Ein paar Stunden später kommt der Bus wieder in Porto Alegre an. Das letzte Mal, als ich hier war, war ich kurz davor, alles hinzuschmeißen. Aber wie es eine gute Freundin so schön ausgedrückt hat – der gordische Knoten hat sich gelöst. Und so bin ich bereit, der Stadt eine neue Chance zu geben. Einmal gehe ich noch kurz zum Schalter mit einer Frage zu meinem Ticket, das löst sich sehr schnell sehr gut (der Angestellte spricht Englisch). Dann gebe ich meinen großen Rucksack ab und laufe los in Richtung Stadtmitte. Ich habe Hunger!!

Auf einem schönen Stadtplatz angekommen, steuere ich gleich auf ein kleines Restaurant zu, das Live-Musik im Außenbereich hat und lasse mir ein Steak schmecken. Da es hier so günstig ist, nutze ich die Gelegenheit gerne, Uruguay soll schließlich um einiges teurer sein. Nach einem Blick auf Google Maps stelle ich fest, das ich die Stadtmitte schon erreicht habe. Mir gegenüber ist die große Markthalle von Porto Alegre, die ich mir anschauen wollte. An verschiedensten Ständen werden frische Lebensmittel, Gewürze, etc. angeboten. Ich gehe zur Käsetheke, suche kurz und tatsächlich: Es gibt sogar Feta!!! Leider kann ich ihn nicht mitnehmen, wo sollte ich den kühlen?

Und es gibt eine Sache in rauen Massen: Maté. Ich weiß gar nicht genau, wessen Nationalgetränk es ist, aber man sieht sie überall in den Straßen: Die kleinen, typischen Holzbecher mit dem metallenen Strohhalm, die Thermoskanne mit heißem Wasser immer dabei. In den vier Maté-Läden, an denen ich vorbei komme, sehe ich nicht nur Becher in allen Formen und Farben (von klassischem Holzen bis zu pinkem Glitzer ist alles dabei), sondern auch 20 verschiedene Matésorten in aufklappbaren Behältern, wie im Unverpacktladen. Das einzige Mal, dass ich Maté getrunken habe, war in der Schule: Eine brasilianisch-stämmige Mitschülerin hatte ihre Tradition mitgebracht und uns alle mal kosten lassen. Ich war eine der wenigen, der es wirklich geschmeckt hat. Zugegeben, den leicht bitteren Geschmack muss man mögen und das heiße Getränk im Sommer zu genießen, wirkt auch zunächst fremd. Aber hier trinken es alle. Dachte ich. In Uruguay ist es noch häufiger… vielleicht ist es dort das Nationalgetränk?

Ich habe noch Zeit und beschließe, in Richtung Uferpromenade zu gehen, die Sonne ist schon am sinken. Ich laufe durch wirklich schöne Einkaufsstraßen mit kleinen Cafés und Restaurants, durch schön angelegte, saubere Stadtparks und komme an tollen Gebäuden vorbei.

Aber spätestens an der Uferpromenade angekommen, gebe ich es zu: Porto Alegre macht seinem Namen alle Ehre: Es ist ein wirklich schöner Hafen. Von einem nahestehenden Baum wehen kleine gelbe Blütenblätter auf mich herab und die Sonne steht im Tiefstand. Wirklich wunderschön.

Zwar ist es hier wirklich kein Hafen (gibt’s aber vielleicht noch irgendwo), sondern eine wunderschön hergerichtete Promenade, die man stundenlang entlang spazieren kann. Ich kaufe mir eine Cola am Straßenrand und schlendere dann ganz gemächlich los. Man kann hier zu Fuß oder mit dem Rad entlang. In regelmäßigen Abständen gibt es kleine Spielplätze oder öffentliche Fitnessgeräte, an denen man immer mal jemanden trainieren sieht. Alles ist gepflegt und in gutem Zustand… etwas, dass ich hier noch nicht oft gesehen habe und deshalb sehr genieße. Ein bisschen wie in Deutschland.

Nach dem Sonnenuntergang mache ich mich langsam wieder auf den Rückweg zur Busstation, unterwegs biege ich nochmal in eine Seitenstraße, weil mein geschultes Touri-Auge in einer Seitenstraße doch noch eine Attraktion aufblitzen sieht. Ich überwinde den steilen Hügel also noch und komme zur Catedrál Metropolitana de Porto Alegre und dem davorliegenden Park. Die Stadt hat also einiges zu bieten, für das es sich lohnt, auch etwas länger als sechs Stunden dortzubleiben.

Nachdem ich mich fast an die falsche Plattform setze, aber mein Bauchgefühl davor rettet den Bus zu verpassen (das hätte die ganze schöne Versöhnung kaputt gemacht), steige ich in den Bus nach Uruguay und verabschiede mich innerlich von Brasilien.

Mein erstes Land in Südamerika. Und was für ein Debut! Natürlich habe ich in der kurzen Zeit nur sehr wenig von diesem riesigen Land gesehen. Aber was ich gesehen habe, hat mich umgehauen: Die traumhaft schöne Natur, die bunten, lebendigen Städte, die Freundlichkeit der Menschen und die vielen Erlebnisse, die ich mit nach Hause nehmen darf. Auch wenn ich es zeitweise vielleicht noch nicht ganz so genießen konnte, weil der Übertritt in diese Reisephase ziemlich holprig war. Aber Brasilien hat mich gelehrt geduldig zu sein und immer positiv zu bleiben: Das Glück ist gleich um die Ecke!

Ich versuche, so viel wie möglich zu schlafen, es gelingt mal wieder nur so halb. Hoffentlich geht an der Grenze alles gut. Mein nächstes Ziel ist Punta del Diablo, ein kleiner Ort an der Atlantikküste von Uruguay. Der Bus fährt zwar daran vorbei, hat aber nicht direkt einen Halt im Ort. Der Fahrer erklärt mir, er würde mich an der Straße absetzen und ich müsste den Rest laufen. Mein vorbrasilianisches Ich würde durchdrehen. Jetzt nicke ich nur, kein Problem.

Die Busfahrt ist übrigens überraschend gut: Es ist wie ein Flug: Jeder hat ein Kissen von der Gesellschaft bekommen, es gibt eine Busbegleiterin und sogar Abendessen: LECKERES Abendessen. Bin total begeistert! Nur die Klimatisierung funktioniert eher halb, es ist relativ warum und sehr feucht.

Kurz vor der Grenze wache ich auf. Was auch gut ist. Denn nachdem wir die Grenze passieren, kommt die Busbegleiterin zu und bittet mich auszusteigen. Äh, wie bitte? Noch im Halbschlaf entziffere ich das Spanisch und verstehe, dass sie mich hier absetzen würden, in ca. 20 min käme ein Bus, der direkt nach Punta del Diablo fährt. Ich nicke, packe meine Sachen und fünf Minuten später stehe ich alleine mit meinen Rucksäcken an der uruguayischen Grenze. Immerhin auf der richtigen Seite. Wieder denke ich, mein vorbrasilianisches Ich würde durchdrehen. Das neue Ich atmet tiefenentspannt die frische Luft und geht ins Gebäude zum Grenzbeamten, um sich noch etwas genauer zu erkunden. Er bestätigt die Aussage der Busbegleiterin, checkt nochmal meinen Pass, in dem jetzt neben dem brasilianischen auch der uruguayische Stempel steht.

Endlich im Land der Spanisch-Sprechenden!! Ich kann mich verständigen. Also theoretisch. Meine Versuche, die Sprache vor Abfahrt nochmal aufzufrischen sind kläglich gescheitert, also werde ich ganz schön üben müssen. Den Grenzbeamten verstehe ich nämlich kaum, aber er nuschelt auch ein bisschen. Wir versuchen uns trotzdem zu unterhalten. Kurze Zeit später kommt tatsächlich ein Bus nach Punta del Diablo. Ich kann im Bus ein Ticket kaufen (der vorherige Busfahrer hat netterweise meine letzten Brasilianischen Real in Uruguayische Pesos getauscht) und etwa eine Stunde später setzt mich der Bus im Terminal von Punta del Diablo ab. Das ist trotzdem noch ein ganz schönes Stück von meinem Hostel entfernt, das direkt am Strand liegt. Ich snacke noch kurz ein paar Nüsse, sattle mich auf und trete den ca. 30-45 minütigen Fußmarsch an. Genau sagen, kann ich es nicht. Vor mir geht die Sonne langsam auf und ich genieße den Spaziergang, trotz Rucksacklast. Vor mit tauchen kleine Häuschen mit großen Gärten auf, jedes auf seine eigene Weise einzigartig und sehr schön. Ich sehe viele Hunde herumlungern, die aber niemandem zu gehören scheinen. Nur wenige Autos kommen mir entgegen: Es ist kurz nach 6 Uhr morgens. Willkommen in Punta del Diablo! Und in Uruguay!

Liebste Grüße

Eure Jana

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3 Responses

  1. Hallo Jana, weiter viel Spaß und tolle Eindrücke wünsche ich Dir.
    Kleiner Tipp statt ode zusätzliche zu Google Maps empfehle ich Mapy.cz . ist wesentlich übersichtlicher und weiß einfach alles und das kostenlos und ohne Werbung. Die Karten lassen sich auch offline speichern.
    Grüße aus Selb

    • Hallo lieber Uwe!
      Vielen lieben Dank und ich find’s toll, dass du hin und wieder mitliest. Hab gehört, ihr wolltet auch mal nach Südamerika? Vielleicht kriegt ihr ja so ein paar gute Eindrücke für ein gutes Reiseziel 😉
      Danke für den Tipp, das werde ich mir mal anschauen, klingt super!
      Grüße aus Montevideo, auch an Sabine 🙂

  2. Schön, dass der Abschied dich noch mit Puerto Alegre versöhnt hat. Der Süden Brasiliens ist echt recht europäisch.
    In Uruguay ist übrigens meist Kartenzahlung günstiger, in vielen Restaurants zählt man 10% weniger oder so…

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