Jahr 1680 kann man noch heute die Überreste des alten Stadttores, der ersten Siedlungen und der alten Kirche sehen. Für mein Historikerherz etwas ganz besonders. Colonia war lange Zeit zwischen Spaniern und Portugiesen umkämpft, deshalb ist es nicht verwunderlich, überall die alten Kanonen noch zu sehen. Nach dem Stadttor flaniert man einfach durch die schöne alte Kleinstadt mit ihren vielen Blumen, holprigen Straßen und Oldtimern.

Am Ende der Stadt fließt der Rio de la Plata in den Ozean und weit in der Ferne kann man die Skyline von Buenos Aires erhaschen. Die anderen wollen noch ein ganzes Stück weiter zu einem Strand, aber ich kapsle mich ab zu meiner Mittagssiesta. Mir geht’s immer noch nicht ganz gut.

Mal wieder auf dem Sofa, schreibe ich Blog, lese und schlafe… diese Nachmittage auf dem Sofa werden langsam zur Gewohnheit und ich find’s ziemlich gut. Wenn ich nicht aufpasse, kann ich von meiner Reise nur noch sagen, welches Sofa das beste war. Ich schiebe es auf die Magen-Darm-Sache und auf die Hitze… denn die Sonne brennt mal wieder echt unbarmherzig. Da braucht man halt seine Ruhe.

Später gehe ich nochmal alleine in die Altstadt. Der Ort ist sehr klein, man hat wirklich schnell alles gesehen… aber ich brauche einfach immer ein bisschen Zeit alleine in einem Ort, um ihm wirklich nahe zu kommen. In der Gruppe unterhält man sich nebenbei über dies und das, macht Fotos, kommentiert… da nimmt man alles nicht so intensiv wahr. Ich hole mir noch einen Fruchtsaft, spaziere entspannt in Abend und setze mich dann an den Segelhafen, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Ich sitze lange, reflektiere viel, überlege, ob ich grade Spaß am Reisen habe… die Antwort ist ein bisschen uneindeutig. Aber auf die Frage, ob ich abbrechen möchte, antworte ich immer noch klar mit Nein. Wenigstens eine Konstante.

Die Sonne geht in einem großen Spektakel unter, ich mache gefühlt 30 Fotos. Ich liebe Sonnenauf- und -untergänge und ich freue mich richtig, dass ich auf dieser Reise genug Zeit habe, sie in aller Ruhe zu genießen. So ein schönes Naturphänomen, zwei Mal am Tag und man nimmt es im Alltag gar nicht wahr… wann auch? Den hier genieße ich besonders: Es ist der letzte in Uruguay.

Am Abend bekommt die Stadt wieder eine ganz besondere Stimmung.

Ich esse zu Abend und gehe bald ins Bett. Ausnahmsweise gönne ich mir einen Film zum einschlafen. Am nächsten Tag erfahre ich, dass Michael dieselbe Fähre nach Buenos Aires nimmt, wie ich. Wir beschließen, am Vormittag noch zur Stierkampfarena zu laufen, die ist zwar ein Stück entfernt, aber wir schaffen es noch vor Abfahrt der Fähre.

Michael ist ein sehr angenehmer Reisepartner. Er war schon drei Monate in Brasilien unterwegs und hat jetzt exakt denselben Weg vor sich, den ich auch plane, allerdings etwas Zeit versetzt, sodass wir nur ein paar Tage gleichzeitig in Buenos Aires sind (dann gehe ich auf die Pferdefarm). Trotzdem unterhalten wir uns hervorragend übers Reisen, Studium, Arbeiten, alles Mögliche.

 Die Arena ist zwar interessant, aber der Fußmarsch in der prallen Sonne doch anstrengender als gedacht. Ich verbrenne mir ein bisschen das Gesicht, aber nicht schlimm. Zurück am Hostel gehen wir direkt zu einem Empanadaladen um die Ecke und gönnen uns eine kühlen Milchshake. Empanadas, die typischen kleinen Teigtaschen – gefüllt mit allem möglichen – esse ich hier ohne Ende. Am liebsten mit Schinken und Käse… ja, ich bin deutsch, ich weiß.

Dann wird es Zeit für die Fähre. Wir holen unsere Rucksäcke und laufen zum Terminal… so schön, wenn alles in Laufweite ist. Der Grenzbeamte drückt den Ausreisestempel in meinen Pass, wir gehen aufs Schiff und die Fähre legt ab…

…bye bye, Uruguay!

Das Land hat mich überrascht. Ich hätte nie gedacht, dass es mir hier so gut gefällt. Uruguay hat mir sehr viel gegeben, aber vor allem eins: Schlaf. Wer auch so schlecht schläft, wie ich, der weiß, wie wertvoll das ist. Ich bin verliebt: In das Land, die Leute, die wunderschöne Natur, die kleinen Dörfer an der Küste. Hier könnte ich es auch länger aushalten. Aber vorerst heißt es…

… auf nach Argentinien!

Liebste Grüße,

Eure Jana

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3 Responses

  1. Hallo, Jana! Wie schön dass du der lausigen Erkältungszeit entkommen bist, Dank Dauerlauf Nase und Döskopp nehme ich mir mal wieder Zeit nachzulesen wo du grad steckst und erlebst – danke für ’s teilen – mir geht’s gleich wieder besser!!!

    • Liebe Andrea,
      danke für deine liebe Nachricht. Ich hoffe, du bist mittlerweile wieder gut genesen und es hat dich auch kein zweites Mal erwischt. Aber würdest du denn gegen 37 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit tauschen wollen??? Meine Mama meinte, sie nimmt die Hälfte der 37, mehr nicht :-D.
      Liebe Grüße
      Jana

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