Hallo meine lieben Leser*innen,

während es zuhause immer wärmer wird, schreitet hier der Herbst jeden Tag weiter voran. Vor allem an diesem Tag bekommen wir das zu spüren. Es ist grau, regnerisch, kühl… ein richtiger November…äh… Maitag.

Das Ziel heute ist der Nationalpark Coyhaique, der recht nahe bei der Stadt liegt. Ein Taxi bringt uns zum Ausgangspunkt, wir melden uns an und bezahlen den Eintritt. Da entdecke ich auf einer Karte an der Rezeption, das unser Ziel durchgestrichen ist. Die Rezeptionistin erklärt, ja, der Berggipfel ist heute gesperrt… zu gefährlich, durch den Regen ist alles matschig. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Da bin ich schon mitten in den Anden und komme gefühlt auf keinen Berg rauf. Aber naja, dann halt nur die Lagunenroute. Maria und ich laufen los und folgen dem gut ausgeschilderten Pfad. Der Park hat mehrere kleine Lagunen, die man ein einem mehrstündigen Rundweg alle ablaufen kann. Als wir bei der ersten ankommen zeigt sich die Sonne ein bisschen. Wir stellen fest, dass es sich bei den Lagunen eher um Teiche handelt. Hm. Klar, schön sind sie trotzdem, aber irgendwie juckt es uns beide doch in den Füßen. Als wir beim Wegweiser zum Berg ankommen, entscheiden wir uns doch, die Gipfelwanderung zu versuchen. Zur Not können wir jederzeit umkehren. Allerdings müssen wir im Tempo ein bisschen anziehen. Wir haben uns zu Beginn Zeit gelassen und viele Fotos geschossen, wenn wir den Berg noch schaffen wollen, bevor der Park schließt, müssen wir einen Zahn zulegen.

Apropos:

Wir nehmen noch eine kleine Stärkung ein und machen uns dann auf den Weg. Schon bald beginnt das Gelände gut anzusteigen und wir kämpfen uns durch die Höhenmeter. Ich merke, dass sie die anderen Wanderungen langsam auszahlen und ich mit der gut geübten Maria halbwegs mithalten kann. Trotzdem ist es sehr anstrengend, aber dafür gibt es die Aussicht und die schöne Natur als Belohnung:

Zuerst geht es durch einen orange-braunen Herbstwald, dann durch niedrige Büsche und Tannen bis hoch in den Wald, in dem die Stämme mit grüner Flechte (Old mans beard) bewachsen sind. Dieser Wald wirkt märchenhaft, wir warten auf das Einhorn, das durch die Bäume trabt. Leider haben wir mal wieder kein Glück.

Der Boden ist stellenweise tatsächlich ziemlich matschig und wir müssen aufpassen, wohin wir treten. Ich verstehe, warum der Weg gesperrt ist… wäre hier viel Verkehr, wären der Weg in kürzester Zeit unpassierbar. Dadurch, dass es nur wie beide sind (und wie wir später sehen, noch mindestens zwei andere illegale), geht’s. Plötzlich hört der Wald auf, vor uns liegt eine Steinwüste und der Gipfel. Sobald wir die Bäume verlassen peitscht uns der Wind um die Ohren und es beginnt wieder zu nieseln. Wir nehmen die Kräfte zusammen und kämpfen uns zum Gipfel. Geschafft!

Moment… Maria sieht auf ihre Karte… der Weg geht noch weiter… wir sehen nach rechts und tatsächlich… aus dem Nebel erhebt sich:

Ach kacke! Nochmal hoch. Sowas hasse ich ja.

Das Wetter könnte nur noch schlechter sein, wenn es anfangen würde zu hageln. Die Wolken hängen direkt im Gipfel und uns erwischt ein Regenschauer nachdem anderen. Zwar ziehen sie bei dem Wind auch schnell wieder vorbei, aber den Wind kriegen wir natürlich auch in voller Stärke ab. Wir beißen die Zähne zusammen und machen uns auf den Weg. Wie immer hilft mir meine Technik „Langsam und stetig“ und nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir den Gipfel, diesmal den endgültigen.

Oben wird mir schnell kalt, aber ich kann gerade unmöglich meine Jacke ausziehen und die zweite drunter. Es regnet ständig und im Wind würde ich erfrieren, oder er würde irgendetwas wegwehen. Ich weiß gar nicht, was schlimmer wäre. Glücklicherweise hat Maria auch keine Lust, länger zu bleiben und wir machen uns gleich wieder auf den Weg zum Abstieg. Nur wo?

Wir stehen mitten in einer Regenwolke, man sieht keine hundert Meter weit. Marias Karte hilft wenig und es ist kein markierter Weg für den Abstieg erkennbar. Ich sehe mich um und bin der Meinung, dass es nur eine halbwegs sichere Route gibt, ein steiles Steinfeld hinab. Alle anderen Seiten des Gipfel sind noch schlimmer. Langsam und vorsichtig machen wir uns auf den Weg. Das schöne an den verschiedenen Steinarten und Mineralien in den Anden, sie wirken wie bunte Berge, bemalt von Mutter Natur. Hatte ich ja schon erwähnt. Der Nachteil ist, dass sie Mineralien kein solider Granitstein und alles andere als zuverlässig sind. Mir passiert es zwei bis drei Mal, dass er sichergeglaubte Stein unter mir plötzlich nachgibt und meine ganze Kletteraktion in Gefahr bringt. Ich fluche und werde noch vorsichtiger. Es ist mit Abstand der gefährlichste Abstieg, den ich bis jetzt gemacht habe. Und wir wissen nicht mal, ob es die richtige Richtung. Mein Gefühl sagt mir ungefähr Ja, aber es gibt weder Markierungen noch sonst etwas, woran man es hätte fest machen können. Nach dem wir die etwa hundertfünfzig Meter Steile hinter uns haben, wird es flacher und schließlich wieder eben. Marias Karte sagt, wir sind auf dem richtigen Weg und schon bald sehen wir eine große „Holzpyramide“, die die gesuchte Markierung zu sein scheint. Gerade noch in Sichtweite, erkenne ich in der Ferne die nächste. Offenbar wurden die Holzkonstrukte in genau dem Abstand gebaut, sodass man sie bei dieser Nebelsuppe noch erkennen kann. Gut mitgedacht, Chile. Schon bald erreichen wir wieder den Wald und können dem Weg wieder problemlos folgen.

Wir ziehen das Tempo an, auch wenn es ordentlich auf die Beine geht, aber der Park ist nicht ewig offen. Für ein paar schöne Fotos ist trotzdem noch Zeit.

Unten kommen wir an der letzten Lagune des Lagunenrundwegs an und können von dort wieder über den normalen Weg zurück. Als wären wir nie auf dem Gipfel gewesen. Naja, ich schätze unser Äußeres erzählt eine andere Geschichte. Natürlich verlaufen wir uns auch dort nochmal, obwohl der Weg an sich eigentlich sehr schön ist, aber ein einer Stelle sehr undeutlich markiert.

Zurück am Ausgangspunkt schüttet es aus Eimern. Wir gehen nochmal aufs Klo und wollen gerade noch etwas essen, als ein Jeep zum Eingang fährt und es von außen schließen will. Ich springe auf und winke wie eine Irre, frage, ob wir vorher noch raussollten. Er meint, nein, nein, er macht das Schloss nicht zu, wir sollen die Tür einfach hinter uns zuziehen. Ich nicke, aber wir bleiben trotzdem nicht mehr lange. Kurzentschlossen beschließen wir, kein Taxi zu rufen, sondern zurückzulaufen. So weit ist es nicht. Eine richtige Schnapsidee im Nachhinein. Es regnet die ganze Zeit, die Straße ist erst sehr dreckig, dann folgen uns ständig Hunde, dann müssen wir an einer starkbefahrenen Straße den Berg hoch. Gegen Ende sinkt meine Laune richtig in den Keller, ein hässlicher Abschluss, eines eigentlich sehr erfolgreichen Wandertags. Keine von uns hat Lust, sich so fertig und im Regen an den Completoladen zu stellen, stattdessen kaufen wir schnell und üppig ein und machen uns auf den Weg ins Hostel. Dort wartet eine schöne warme Dusche, schnelles, leckeres Essen und dann ein mehr als verdientes Bett.

Am nächsten Tag schlafen wir aus, packen dann unsere Sachen, setzen uns noch kurz und wollen dann noch einmal zum Completoladen, bevor wir Coyhaique verlassen. Ausgerechnet heute sind die Completos nicht so lecker, wie beim letzten Mal, halb kalt. Naja, dann fällt der Abschied weniger schwer.

Ich hab das blöde Gefühl, beim letzten Mal die Bilder nicht hochgeladen zu haben. Nur zur Sicherheit, hier nochmal:

Leider haben wir uns in der Zeit verkalkuliert und müssen uns jetzt ganz schön sputen, um noch rechtzeitig zum Bus zu kommen. Gerade als wir mit den Rucksäcken das Hostel verlassen haben, fällt Maria auf, dass wir ein paar Lebensmittel dort im Schrank vergessen haben. Sie will gerade umkehren, doch ich halte sie auf, das schaffen wir jetzt nicht mehr, wir sind zu knapp dran. Und tatsächlich kommen wir im Stechschritt fünf Minuten vor Busabfahrt am Terminal an. Wir müssen beide nochmal dringend aufs Klo und ich frage die Frau, die die Namensliste des Buses kontrolliert, ob wir schnell noch Zeit dafür haben. Sie sieht uns missbilligend an und erklärt, der Bus fährt pünktlich um drei. Ich kann nicht fassen, dass uns schon wieder so eine unhöfliche Reaktion entgegenschlägt und bin sauer. Wir hetzen aufs Klo und sitzen zwei Minuten vor Abfahrt auf unseren Plätzen. Pünktlich um drei fährt der Bus ab.

Ich schließe die Augen und schlafe fast augenblicklich ein.

Bis zum nächsten Mal, liebste Grüße,

Eure Jana

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One response

  1. Großen Respekt, dass ihr euch bei Wind und Wetter da hochgekämpft habt, das ist wahre Entschlossenheit 😀
    Und nach diesem mystischen Wald und diesen Ausblick scheint es sich gelohnt zu haben!
    Wie es klingt war auch der Abstieg richtig gefährlich, gut, dass ihr heil wieder angekommen seid 🙂
    Und verrückt, dass ihr dann noch die Kraft (und die Nerven) hattet zurück zu laufen XD
    Danach habt ihr euch die heiße Dusche echt verdient 🙂

    PS: Die Completos sehen wirklich super lecker aus, fange schon an zu sabbern XD

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