Hallo liebe Leser*innen,

6590 Kilometer von Rio de Janeiro bis Ushuaia. Fast vier Monate. Wenn ich die Zahlen so sehe, kann ich es kaum fassen, dass das wirklich alles schon hinter mir liegt. Und vor allem, wie viele unvergleichliche Erinnerungen in dieser Zahl stecken. Glückwünsche und stauende Bekundungen nehme ich mit herzlichstem Dank entgegen 😉

Meine Schwester hat mir kürzlich geschrieben, dass ich schon über ein viertel Jahr auf Reisen bin. So gesehen klingt es viel länger. Wie sich das für mich anfühlt? Schwer zu beschreiben, Zeit existiert für mich kaum noch. Rio scheint Jahre her zu sein, der Palo Alto Polo Club als wäre es gestern gewesen. Aber ich erinnere mich mehr an die Emotionen, die ich mit den jeweiligen Orte verbinde, die Details verschwinden. Umso besser, dass ich den Blog hier habe. Nicht nur, um euch gut zu unterhalten und meine Reise (Verbesserung, mein Leben!) mit euch zu teilen. Sondern um die wunderschönen winzigen Details jederzeit nachlesen und die Erinnerung nachfühlen zu können. Gut oder schlecht, ich möchte nichts vergessen! Und ich will definitiv noch viel erleben, auch wenn es manchmal schwer ist. Also auf geht’s, steigen wir wieder ein in den Kleinlaster von Jorge Herbert, der nach Rio Grande fährt, um dort seine Ladung abzuholen und mich freundlicherweise mitnimmt.

Jorge ist ganz begeistert, dass ich einen eigenen Mate habe und er ist der Erste, mit dem ich Mate aus meinem eigenen Mate teile. Mate aleman, deutscher Mate. Auch für ihn ein erstes Mal. Jorge lebt in Ushuaia und hat zusammen mit seinen Geschwistern viele Hektar Land vor der Stadt, auf dem die Rinder grasen. Ich bin mal wieder platt, als er mir die Zaungrenzen zeigt, an denen wir vorbeifahren. Es ist riesig. Kurz hinter der Stadt hält er kurz an, damit ich ein Foto vom Aussichtspunkt auf den Lago Fagnano machen kann.

Er erzählt mir, dass er auch bald auf Reisen gehen will mit seinem mobilen Zuhause. Ziel ist Bariloche. Wenn ich mag, gabelt er mich gerne unterwegs wieder auf und nimmt mich mit. Dabei lächelt er, wie die Argentinier eben lächeln, wenn sie mich sehen. Ich zwinkere, mal sehen, wo ich zu der Zeit bin. Die Fahrt dauert etwa zwei Stunden, Rio Grande ist noch auf der Insel Tierra del Fuego. Jorge setzt mich hinter der Stadt auf der Landstraße ab, hier denkt er, ist ein guter Ort, um weiterzukommen. Ich bedanke mich bei ihm und winke ihm hinterher, dann stelle ich mich an der Straße auf und halte wieder den Daumen raus.

Der Wind ist wahnsinnig stark und wahnsinnig kalt. Ich habe ein mulmiges Gefühl, ich bin sehr weit von Rio Grande entfernt, wenn mich hier niemand mitnimmt, habe ich einen langen Fußweg vor mir und/oder muss hoffen, dass mich jemand mit in die Stadt nimmt. Genau diese Unsicherheit und das Risiko gefallen mir gar nicht am trampen. Leider stehe ich diesmal wirklich eineinhalb Stunden in dem kalten Wind. Ich bin kurz davor aufzugeben, suche auf dem Handy nach Hostels in Rio Grande. Beiläufig höre ich ein lautes Geräusch, sehe auf, ein Lkw kommt, ich halte schnell den Daumen raus und er hält tatsächlich an. Oh Hallelujah!!! Der Fahrer streckt seinen Kopf raus, wohin musst du denn, ich fahre bis Buenos Aires? – Rio Gallegos wäre toll – Steig ein!

Ich atme erleichtert auf und klettere ins Führerhaus. Ich bin Jana. – Mariano – Mariano, du bist meine Rettung!

Unterwegs fülle ich online die Einreiseerklärung nach Chile aus, Mariano hilft mir dabei. Auch direkt an den Grenzübergängen erklärt er mir genau, wie ich als Fußgängerin (caminante) die Grenze überqueren muss, es ist nämlich etwas anders als mit dem Bus. Ich bin richtig froh, mal wieder so eine gute Mitfahrgelegenheit gefunden zu haben.

Wir fahren wieder mit der Fähre zurück nach Argentinien und erreichen Rio Gallegos in der Nacht. Wieder fünfhundert Kilometer geschafft. Danke, Mariano!!!

Am nächsten Morgen geht es mit dem Bus weiter nach Puerto Natales, Chile, wo ich am späten Nachmittag ankomme. Sofort läuft der halbe Bus zu den Firmen, die die Torres-del-Paine-Touren anbieten. Ich überlege kein zweites Mal und verlasse das Terminal. Mal wieder ohne Plan laufe ich zu einem Hostel und bekomme tatsächlich auch so ein Zimmer, sogar für mich allein. Hat einen kleinen Gasofen, den ich sehr zu schätzen lerne. Ich gehe einkaufen und werde dort sofort von einem älteren Chilenen angeflirtet, schlimmer als ich es in Argentinien hatte. Wahnsinn. Leider kann ich in dem Laden nur mit Bargeld zahlen, das habe ich noch nicht, ich muss erst zur Bank. In Chile fällt wenigstens das nervige Wechseln bei Western Union weg und normalerweise kann man problemlos mit Karte bezahlen. Bargeld abheben kostet mich am Automaten hier eine saftige Gebühr… natürlich wegen der Nähe zum Torres del Paine… der ganze Ort ist unglaublich teuer. Aber gut. Dann kann ich meinen Einkauf bezahlen und ziehe mich für den Rest des Abends zurück.

Bei der Ankunft hatte ich ein Tourangebot entdeckt, um die Stadt und das umliegende Gebiet, einschließlich einer Höhle in den Bergen, kennenzulernen. Leider entscheide ich mich dagegen, weil die Tour sehr früh beginnt und ich unbedingt ausschlafen will. Im Nachhinein bereue ich es ein bisschen, wäre perfekt gewesen, um alles zu sehen und ein bisschen was über die Gegend zu erfahren und um einfach zur Höhle zu kommen. Leider nimmt mich später beim trampen zur Höhlen niemand mit und ein Taxi ist mir zu teuer. Ich spaziere also nur durchs Dorf, am See entlang und durchs Hinterland, bis mir die Füße weh tun, dann trinke ich Mate am und sehe in die Berge, in denen das Torres del Paine Gebirge liegt. Es regnet Geld dort.

Ehrlicherweise bin ich die Tage ein bisschen down. Liegt auch am Zyklus, es ist mal wieder so weit, aber dadurch, dass DIE Wandertour für mich flach fällt, habe ich nichts weiter zu tun, außer einen Tag in Chile zu verbringen, um mein Visum zu erneuern. Ich bin nicht in Stimmung, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen, jetzt tun mir auch noch die Füße weh, sodass ich entscheide, den Rest des Tages einfach ruhig zu verbringen, der Bus am nächsten Tag geht früh.

Am nächsten Tag bin ich um halb acht am Terminal, um acht kommt aber kein Bus. Auch nicht um 8:15 Uhr, auch nicht um 8:30 Uhr. Ich beschließe, nachzufragen, wann der Bus kommt, aber die Frau sieht mich nur fragend an: Es ist 9:30 Uhr, der Bus ist längst weg! Jetzt starre ich sie fragend an. Sie zeigt mir ihr Handy, da steht 9:30 Uhr und dann auf ein kleines Schild, dass zwischen vielen Torres del Paine-Tourangeboten hängt: Es gibt hier übrigens eine Zeitverschiebung von einer Stunde. Mein Handy zeigt sie mir nur nicht an.

Es ist schon traurig, weil ich das Busticket nochmal bezahlen muss, aber es ist auch ein bisschen witzig, dass ich schon so jenseits der Zeit reise, dass ich einfach zwei Tage lang die falsche Uhrzeit hatte. Der nächste Bus fährt erst am Nachmittag, sodass ich mein schönes Chai-Tee-Ritual von Ushuaia gleich nochmal wiederhole und im Café meinen Blog schreibe. Tatsächlich ist ein schöner, kühler Morgen, die Bäume sind bunt und ich finde meinen längeren Aufenthalt gar nicht zu schlecht. Ich spaziere nochmal ein bisschen am See entlang und komme dann pünktlich zum zweiten Bus, der mich wieder zurück über die Grenze nach Argentinien bringt.

Der nächste Stopp ist El Calafate, eine Kleinstadt, in der ich am Abend ankomme. Wieder komme ich unangekündigt ins Hostel, es ist wieder kein Problem unterzukommen. Das Hostel selbst ist nichts Besonderes, aber das ist das erste Mal, dass es zwei „Haushunde“ gibt. Schmusegelegenheit bei Bedarf. Über den Tag hatte ich versucht, mir eine Tour für den berühmten Perito Moreno Gletscher zu buchen, doch leider klappt es am Abend dann doch nicht. Ich hatte lange überlegt, weil die Tour zwar toll klingt, aber auch ganz schön teuer ist. Trotzdem entscheide ich mich dafür… weil man so eine Gelegenheit nicht oft bekommt und ich ein besonderes Erlebnis grade gut brauchen kann… außerdem habe ich mir gerade etwa 800 Euro Torres del Paine gespart.

Am nächsten Tag starte ich einen erneuten Versuch die Tour zu buchen, aber leider muss ich dafür an meinem guten alten Feind vorbei: Western Union. Ich gehe vormittags hin, nur um eine lange Warteschlange zu entdecken. Ich seufze, na super. Während wir warten, komme ich mit den anderen ins Gespräch und erfahre nur dadurch zufällig,  dass ich mein Transaktion nicht werde abholen können, da sie zu groß ist und man hier nur kleine Beträge abheben kann. Müsst ihr nicht verstehen, Fakt ist, ich muss zurück zum Hostel, um dort mit meinem Banktransfer-Handy eine neue Transaktion zu starten… leider geht Western Union bald in die Mittagspause und macht dann erst um vier wieder auf.

Ihr versteht, warum ich so auf diesen Laden fluche? Es ist schrecklich kompliziert. Ich beschließe, den Tag nicht nur mit Western Union zu verplempern und besuche die Laguna Nimez, ein städtisches Vogelschutzgebiet direkt am Lago Argentino. Der Eintritt kostet 3000 Pesos, rückblickend betrachtet finde ich es überteuert. Man sieht nicht allzu viele Vögel. Aber es ist ein schöner Spaziergang… halt ein teurer. Dann heißt es, zurück zu Western Union. Wieder finde ich eine lange Warteschlange vor. Während ich warte, schreibe ich der Firma, ob sie mir einen Tourplatz reservieren können, ich komme nachher vorbei und bezahle. Glücklicherweise klappt das, sodass ich mich endlich etwas entspannen kann.

Die Krux ist: Western Union bietet den besten Wechselkurs. Wenn ich bar bezahle mit dem Geld, dass ich von WU für meine Euros bekomme, kostet die Tour 130 Euro. Wenn ich sie mit meiner Kreditkarte bezahle, zu dem offiziellen Wechselkurs… kostet sie 260 Euro… und das ist schon ein verdammt großer Unterschied.

Nach einer endlosen Zeit kann ich endlich mein Geld abholen, laufe dann zurück in die Stadt und bezahle die Tour. Am nächsten Morgen um neun Uhr werde ich direkt am Hostel abgeholt. Los geht das Abenteuer!! Im nächsten Artikel 😉

Liebste Grüße

Eure Jana

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2 Responses

  1. Liebe Jana,
    das mach ich doch gerne: Herzlichen Glückwunsch zu vier Monaten auf Tour, vielen Kilometern zu Fuß, im Bus oder anderen Mitfahrgelegenheiten und unzähligen Begegnungen mit Menschen und Tieren, die dich berührt haben. Das alles wirst du für immer im Herzen tragen und dich gerne erinnern.
    Ich würde sagen: auf alle weiteren Etappen und Abenteuer, die noch kommen mögen! Und auf dich! Du machst das großartig.

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