Liebste Leser*innen,





drei Mädels, allein, verlassen von dem Fahrer, dem sie vertraut hatten, mitten auf der Carreterra Austral zwischen mächtigen Berggipfeln und mystischen Nebelwäldern. Es gibt nur sie drei… und die Straße. Die Sonne sinkt immer tiefer, es wird mit jeder Minute kälter… und dunkler. Sie wissen, nur eins kann sie noch retten: Der Daumen.
Hey, ich schreib nur, wie es war, manchmal klingt es eben… genauso dramatisch wie es war… und ist weniger dramatisch als man denkt. Lily und ich haben eigentlich noch ganz gute Laune, Maria ist müde und sorgt sich, dass wir vielleicht tatsächlich den ganzen Weg (25 km) zurücklaufen müssen. Ich verstehe, dass ihre Laune schnell in den Keller sinkt. Aber wir sind immer noch zu dritt, bei Tageslicht auf der Straße, die eigentlich recht gut befahren ist. Und tatsächlich kommen auch ein paar Autos… nur nimmt uns keiner mit.
Ich entschuldige mich bei den Mädels, ich habe trotzdem das Gefühl, dass ich es verbockt habe, weil ich mir die geänderte Abholzeit nie hab bestätigen lassen. Ist mir schlichtweg durchgerutscht. Trotzdem kann ich sehen, dass unser Transport die Nachricht gesehen hatte… und dann sind wir in die Signallosigkeit verschwunden.
Wieder kommt ein Auto und hält sogar an. Ich bin weiter vorne weg gelaufen und bis ich bis zum Transport komme, verabschieden die zwei Mädels das Auto schon wieder und sie fahren weiter. Es hätte nur Platz für eine gegeben. Ich erkläre den beiden, wenn das das nächste Mal der Fall ist, sollte eine von uns gehen und sich in Chaiten um einen Rücktransport für die anderen beiden kümmern. Die Mädels fassen sich an den Kopf, daran haben sie nicht gedacht, was auch gar nicht weiter schlimm ist, aber so laufen wir noch ein Stück länger. Wieder kommen Autos, wir halten den Daumen raus, ein – zwei Autos rauschen vorbei, niemand hält.
Schließlich kommt ein Kleinlaster, der entschuldigend auf den wenigen Platz neben sich zeigt. Ich wechle mein Signal von Daumen zu Zeigefinger, fragend, ob er eine mitnehmen kann. Und tatsächlich fährt er rechts ran. Wir atmen auf. Ich erkläre dem Fahrer die Situation und er beginnt den Platz neben sich freizuschaufeln, während wir entscheiden, wer zurückfährt. Für mich ist vollkommen klar, dass ich nicht zurückfahre, weil mir das ganze Dilemma hier am wenigsten ausmacht. Die Wahl fällt auf Maria, deren negative Aura fast spürbar ist vor Erschöpfung und schlechter Laune. Wir planen grob, was ihre Optionen sind (nach Hause zu Kyle gehen und gemeinsam mit ihm eine Lösung suchen oder in dem Tourismusoffice, bei dem wir gestern den Transport organisiert bekommen haben, ob sie uns helfen können, die waren sehr nett und hilfsbereit. Dann winken Lily und ich den Rücklichtern nach und laufen weiter. Sofort ändert sich auch die Stimmung. Uns ist beiden klar, dass wir jetzt nur noch abwarten müssen und spazieren einfach weiter, genießen die schöne Natur und unterhalten uns sehr gut… haben sogar einen Lachanfall, genau in dem Moment, als es bergaufgeht, wann sonst? Es ist ein angenehmes Abenteuer und Lily ein absoluter Schatz. Die Sonne geht unter und es wird Nacht. Ich hab meinen neongelben Regenschutz für den Rucksack dabei und ziehe in über, damit uns die Autos von weitem schon sehen können und wir beschließen, nach 10 Minuten die Handys zum Leuchten rauszuholen, weil sonst alles schwarz wäre. Es ist mittlerweile über eine Stunde vergangen, bald dürfte Maria mit einer Rückfahrgelegenheit kommen. Zuvor ruft allerdings bei uns beiden die Natur und wir verschwinden am Straßenrand…
Natürlich hören wir genau in dem Moment, als wir uns beide hinhocken, ein Autogeräusch, dass aus Richtung Chaiten kommt. Das darf ja wohl nicht wahr sein?! Wir springen auf und gehen zurück zur Straße und tatsächlich sehen wir langsam ein Auto auf uns zukommen. Ich schalte meine Handytaschenlampe ein, um ein Lichtsignal zu geben und das Auto neben uns bleibt stehen. Maria springt raus und fragt besorgt, ob alles okay ist? Wir nicken, alles okay. Sie atmet erleichtert aus und wir steigen alle ein, begrüßen unseren Fahrer und bedanken uns für die Rettung. Der Fahrer nickt und erklärt, Maria war so nervös, dass uns etwas passiert ist und lächelt sie freundlich an: Jetzt alles okay? Sie nickt, wirkt aber trotzdem am Ende ihrer Nerven. Lily und ich stellen fest, dass wir am Ende doch ganze acht Kilometer gelaufen sind… naja, auf die 25 hätte trotzdem noch einiges gefehlt und das wäre im stockfinsteren gewesen. Also gut, das so letztendlich alles noch gut ausgegangen ist. Der Fahrer fährt uns zurück in die Stadt und sogar bis vor die Haustür. Wir bezahlen ihn und gehen dann nach drinnen, wo Kyle schon am Kochen ist und gespannt unsere Geschichte erwartet. Wir setzen uns, erzählen, essen dann gemeinsam… es schmeckt himmlisch!! Ich schätze nach so einem Tag hätte alles himmlisch geschmeckt, aber Kyle ist auch so ein sehr guter Koch.
Ich stelle dann übrigens fest, dass mir unser erster Fahrer, der uns eigentlich hätte abholen sollen, nie zurückgeschrieben hat. Das macht mich schon nochmal ein bisschen sauer. Selbst wenn es letztendlich zeitlich nicht geklappt hätte, er hätte wenigstens absagen können oder uns informieren, dass ihm etwas dazwischen kommt. Maria erklärt, die Leute im Tourismusoffice, wo sie letztendlich Hilfe erhalten hat, haben bei der Geschichte auch mit den Augen gerollt, kann ja wohl nicht wahr sein.
Anyway, alles in der Vergangenheit, wir sitzen satt und zufrieden im warmen und lachen am Ende über das Abenteuer. Wir beschließen, dass wir am heutigen Abend einen Film aus der Jurassic Park-Reihe gucken wollen, weil wir drei Mädels heute auf der Wanderung so oft das Gefühl hatten, mitten durch die exotischen Filmkulissen zu wandern und das gleich um die nächste Ecke ein Dinosaurier steht. Beweisfoto? Kein Problem:

Welcome! To Jurassic Park! Wir kuscheln uns also alle zusammen auf die Couch und der Tag endet mit einem urzeitlichen Dinoschrei.
Am nächsten Morgen ist es Zeit für den Abschied von Lily und Kyle. Sie fahren erst mit dem Bus, dann mit Fähre und wieder mit dem Bus nach Puerto Montt in den Norden. Wir fahren mit dem Bus nach Futalefú, zurück an die argentinische Grenze, was für mich der letzte Stopp in Chile wird. Maria will danach dieselbe Strecke wie Lily und Kyle noch weiter nach Norden in Chile nehmen.
Wir umarmen uns alle, tauschen Kontakte aus und wünschen uns viel Glück für die Reise. Marias und mein Bus geht um 12.
Am Tag zuvor waren wir in eine Bäckerei/ einen Süßwaren-/ Unverpacktladen gestolpert und die Frau meinte, dass es ab dem heutigen Tag frische Kuchen dort gibt. Maria und ich beschließen dort zu „frühstücken“. Die Kuchen sehen so lecker aus, dass wir uns kaum entscheiden können. Am Ende bestellt jede zwei Stücke, sodass wir insgesamt vier der sechs verschiedenen Kuchen probieren können… himmlisch lecker sind sie alle, aber mein Favorit ist die Maracuja-Torte. Kennt ihr noch dieses Eis am Stiel, das einen Orangengeschmacküberzug hat und innen drin weiße Eiscreme….genauso schmeckt diese Torte!
Wir gehen zeitig los, sind dann aber etwas verwirrt, weil es mehrere Bushaltestellen im Ort verteilt gibt. Das Handy hilft uns mal wieder nicht weiter. Neben einem Gebäude, auf dem das Reiseziel Futaleufú angeboten wird, steht ein Bus. Wir fragen den Fahrer, der erklärt uns, er fährt nicht nach Futaleufú. Ich frage ihn, ob der entsprechende Bus von hier abfahren wird und er bestätigt. Also warten wir. Und warten. Und warten. Der andere Bus fährt weg. Wir warten immer noch. Es wird 12 Uhr und es kommt kein Bus. Wir beschließen, wieder zu dem Tourismusoffice zu gehen, dass uns schon so oft geholfen hat und dort nachzufragen. Die Frau darin erklärt uns, der Bus fährt von HIER ab, also vorm Tourismusoffice, ist jetzt aber weg. Klar, ist pünktlich um 12 abgefahren, wir waren an der falschen Haltestelle. Ich kann es nicht fassen. Warum hat mir der Busfahrer gesagt, der Bus würde dort abfahren??
Wir fragen, wo wir die Tickets kaufen können und die Frau meint, die werden hier verkauft. Wieder tauchen die Fragezeichen in unseren Köpfen auf. Wir waren am Tag zuvor und an dem davor immer im Tourismusoffice und haben dort nach unseren Busverbindungen gefragt. Nie hat jemand erwähnt, dass wir hier die Tickets bekommen und das die Busse direkt hier vor der Tür abfahren. Was ist los mit diesem Land? Ist es hier Tradition, Touristen auflaufen zu lassen?
Wir haben Glück und am selben Tag um 4 fährt noch ein Bus. Großes Glück!! Es gibt Orte, da fährt erst in drei Tagen wieder einer. Wir kaufen gleich die Tickets dafür, dürfen unsere Rucksäcke hier im Office abstellen und gehen dann nochmal in die Stadt, um die verbleibenden vier Stunden totzuschlagen. Auf dem Weg zum Supermarkt für ein paar Snacks, sehe ich nochmal diesen Busfahrer und bin kurz davor, in mit einer Tsunamiwelle fränkischer Flüche zu überrollen… aber was hätte es gebracht? Es ist schon so wie es ist.
Wir beschließen noch zu einem nahegelegenen Wasserfall zu gehen. Als wir eine Schranke passieren, kommt ein Mann auf uns zu, er uns erklärt, wir müssen uns registrieren. Wir schreiben also unsere Namen und Kontaktdaten in ein Buch und er erklärt uns den Weg. Er lebt in dem Haus neben an und übernimmt gleichzeitig die Staatsaufgabe, die wir bis jetzt überall hatten. Dann erklärt er uns nett, dass wir, um den Wasserfall zu sehen, den Fluss überqueren müssen. Es gibt ein paar Steine, über die wir vielleicht gehen können. Wir nicken, wird schon gehen. Auf dem Weg dorthin werden wir von diversen Hunden verfolgt, die nicht mal mehr ich niedlich finde. Sie sind einfach ziemlich schmutzig und haben überhaupt keinen Respekt, egal wie oft wir sie verscheuchen. Wir kommen an einigen verlassenen Häusern vorbei und fragen uns, ob das Teil des alten Chaitens war, vor dem Vulkanausbruch.



Leider erfahren wir es nie. Wir folgen dem Pfad und kommen schließlich am Fluss raus. Wie immer ein wunderschön klarer Bergfluss mit türkisschimmerndem Wasser, einfach herrlich. Wir gehen das Ufer entlang, so weit es geht, doch am Ende versperren uns Felsen den Weg und ich kann hören, dass der Wasserfall um die Ecke auf der anderen Seite ist. Wir suchen die großen Steine im Fluss nach einer sicheren Passage ab, aber keine Chance, die sind zu weit auseinander. Wir kommen nicht trockenen Fußes rüber… trockenen Fußes… in meinem Kopf blinkt eine Glühbirne auf. Maria will schon wieder gehen, als ich meine, ob es okay für sie ist, wenn nur ich schnell rübergehe und ein paar Fotos mache. Sie sieht mich irritiert an, wie denn? Ich lächle: Ich gehe einfach barfuß durch den Fluss. Tief ist er nicht, breit auch nicht, das klappt schon. Sie schüttelt nur den Kopf und lacht, na wenn du unbedingt willst, da sind meine Schuhe schon ausgezogen und die Hosen hochgekrempelt.
Das Wasser ist gar nicht so kalt, wie gedacht, aber ich will trotzdem schnell sein. Ich bahne mir meinen Weg vorsichtig durch den Fluss, damit nicht nicht auf den Steinen im Wasser ausrutsche. Am Ende wird es etwas kritisch, aber einen kalkulierten Sprung später bin ich am anderen Ufer und klettere um die Ecke, wo ich die Sicht auf den Wasserfall habe… oh wow und wie sich die Aktion gelohnt hat!! Die Fotos werden der Schönheit des Ortes leider gar nicht gerecht. Hier hätten wir einen ganzen Tag verbringen und uns nicht sattsehen können. Im Sommer wäre es hier absolut perfekt! Ich knipse ein paar Bilder, Maria ein paar von mir. Leider bin ich meinem Camouflage-grau schwer zu erkennen.







Dann kraxle ich schon wieder zurück. Diesmal kommt die kritische Stelle zuerst. Ich lasse mir viel Zeit, um den richtigen Schritt zu kalkulieren, überlege sogar noch einen kleinen Hund mitzunehmen, der wie auch immer mit auf diese Seite gekommen ist (die Hunde haben uns pausenlos verfolgt), aber jetzt nicht mehr zurückzukommen scheint. Maria ermahnt mich, auf mich zu schauen, die Hunde kennen ihre Wege und ich gebe ihr recht. Ich mache meinen Schritt, und bin ein paar Sekunden später wieder sicher und mit schön erfrischten Füßen auf der anderen Seite. Was für ein tolles Gefühl und sooooo gesund!
Wir gehen zurück und Maria will noch einen Blick in das Museum von Chaiten werfen. Bereits von außen sehen wir einige alte, heruntergekommene Häuser, die zur Hälfte im Boden eingesunken sind. Das Museum selbst hat noch bis drei Uhr zu, wir müssen noch 35 min warten. Den Außenbereich können wir so ablaufen und uns die Häuser genauer anschauen.






Auf den Infotafeln vorm Museum gibt es noch ein paar zusätzlich Infos zum Vulkanausbruch, aber die Zeit geht trotzdem schleppend vorbei, bis das Museum endlich aufmacht… und darin ist es eher unspektakulär. eine kleine Holzhalle mit einigen Zitaten und Erzählungen von Bewohnern des alten Chaiten, drei vier verschiedene Vulkansteine, die wir vom Nationalpark schon kennen und das war’s. Wir treffen noch auf einen anderen Touristen… einen Deutschen natürlich. Er erzählt, er kommt aus Hamburg, war vor längerer Zeit schonmal hier, schreibt einen Blog und ist hier, um sein Buch zu erneuern. Er ist mir auf Anhieb… unsympathisch. Vielleicht liegt es daran, dass er mit seinem Blog Geld verdient und bereits ein Buch geschrieben hat, was ich erst noch vor mir habe, aber ich mag auch seine Art einfach nicht. Maria findet ihm im Gegenteil ganz nett. Vielleicht liegt es doch eher am ersten Grund 😉 Danach gehen wir kurz ein paar Snacks für die Fahrt kaufen und dann zum Bus. Nachdem wir eingestiegen sind und schon angefangen haben zu essen, entdecke ich einen Completo-Stand auf der anderen Straßenseite und einen Typen, der gerade in ein richtig lecker aussehendes Completo beißt. Ach, Schrei die And‘ an! Jetzt ist es schon zu spät, der Bus fährt in 5 min ab und ich will nichts riskieren. Wir fahren kurz darauf los und ich schlaf kurz darauf wieder ein. Am Abend kommen wir in Futaleufú an, suchen uns eine Bleibe und kommen in einem Hostel unter, das „los abuelos“ (die Großeltern) heißt und auch tatsächlich von einem älteren Ehepaar geführt wird, die uns sofort wie Oma und Opa vorkommen. Es ist richtig nett… aber leider wird mal wieder mit der Heizung gespart und es ist kalt.
Wir gehen einkaufen, kochen, essen und gehen bald schlafen. Die letzte Chile-Phase hat begonnen.
Liebste Grüße,
Eure Jana
2 Responses
Mannomann, bei dir is ja wieder allerhand los… So ein Tsunami fränkischer Flüche tät mich rein Laut malerisch durchaus mal interessieren! Und die Strudelbilder sind absolut atemberaubend! Weiter a guade Reise!!! Grüße aus Niederbayern!
Liebe Andrea,
ich bin fest überzeugt, dass Niederbayern fluchtechnisch gut mithält. Aber a lautes Zefix hat da net ausgreicht.
Dang der schee und bis zum nächsten Mal 😉