Hallo meine liebsten Leser*innen,
Danach spaziere ich durch die Stadt, komme wieder am Ufer des Sees raus, als mich ein altbekanntes Schwächegefühl überkommt. Ich finde eine Bank, setze mich erst kurz, um durchzuatmen, lege mich dann aber hin und warte, bis der Schwindel nachlässt. Ich weiß, dass ich meinem Körper gerade zu viel zumute. Auch deshalb ist es besser, noch eine Nacht zu bleiben. Nachdem der Schwindel weg ist, stehe ich langsam auf und gehe langsam weiter.











Am Ufer des Sees grasen ein paar Pferde. Lächelnd gehe ich hin und beobachte die Tiere und das Lächeln vergeht schnell wieder.
Es gehört zum gängigen Stadtbild, dass romantisch dekorierte Kutschen durch die Straßen fahren, als Touristenattraktion. Diese Pferde werden offensichtlich genau dafür genutzt, aber leider wird sich schlecht um die Tiere gekümmert. Die Hufen sind in einem miserablen Zustand, ein Pferd hat sogar einen gespaltenen Huf. Überall am Körper sind Einschnittwunden und Narben vom Ledergeschirr, dass sie den ganzen Tag, Tag um Tag umgeschnallt haben. Die Tiere sind dürr, das Fell glanzlos, die Augen trüb und einer ist so schwach, dass er nicht mal die Ohren aufrecht halten kann. Ich werde richtig traurig, als ich das sehe und würde die Tiere am liebsten mitnehmen. Leider kann ich nichts tun.





Also falls ihr mal hierherkommt, bitte KEINE Kutschfahrten, die Tiere werden nicht gut behandelt! Granada kann man wunderbar selbst ablaufen, ist nicht groß. Die Stadt selbst ist schön… aber ich hab schon so viele koloniale Städte gesehen, die so viel schöner waren, deshalb haut es mich nicht von den Socken.












Ich laufe ein paar Kirchen ab, setze mich in eine und genieße die Stille. Außer mir ist niemand da, der Wind pfeift durch die Fenster, aber es ist angenehm.
Kurz stutze ich, als ich Jesus Christ, the Superstar entdecke… Katholizismus schön und gut, aber dass die dabei ernstbleiben können?


Ob das noch die echten Haare sind?
Dann kehre ich wieder zu mir zurück, atme tief durch, schließe die Augen, führe Zwiegespräche mit mir selbst und komme entspannter aus dem Gebäude. Auch ohne religiös zu sein, findet man in Kirchen eine besondere Ruhe, zumindest hab ich diese Erfahrung gemacht. Gleich darauf bin ich wieder in einer Kirche, allerdings diesmal, weil es wieder schüttet wie aus Eimern.
Uuund da komme ich auch wieder in der Realität an, weil nämlich auch ein Typ Schutz vor dem Regen sucht und mich jetzt die ganze Zeit dumm angrinst… Ja, wir stehen in einem Gotteshaus, ja, er ist Katholik, aber Mann bleibt Mann. Ich frage offensiv, ob ich ihm helfen kann, oder warum er mich so anstarrt, das hilft kurz, aber nicht lang. Der Regen ist noch nicht ganz vorbei, aber ich haue trotzdem ab, um dem Starren zu entgehen.
Dann laufe ich noch ein bisschen durch die Stadt, finde in einem Café einen leckeren Snack zum Mitnehmen und gehe dann wieder in mein schönes Hostel, wo ich den Rest des Tages verbringe. Zuvor war ich noch im Busterminal, um nach einer Verbindung nach León zu fragen und im Hostel frage ich gleich nach den offiziellen Ticketpreisen. Das zahle ich, keinen Cent mehr! Und das ist auch die einzige Art, der Busmafia zu entgehen.
Ich unterhalte mich nett mit ein paar Hostelmitbewohnern, freue mich über Eistee aufs Haus (normalerweise mit Alkohol, für mich ohne) und gehe trotzdem bald ins Bett, damit ich am nächsten Morgen rechtzeitig den Bus erwische. Klappt alles wunderbar, der Preis stimmt. Um nach León zu kommen, muss man zuerst nach Managua und dort umsteigen. Zuerst habe ich einen Superplatz, dann müssen wir aus heiterem Himmel den Bus wechseln und dann stehe ich bis Managua mal wieder eingequetscht. Oh Mann, so schön es ist, dass sie günstig sind, aber angenehm sind die Chickenbusse wirklich nicht.
Das Umsteigen klappt ganz gut, ein Mann führt mich zum richtigen Bus und ausnahmsweise lasse ich mir dann als Dankeschön ein paar Kopfhörer verkaufen, weil ich dringend neue brauche. Ich frage eine Mitfahrerin nach dem offiziellen Preis, sie sagt ihn mir und erklärt mir dann, dass sogar die Nicaraguaner(innen) von den Busfahrern abgezockt werden. Sie selbst muss auch immer aufpassen. Wir fahren nach Leon, wo ich gegen halb elf ankomme. Mein Hostel ist ganz in der Nähe und ich werde sehr nett empfangen, bekomme sogar einen Kaffee geschenkt. Nach einem kurzen Frühstück, mache ich mich auf den Weg in die Stadt, um Geld abzuheben und ein paar Dinge zu erledigen. Natürlich kündigt sich genau jetzt mein Shuttle eine halbe Stunde früher an, als verabredet war, sodass ich gerade noch zum Hostel zurückhetzen und mich umziehen kann, als es auch schon losgeht. Ich steige in einen leeren fast leeren Chickenbus, wir fahren zum Big Foot Hostel, dort steigt der Großteil der Leute ein und wir bekommen noch eine kleine Einführung in das, was wir gleich machen werden.
In León gibt es für Touristen vor allem eine Sache zu machen: Volcano Boarding. Das hab ich zum ersten Mal in der Schule im Spanisch-Unterricht gehört und war damals schon begeistert. Jetzt und heute genau das zu machen, ist ein großartiges Gefühl. Es ist genau das, was im Namen steckt: Man fährt mit einem Holzschlitten einen aktiven Vulkan runter. Und das kann man auf der ganzen Welt nur an EINEM Ort machen, nämlich hier! Für sagenhafte 35 US-Dollar. Ich würde sagen, los geht’s.
Mit dem Bus fahren wir ein ganzes Stück raus in der Stadt über Stock und über Stein, halten an einer kurzen Raststätte für einen letzten Klogang. Die ganze Zeit über läuft irre laute Musik aus den Lautsprechern, was zwar nichts neues, aber immer noch nervig ist. Unterhaltungen sind kaum möglich.
Schließlich kommen wir an und steigen aus. Jeder bekommt einen Rucksack und ein Board, beides müssen wir den Vulkankrater nach oben tragen. Es ist allerdings nicht weit, nur knappe 5 min. Man kann sich das Board auch nach oben tragen lassen, lokale „Träger“ verdienen sich so ein bisschen Geld. Einige nehmen das in Anspruch, ich bin fit genug und dankbar für das Training.
Die Aussicht ist jetzt schon der Hammer. Wir sind von wunderschönen grünen Hügeln umgeben, aber direkt vor uns liegt ein kohlschwarzer Berg… und den rutschen wir gleich runter.









Das Board unter den Arm geklemmt geht es erst moderat, dann steil berg auf, allerdings nicht lange. Wir stoppen auch hin und wieder für Fotos. Die Herausforderung ist eher, das Board nicht zu verlieren, weil der Wind ganz schön heftig pustet und einen schnell aus dem Gleichgewicht bringt.




Die Aussicht wird mit jedem Schritt gewaltiger. Wir sind von Vulkanen umgeben, sowohl erloschen, als auch aktiv und bald kommt auch der Schlot dieses Vulkans in Sicht:




Wir umrunden den Krater einmal bis zur anderen Seite. Dort genießen wir erst nochmal die Aussicht. Vor allem auf einer Seite ragen drei riesige qualmende Berge in die Höhe, es ist wahnsinnig schön. Ein Vulkan ist schon immer noch etwas Besonderes für mich und hier mitten im Land der Vulkane zu stehen ist einfach großartig. Ich kann den Blick gar nicht losreißen.








Dann gibt uns unser Guide eine Einführung in die Technik, wie fährt man schnell, langsam, wie bremst man, worauf muss man achten. Dann schlüpfen wir in wunderschöne Müllmann-orangene Schutzanzüge und bekommen eine Brille, durch die man fast blind wird.





Als wir den Hang runterschauen müssen, alle schlucken… das ist steiler, als wir gedacht haben. Und vor allem weit! Plötzlich will keiner mehr als erster. Unser Guide läuft bis zur Mitte des Berges, wir fahren zwei Bahnen, er achtet darauf, dass er die Bahn erst freigibt, wenn der Schlittenfahrer zuvor die Bahn verlassen hat. Und dann geht es los. Einer nach dem anderen wird oben verabschiedet und fährt auf dem Holzbrett den Vulkanhang runter. Es gibt einen Rekord von 117 km/h… einigen juckt es in den Fingern, das zu brechen. Mir natürlich auch. Ich warte als fast letzte, dann setze ich mich auf den Schlitten. Am Anfang versucht man ein bisschen ein Gefühl für den Schlitten zu bekommen und zu testen, wie sicher sich das Ding fährt. Dann will ich schneller und schneller werden, aber wie der Guide uns gewarnt hat: Die Dinger werden sehr schnell SEHR SCHNELL. Und mir bald zu schnell. Ich stemme die Füße in schwarzen Steine unter mir und bremse die Geschwindigkeit.

Unten steht ein zweiter Guide, der mit einer Geschwindigkeitspistole nachmisst: 40 km/h hatte ich, der schnellste hatte 68 km/h. Wir fragen uns alle, wie jemand den Mut hatte, mit 117 km/h diese Strecke zu fahren?! Unser Guide nickt, er betet für alle, die das machen… es ist nämlich saugefährlich.
Ich bin mehr als zufrieden und eine einzigartige Erfahrung reicher! Ich schäle mich aus dem Anzug und leere meine Schuhe aus, die voller Steine und Dreck sind, auch meine Haare und Ohren sind voll mit Asche.
Danach sehen wir uns in Ruhe den Sonnenuntergang an, der ebenfalls wunderschön ist:







Sogar ein Feuer wird geschürt und es gibt Marshmallows. Die Stimmung ist super! Als es dunkel ist fahren wir zu einem nahegelegenen Hof, wo uns ein Abendessen serviert wird. Alle machen sich hungrig drüber her und bewundern dann die Tiere, die auf dem Hof herumlaufen. Eine Sau mit ein paar kleinen Ferkelchen sind das Highlight, im Hinterhof sind noch zwei zahme Ochsen, auf die man sich setzen kann. Ich spreche mit der Oma der Familie auf Spanisch über das Bauernhofleben, dann wird es Zeit für den Aufbruch. Auf dem Rückweg ist Party im Bus. Die Musik ist ohrenbetäubend, der Guide macht Stimmung, alle sitzen auf den Lehnen und grölen die Lieder mit.



Zurück in der Stadt verabschiede ich mich von meinen Bekanntschaften, kaufe ein paar Snacks ein und gehe dann in mein Hostel. Was ich nicht wusste, das Big Foot Hostel schenkt einem eine Hostelnacht umsonst, wenn man die Volcano Boarding Tour macht. Das hätte mir deutlich geholfen, hat mir aber niemand gesagt.
Nachts um drei klingelt mein Wecker, ich packe zusammen und werde um vier Uhr früh von meinem Shuttle abgeholt. Vor mir liegt eine lange Fahrt über drei Landesgrenzen an nur einem Tag. Es funktioniert alles in allem ziemlich gut. Mein Ziel ist Guatemala (Antigua), das ich am Abend gegen neun Uhr erreiche. Unterwegs ärgere ich mich ein bisschen, dass ich keine Zeit für El Salvador habe. Erst vor kurzem habe ich erfahren, dass im Gegensatz zu meinem Wissenstand El Salvador seit etwa einem Jahr ein beliebtes Reiseziel und vor allem noch ein bisschen unentdeckt ist. Ich hatte El Salvador und Honduras von vornherein gestrichen, weil die Kriminalität so hoch und die Städte so gefährlich sind. Aber als wir an der Küste entlang fahren und einen der Fahrgäste in „Surf City“ rauslassen, bin ich richtig neidisch. Nächstes Mal… falls das Land da noch politisch stabil ist.
Nach der irren Drei-Länder-Fahrt komme ich müde in Antigua an und falle nur noch ins Bett. Es ist angenehm kühl, die Stadt liegt auf etwa 1500 Metern Höhe, was die tropisch-feuchte Hitze verschwinden lässt. Die Nacht schlafe ich gut und lang.
Liebste Grüße
Eure Jana
2 Responses
Liebe Jana,
ich stelle fest: Jesus trägt smokey eyes! Der schwarze Kajal steht ihm!
Auf das Vulkan- Runterrutschen hab ich die ganze Zeit gewartet!! Ich erinnere mich, wie du mir davon im Büro erzählt hast und ich es total cool fand. So geil, dass du das gemacht hast. Die Bilder und deine Beschreibung klingt toll! Freut mich, dass es dir so viel Spaß gemacht hat.
Wir versinken hier übrigens gerade im Schnee, da rutscht man auch gut.
Ganz liebe Grüße Christine
Hey Chris! Ich meine auch, dass ich Jesus letztens als Unterwäschemodel im Schaufenster gesehen habe… aber vielleicht verwechsle ich ihn auch! Ich find’s auch immer noch total cool, dass ich das machen konnte! Einer der großen Reisemomente, definitiv!
Happy New Year <3